Aufsätze

Refinanzierung eine Frage des Geschäftsmodells

Die Refinanzierungserfordernisse einer Bank hängen vom Umfang und von der Zusammensetzung der Bilanz und damit von der Natur des betriebenen Geschäftes ab. Darin reflektiert sich die Bilanzstrategie, die ihrerseits in direktem Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell und der Risikostrategie steht. Die meisten Geschäftsmodelle verfolgen eine aktive Bilanzwachstumsstrategie: Die Emission von Schuldverschreibungen etwa schafft neben dem klassischen Einlagengeschäft zusätzliche Liquidität auf der Passivseite und verlängert die Bilanz, um bei hinreichendem Eigenkapital entsprechend mehr Geschäft und Risiko auf der Aktivseite tragen zu können.

Von der Aktivseite getriebene "Funding Strategy"

Banken mit einem solchen Geschäftsmodell verfolgen eine von der Aktivseite getriebene "Funding Strategy" und erwirtschaften den größten Teil ihrer Erträge normalerweise im Kredit- beziehungsweise Zinsgeschäft. Um die Transformation von kurzfristigen Einlagen in langfristiges Kreditgeschäft auf Dauer sicherzustellen und bei Bedarf refinanzieren zu können, steigen die Anforderungen an die Verfügbarkeit von Liquidität. Die Folge ist eine zumindest zeitweise erhöhte Abhängigkeit vom Interbankenmarkt.

Ein Privatbankhaus wie Hauck & Aufhäuser, in dem der Bankier persönlich für die eingegangenen Risiken haftet, betreibt ein Geschäft, das keine Bilanzwachstumsstrategie verfolgt. Das Geschäftsmodell ist hier von der Passivseite bestimmt, die durch Kundeneinlagen und Kassenbestände der vom Haus administrierten Fonds gekennzeichnet ist. Das Aktivgeschäft orientiert sich damit am natürlichen und organischen Wachstum der Passivseite. Zudem spielen Erträge aus dem Zinsgeschäft für eine Privatbank, die sich auf die Lösung von komplexen Vermögensfragen spezialisiert hat, nicht die wichtigste Rolle: Ausschlaggebend ist der Provisionsertrag. Kredite sind zwar in vielen Fällen Teil der Gesamtlösung für die Kunden des Hauses, sie nehmen jedoch nicht einmal ein Drittel der Bilanz ein. Somit ist Hauck & Aufhäuser aufgrund seines Geschäftsmodells von der Refinanzierung über den Interbankenmarkt weitgehend unabhängig. Das Haus tritt in der Regel nicht als Nehmer, sondern als Geber von Liquidität am Interbankenmarkt auf.

Die Stärken dieses Geschäftsmodells zeigten sich, als am Sonntag, den 14. September 2008, mit Lehman Brothers ein globaler Kapitalmarktakteur Insolvenz anmelden musste. Die Finanzkrise trat in eine zweite, verschärfte Phase ein. Spätestens jetzt war jedem Marktteilnehmer klar, dass man es mit systemischen Risiken bislang unbekannten Ausmaßes zu tun hatte. Die Erosion des Vertrauens der Banken untereinander beschleunigte sich. Infolgedessen geriet der Geldmarkt, auf dem Banken ihre Liquidität austauschen, an den Rand des Infarkts. Die wichtigste kurzfristige Refinanzierungsquelle der Geschäftsbanken drohte zu versiegen.

Tatsächlich war eine Refinanzierung für viele Institute, wenn überhaupt, nur noch zu hohen Risikoaufschlägen möglich. Das mündete oft in dem Versuch, Refinanzierungsbedürfnisse durch eine Verkürzung der Bilanz zu reduzieren. Dazu wurde unter anderem das Kredit- und Wertpapierportfolio beschnitten, das bei Geschäftsbanken in der Regel den überwiegenden Teil der Bilanzsumme ausmacht. Bestehende Kreditbeziehungen wurden nicht mehr automatisch verlängert, und bei neuem Kreditgeschäft verfuhr man zunehmend restriktiv. Dies reflektiert den hohen Wert - und auch die Knappheit - der Güter Eigenkapital und Liquidität, der sich spätestens jetzt über seinen Preis zurück ins Bewusstsein drängte. Während viele Geschäftsbanken mit der Refinanzierung in Bedrängnis gerieten und dafür plötzlich sehr hohe Zinsaufschläge bezahlen mussten, flossen Hauck & Aufhäuser ohne eigene Aktivität neue Mittel zu. Verunsicherte Anleger liquidierten ihre Anlagen und Depots, die frei gewordenen Mittel platzierten sie bei vertrauten und vertrauenswürdigen Adressen.

Verlängerung der Bilanz

Der besondere Zuspruch von Bestands- und Neukunden sowie das signifikante Bilanzwachstum in dieser Zeit unterstreichen, dass das Bankhaus bei den Kunden als krisensichere Adresse gilt. Diese Reputation wurde über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren aufgebaut.

Für die Aktiv-Passiv-Steuerung durch das Treasury bedeutet die Verlängerung der Bilanz während der Krise eine besondere Herausforderung. In den ersten Tagen und Wochen nach der Lehman-Insolvenz verzeichnete das Bankhaus ein vorübergehendes Bilanzsummenwachstum von gut 30 Prozent. Insofern hatte auch Hauck & Aufhäuser in der Krise ein "Liquiditätsproblem" - allerdings unter ganz anderen Vorzeichen als viele Geschäftsbanken: Denn, so wie die Nachfrager, waren auch die Anbieter von Liquidität im Herbst des vergangenen Jahres mit einem nervösen, häufig irrationalen Marktgeschehen konfrontiert.

Mit Jahresende haben viele Kunden des Hauses ihre überschüssige Liquidität zu großen Teilen wieder von Einlagen in andere konservative Anlagen umgeschichtet und damit zu einer Verkürzung der Bilanz beigetragen. Dennoch schloss das Krisenjahr mit einer für die Bilanzstrategie des Hauses ungewöhnlich stark gestiegenen Bilanzsumme von knapp 2,7 Milliarden Euro ab - dem höchsten Wert in der Geschichte des Hauses.

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