Gespräch des Tages

Notenbanken - Spitzenbeschau

Ist Axel A. Weber wirklich der richtige Mann an der Bundesbankspitze? Hätte er als profilierter Wissenschaftler und ausgewiesener Kenner aller geldtheoretischen und geldpolitischen Strömungen mit ansehen dürfen, wie sich die heutige Finanzkrise abgezeichnet und herausgebildet hat? War nicht auch er in den Jahren vor dem Ausbruch der heutigen Finanzmarktkrise für jene Geldpolitik der EZB mitverantwortlich, die die von der amerikanischen Immobilienblase ausgehenden Gefahren nicht gesehen oder deren gewaltiges Ausmaß als zu harmlos eingeschätzt hat? Hätte er nicht mit der erforderlichen Nachdrücklichkeit vor dem weltweit ausgebrochenen Desaster warnen müssen? Trug seine Positionierung bei den kostspieligen Rettungsaktionen deutscher Banken nicht entscheidend dazu bei, dem deutschen Staat und den Steuerzahlern milliardenschwere Lasten aufzubürden? Kurzum, ist Axel Weber weiter in seinem wichtigen Amt zu halten?

Schon die bloße Aneinanderreihung solcher Fragen gibt hierzulande das beklemmende Gefühl, ein gravierendes Delikt gegen die über nahezu alle Zweifel erhabene Instanz Deutsche Bundesbank zu begehen. Deren Präsidenten mit hartem Pro und Contra so direkt und geballt in Frage zu stellen, würde in Deutschland quer durch alle Parteien und Interessengruppen Widerstand hervorrufen. Zwar sieht sich auch der amtierende Präsident der Deutschen Bundesbank gelegentlich kritischen Fragen und einer kontroversen Beurteilung seiner Einzelentscheidungen ausgesetzt. Doch in seiner Rolle als oberster Repräsentant eines der beiden zentralen Elemente der hiesigen Bankenaufsicht, als wichtiger Sparringspartner der Politik - etwa bei der Schnürung der Rettungspakete im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise und als Zeuge im Untersuchungsausschuss zu HRE - sind das allesamt sanfte Angriffe. Das gilt zumindest dann, wenn man sie an den Attacken gegen seinen US-amerikanischen Kollegen misst.

Ben S. Bernanke jedenfalls hat im Vorfeld der Nominierung für eine zweite Amtszeit an der Spitze der Fed speziell seit Frühjahr dieses Jahres nicht nur mit Fragen dieser Art rund um seine Person und seine Rolle als US-Notenbankchef leben müssen. Sondern vor seiner erneuten Kandidatenkür durch Präsident Barack Obama wurden auch die Antworten und Bewertungen all dieser Dinge unter heftiger Parteinahme wichtiger Repräsentanten des öffentlichen Lebens und der (wirtschafts-)wissenschaftlichen Zunft höchst breit und kontrovers diskutiert - angefangen von einer Anhörung vor einem Kongressausschuss bis hin zu zahllosen Medienberichten. Auf der Habenseite angerechnet wurden ihm dabei die fundierten Kenntnisse rund um die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, die japanische Finanzkrise der neunziger Jahre und andere Störungen der Weltwirtschaft. Auch sein beherztes Eingreifen nach der Lehman-Pleite zur Stützung der Märkte mit unkonventionellen Mitteln wie dem Quantitative Easing gilt allgemein als Verdienst seiner Arbeit. Angekreidet wird ihm unterdes erstens sein Stillhalten und Stillschweigen in der Zeit der expansiven Geldpolitik unter Allan Greenspan. Denn aus Sicht vieler Ökonomen hat Letztere erst die Blasenbildung ermöglicht. Zweitens wird Bernanke eine Unterschätzung des Ausmaßes der Krise beim Auftreten erster Alarmsignale bis in die frühe Anfangsphase der Turbulenzen im Jahre 2007 hinein nachgesagt. Und drittens kann er sich in den Augen der Kritiker angesichts seiner Nähe zum Entscheidungsprozess nicht von einer gravierenden Fehleinschätzung der Auswirkungen der Lehman-Insolvenz auf das weltweite Finanzgefüge freisprechen.

Dass sich der amerikanische Präsident trotz aller Kontroversen bei der Nominierungsprozedur auf eine weitere Amtsperiode für Ben Bernanke festgelegt hat, lässt Rückschlüsse auf seine Vorstellungen vom derzeitigen Anforderungsprofil für Notenbankchefs zu. Da ist zum einen sein theoretischer Hintergrund, speziell durch die Erforschung krisenhafter Entwicklungen der Weltwirtschaft. Wie wichtig ein tiefes Verständnis für makroökonomische Zusammenhänge derzeit auch in Europa angesehen wird, zeigt sich in den Reaktionen der EU-Kommission auf die Finanzkrise. Nach deren kürzlich vorgelegtem Verordnungsentwurf soll künftig ein Systemrisikorat (ESRB) geschaffen und bei der EZB angesiedelt werden, um solche übergeordneten Ansätze in die Arbeit der institutsorientierten Bankenaufsicht einzubringen und dabei die Krisenprävention zu verbessern.

Ganz oben auf der Agenda steht zum Zweiten die richtige Exit-Strategie aus der momentanen Liquiditätsschwemme. Axel A. Weber wie auch Jean Claude Trichet haben den hohen Stellenwert dieses Aspektes in den vergangenen Monaten immer wieder betont und eine geldpolitische Wende mit Augenmaß propagiert, sprich mit beherrschbaren Auswirkungen auf Wachstum, Arbeitslosigkeit und Inflation. Und Ben Bernanke weiß nur zu genau, dass seine spätere Gesamtbilanz ganz entscheidend an der Entwicklung dieser realwirtschaftlichen Größen gemessen wird. Überaus hilfreich kann ihm dabei zum Dritten eine hohe Unabhängigkeit der Notenbank und ihres Präsidenten sein. In Deutschland ist diese quasi historisch gewachsen, und in der EZB haben Wim Duisenberg und Jean Claude Trichet sie inzwischen über alle Zweifel erhaben schon oft genug demonstriert. Diese Komponente mit der Wiederbestellung des Republikaners Ben Bernanke auch in den USA zweifellos gestärkt zu haben, ist erst einmal ein kluger Schritt des amerikanischen Präsidenten. Ein endgültiges Resumee der Spitzenbetrachtung wichtiger Notenbanker lässt sich aber erst ziehen, wenn die Auswirkungen des Ausstiegs ihrer expansiven Geldpolitik auf die Realwirtschaft absehbar ist.

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