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... Peter Hanker Bringt das Fachräte Konzept eine tragfähige Balance zwischen Einzelinteressen und Verbundphilosophie?

Als Instrument der gruppeninternen Willensbildung im genossenschaftlichen Finanzverbund werden seit fast drei Jahren praktische Erfahrungen mit dem sogenannten Fachräte Konzept gesammelt. Auf Grundlage der dezentralen Struktur der Gruppe, die auch der Autor gleich zu Beginn als unverrückbares Asset ausmacht, soll mit diesem Ansatz die strategische Weiterentwicklung und möglichst konsensfähige Umsetzung im konstruktiven Dialog vorangebracht werden. Die dort entwickelten Tools will der Autor folglich nicht als Vorgabe von oben, sondern als von unten gewachsenes Angebot für die Gruppe verstanden wissen. Am Ende der ersten Mandatsperiode wertet er die bisherige Arbeit als Erfolg. Auch umstrittene Themen wie die Vergütungspraxis der Verbundpartner sieht er durch das Gremium konstruktiv und offen behandelt. (Red.)

"Manchmal ist das, was uns stark macht, auch ein Handicap. Ob es zum Hindernis wird oder nicht, liegt zuerst einmal daran, ob man es erkennt und richtig einordnet. Eventuelle Nachteile lassen sich so möglichst frühzeitig ausräumen. Die Stärke des Genossenschaftssektors ist zweifellos dessen dezentrale Struktur. Sie erst ermöglicht es den Volksbanken und Raiffeisenbanken, in einem überschaubaren Wirkungskreis als persönlicher Dienstleister aufzutreten und gleichzeitig die Größe und Leistungskraft sowie die gemeinsame Risikoabfederung und die Lobbyarbeit des Finanzverbundes zu nutzen. Das sind die besten Voraussetzungen, um Kunden optimal zu betreuen.

Suche nach optimalen Lösungen

Wie in anderen Netzwerken kommt es auch innerhalb der genossenschaftlichen Kooperation zu Reibungsverlusten, mitunter auch zu langwierigen Spannungen und Disharmonien. Gebraucht wird eine funktionierende Schnittstelle, die die Ziele des gesamten Verbundes ebenso im Blick hat wie die Prioritäten der Primärbanken und die beides miteinander in Einklang bringt.

Seit 2005 obliegt diese Funktion sechs eigens zu diesem Zweck etablierten Fachräten, die sich jeweils mit einem spezifischen Geschäftsfeld befassen. War deren Arbeit bisher erfolgreich? Als Vorsitzender des Fachrates Markt kann ich dies heute mit einem klaren Ja beantworten. Wobei die Früchte unseres Engagements teilweise hart erkämpft wurden ...

Die Mitglieder unseres Gremiums, das sind wie in allen Fachräten mehrheitlich Primärbankvorstände, verstehen sich als Interessenvertreter aller Volksbanken und Raiffeisenbanken. Vom Wunschdenken, es jedem recht zu machen, muss man sich auf der Suche nach optimalen Lösungen wohl oder übel verabschieden - erst recht vor dem Hintergrund, dass die Kreditgenossenschaften etwa bezüglich ihrer Unternehmensgröße, ihres Umfelds, ihrer Kundenstruktur keine homogene Gruppe sind. Sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu verständigen, ist als Vorgehensweise ebenso wenig geeignet. In diesem Fall blieben viele attraktive Chancen ungenutzt.

Lebhafte Auseinandersetzungen unausweichlich

Wir befassen uns überwiegend mit Themen, über die sich trefflich streiten lässt. Auf der Agenda stehen Marketing, Vertrieb und die verbundinterne Verteilung der Erlösströme. Oft prallen die Sichtweisen und Erwartungen stark aufeinander; lebhafte Auseinandersetzungen sind unausweichlich. Harmoniesüchtige wären demnach in unserem Gremium kaum gut aufgehoben. Hitzköpfe allerdings auch nicht. Denn brauchbare Ergebnisse kommen nur dann zustande, wenn die Meinungsvielfalt nicht als Stoppschild missbraucht, sondern als Orientierungshilfe genutzt wird.

Wir machen den Weg frei, die aktuelle Werbekampagne, ist hierfür ein gutes Beispiel. 'Gefällt mir nicht.' 'Mir schon.' 'Somit ist die Diskussion unter Wahrung der Meinungsfreiheit, aber mit einem klaren Unentschieden beendet.' - Dieser Weg führt nicht weiter, sondern direkt in eine Sackgasse.

Jeder, der sich in einem Verein, einer Partei, im Elternbeirat oder wo auch immer engagiert, weiß aus eigener Erfahrung: Es ist enorm schwierig, objektiv zu bleiben, alle Emotionen außen vor zu lassen und vollkommen rational zu urteilen. Deshalb müssen verbindliche Kriterien definiert werden, die als Maßstab dienen und als Entscheidungshilfe herangezogen werden können.

Ein wesentlicher Faktor für Strategieplanungen und Konzepte im Bereich Vertrieb ist der Praxisbezug. Zwar steht es den Verantwortlichen in den Primärbanken selbstverständlich frei, ob sie die zentral erarbeiteten Tools einsetzen oder nicht. Dennoch ist uns im Fachrat Markt sehr daran gelegen, weil die Umsetzungshilfen die Risiko- und Ertragsstrukturen im Privat- und Firmenkundengeschäft deutlich verbessern können.

Grundlagen von ausgewiesenen Experten erarbeitet

Das gilt nicht zuletzt für relativ neue Felder wie zum Beispiel die Filiale der Zukunft oder Direktbanklösungen. Entsprechende theoretische Grundlagen wurden von ausgewiesenen Experten erarbeitet. Diese verfügen zwar über fundiertes Fachwissen, die Volksbanken und Raiffeisenbanken kennen sie allerdings nur 'von außen', beziehungsweise als ihr Berater. Hier sind wir als Fachrat besonders gefordert, um etwaige Berührungsängste abzubauen, Notwendigkeiten aus Sicht des Praktikers für die Praktiker nachvollziehbar zu erklären und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die entwickelten Module nicht am Bedarf vorbeigehen und einfach zu handhaben sind. Unsere Konzepte haben wir im BVR-Intranet zum Download bereitgestellt. Die hohe Nutzungsquote beweist sehr deutlich, dass die Kreditgenossenschaften interessiert und bereit sind, sich dieses viel versprechende Terrain zu erschließen.

Weil sich der Markt und die Kundenanforderungen rasant verändern - nicht zuletzt bedingt durch die vielfältigen Auswirkungen der elektronischen Medien und die Verschiebung der Alterspyramide - taugen gewachsene Erfahrungswerte generell nur noch bedingt, wenn überhaupt. Die Erfolgsfaktoren der Genossenschaftsbanken - Mitgliedschaft, regionale Verankerung, persönliche und räumliche Kundennähe verlieren nicht an Bedeutung. Allerdings ist es aufwendiger und schwieriger als noch vor ein paar Jahren, sie zu kommunizieren und erlebbar zu machen. Stichwort: langfristiges Beziehungsmanagement. Kundenbindung basiert nicht zuletzt auf dem Vertrauen, genau diejenige Leistung zu bekommen - ob Beratung, Betreuung, Produkt oder Service -, die versprochen wurde. Nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Offenlegung der Kalkulationen

Wir geben den Primärbanken Hilfe zur Selbsthilfe, ohne ihre Autonomie anzutasten. Nach unserer Überzeugung ist jedes Institut gut beraten, die Vorteile zu nutzen, die die Mitgliedschaft im genossenschaftlichen Finanzverbund mit sich bringt. Auch wenn kein Fraktionszwang besteht, möchten wir mit unserer Arbeit im Fachrat beharrlich dazu beitragen, die Zusammenarbeit innerhalb des Verbundes nachhaltig zu stärken. Was dem im Wege steht, wollen wir ausräumen - nicht von heute auf morgen, aber kontinuierlich, Stück für Stück.

Ein großes Hemmnis, das die Gemüter immer wieder erhitzt, ist die Vergütungspraxis der Verbundpartner. Wie so oft, wenn Gelder zu verteilen sind, macht sich ein gewisses Unbehagen breit. Behauptungen und Meinungen, die nicht auf Fakten, sondern auf persönlichen Befindlichkeiten beruhen, werden geäußert, vertreten - nur manchmal hinterfragt, aber oft übernommen. Als Interessenvertreter der Kreditgenossenschaften hat es deshalb für uns oberste Priorität, hier Klarheit zu schaffen. Dieses Ziel haben wir inzwischen erreicht: Alle Verbundunternehmen legten ihre Kalkulationen zur Prüfung offen. Die Ergebnisse dokumentieren, dass die Verteilung der Erlöse überwiegend angemessen ist. Um dies auch künftig sicherzustellen, werden wir die Vergütungspraxis genau im Auge behalten. Der nächste Termin hierfür ist die Fachratsagenda 2008.

Nachprüfbare Tatsachen, Transparenz, ehrliche Information: Wir konnten eine Basis schaffen, auf der ein vorurteilsfreies Teamwork möglich ist, das, wie schon erwähnt, den Mitgliedsbanken zugute kommt. Unsere Verbundpartner sind renommierte Spitzenunternehmen, ihre Produktpalette ist ausgezeichnet und deckt alle Finanzbereiche ab. Es gibt keinen Grund, auf Alternativen von externen Anbietern auszuweichen - auch nicht im bayerischen Versicherungsmarkt.

Dass sich unser Engagement im Fachrat Markt in den vergangenen zwei Jahren gelohnt hat und weiterhin lohnen wird, zeigt sich nicht zuletzt an den Projekten, die bereits erfolgreich abgeschlossen wurden oder sich in der Umsetzungsphase befinden. Dazu zählen die Strategie 'Manager der Kundenverbindung', das Konzept und die Handungsempfehlungen zur 'Filiale der Zukunft' sowie das Beratungshandbuch 'Ganzheitliche Beratungsphilosophie im Privatkundengeschäft'. Auf der Grundlage des 'VR-Finanz-Plans Mittelstand' entwickelten wir praxisbezogene Instrumente zur ganzheitlichen Betreuung von Firmenkunden. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit Bereichen, die einen Bezug zum jeweils aktuellen zentralen Leistungsthema haben, zum Beispiel Vorsorge, Immobilien, junge Kunden et cetera.

Uns ist bewusst, dass die Kollegen in den Volksbanken und Raiffeisenbanken sehr hohe Erwartungen an den Fachrat Markt haben - wie ich meine, völlig zu Recht. Wir werden alles daran setzen, weiter voran zu kommen.

Energie in eine gemeinsame Richtung lenken

Anfangs hatten wir während der Sitzungen zuweilen das Gefühl, zwischen allen Stühlen oder auf dem heißen Stuhl zu sitzen. Bequem und einmütig verlaufen unsere Meetings zwar heute auch nicht. Aber wir haben es geschafft, die Energie, die bei Konflikten und schwierigen Diskussionen freigesetzt wird, in eine gemeinsame Richtung zu lenken. Wir lernen - aus jedem Projekt, aus jeder Aktion und aus jeder Begegnung. Und wir hoffen sehr, dass es uns gelingt, diese wertvollen Erfahrungen durch unsere Arbeit in den gesamten Finanzverbund zu tragen."

Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion gesetzt.

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