Aufsätze

Die neuen Prinzipien für sachgerechtes Liquiditätsmanagement

Veränderte Rahmenbedingungen und die Erfahrungen der Subprime-Krise veranlassten den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, die Prinzipien für sachgerechtes Liquiditätsmanagement1) aus dem Jahre 2000 (nachfolgend SP00) grundlegend zu überarbeiten. Im September 2008 wurden die neuen Prinzipien (nachfolgend SP08) endgültig verabschiedet.2)

Meilensteine für das Liquiditätsmanagement

Aufsicht und Ratingagenturen betrachteten die SP00 als Richtschnur für fortschrittliches Liquiditätsmanagement. Steigende Kapitalmarktfinanzierungen, ein Anstieg der Verbriefungsaktivitäten, eine Zunahme von besicherten Transaktionen, die Entwicklung von Real-time-Zahlungssystemen und die Internationalisierung von Banken machen Anpassungen im Liquiditätsmanagement notwendig. Darüber hinaus deckte das reale Stress-Szenario "Subprime-Krise" Schwachstellen im Liquiditätsmanagement der Banken auf. Als Reaktion darauf, sind die SP00 grundlegend überarbeitet und die SP08 veröffentlicht worden. Genau wie die SP00 stellen Letztere ein Meilenstein für das Liquiditätsmanagement dar, denn der Ausschuss erwartet, dass die neuen Grundsätze von Banken und Aufsichtsbehörden vollumfänglich und zeitnah umgesetzt werden.3)

In einer Umfrage unter Bankern und Aufsehern zu Beginn des Jahres 2008 wurde Liquiditätsrisiko als wichtigste Risikoart genannt.4) Liquidität wird diesen "Spitzenplatz" behaupten und innerhalb der Banken eine zentralere Stellung einnehmen als bisher. Das führt dazu, dass Mitarbeiter, die in der Vergangenheit nicht mit Liquiditätsmanagement konfrontiert waren, sich in dieses neue Themenfeld einarbeiten müssen. Diejenigen, die bereits im Liquiditätsmanagement gearbeitet haben, müssen sich mit den Neuerungen im Aufsichtsrecht beschäftigen.

Dieser Aufsatz richtet sich an beide Gruppen. Im ersten Teil werden die neuen Grundsätze diskutiert und mit denen aus dem Jahre 2000 verglichen. Im zweiten Teil werden - ausgehend von der elementaren Liquiditätsbedingung einer Bank - die Grundsätze zu einem ganzheitlichen Liquiditätsmanagement zusammengeführt. Diese ganzheitliche Sicht ist vor allem für Mitarbeiter interessant, die bisher wenig Erfahrung im Liquiditätsmanagement haben. Im Gegensatz zum Aufsatz von Sy-ring/Thelen-Pischke5), welcher aufsichtsrechtliche Neuerungen im Allgemeinen beschreibt, konzentriert sich der Beitrag auf das Liquiditätsmanagement.

Die neuen Prinzipien: drei Arten von Übergängen

Abbildung 1 stellt SP00 und SP08 gegenüber. In einem ersten Schritt wird die Existenz von Prinzipien diskutiert, in einem zweiten Schritt die Inhalte. Es gibt drei Arten von Übergängen.

Prinzipien, die es in SP08, aber nicht in SP00 gibt: Diese Prinzipien sind farblich hervorgehoben. Innerhalb dieser neuen Prinzipien wird unterschieden, ob ein Prinzip ganz neu (voll) ist oder Teile aus SP00-Prinzipien in einem neuen SP08-Prinzip zusammengefasst wurden (matt). Ganz neue Prinzipien sind Risikotoleranz (P2) sowie Internes Liquiditätspricing (P4). Prinzipien, die neu sind, aber aus anderen Prinzipien herausgelöst wurden, sind Aggregationsstufen (P6), Intraday (P8), Collateral (P9), Reserve (P12) und die Prinzipien zur Aufsicht (P14 bis P17).

Prinzipien, die es in SP08 und SP00 gibt:

Prinzipien in SP08, die es bereits in SP00 als eigenständiges Prinzip gab, sind farblich nicht markiert. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese inhaltlich nicht überarbeitet wurden. Prinzipien dieser Gruppe sind Rahmen (P1), Aufgaben (P3), Liquiditätsbedarf (P5), Marktzugang (P7), Szenarioanalyse (P10), Notfallplan (P11) und Offenlegung (P13).

Prinzipien, die es in SP00 aber nicht mehr in SP08 gibt: Bei Prinzipien, die in SP00 noch eigenständig, in SP08 aber in anderen aufgegangen sind, wird der Übergang mit Pfeilen gekennzeichnet. Zu dieser Gruppe gehören Informationssystem (SP00: P4, SP08: P5), Modellierung (SP00: P7, SP08: P5), Fremdwährung (SP00: P10, SP08: P5), Limite (SP00: P11, SP08: P5) und Interne Kontrollen (SP00: P12, SP08: P3).

Wesentliche Elemente und Änderungen der Prinzipien

Nachfolgend wird die inhaltliche Ebene betrachtet. Die wesentlichen Elemente der Prinzipien werden zusammengefasst und die Änderungen gegenüber den SP00 herausgearbeitet, und zwar in der Reihenfolge der Prinzipien.

P1 - Infrastruktur: P1 benennt die Aufgaben von Bank und Aufsicht im Rahmen des Liquiditätsmanagements. Von der Bank wird die Schaffung einer Infrastruktur zur Liquiditätssteuerung gefordert, welche das Überstehen von Liquiditätskrisen sicherstellt. Dass die SP08 weiter gefasst sind als die SP00 wird durch den Begriff "Infrastruktur" statt "Strategie" (SP00) unterstrichen. Die Formulierung von Aufgaben für die Aufsicht ist neu. Mit der Überprüfung von Infrastruktur (qualitative Säule) und Liquiditätsposition (quantitative Säule) sowie dem sofortigen Eingreifen bei festgestellten Mängeln wird der Aktionsradius der Aufsicht erweitert.

P2 - Risikotoleranz: Risikotoleranz ist ein ganz neues Prinzip. Die Risikotoleranz beschreibt die Menge an Liquiditätsrisiko, welches die Bank bereit ist zu tragen. Intern dient sie als Steuerungsgröße für das Eingehen und Schließen von Liquiditätsrisikopositionen. Extern dient sie als Kriterium, um das Liquiditätsrisiko von Banken vergleichbar zu machen.

P3 - Aufgaben: Hier werden die Aufgaben von Senior Management und Vorstand beschrieben. Der Zusammenschluss der SP00-Prinzipien 2 und 3 besagt, dass das Senior Management die Infrastruktur für das Liquiditätsmanagement konzeptionieren, umsetzen und weiter entwickeln soll. Senior Management ist für alle drei Granularitätsstufen (Strategie, Taktik und Umsetzung) verantwortlich. Der Vorstand muss die Infrastruktur genehmigen und mindestens jährlich überprüfen. Darüber hinaus werden regelmäßige interne und unabhängige Kontrollen gefordert. Diese waren in den SP00 noch als eigenständiges Prinzip 12 geführt worden.

P4 - Internes Liquiditätspricing: Internes Liquiditätspricing wurde in SP00 nicht thematisiert. Dieses Prinzip wurde aufgrund der Erfahrungen in der Subprime-Krise neu geschaffen. Es wurde beobachtet, dass es Banken gab, in denen die Treasury über bedingte Liquiditätsrisiken nicht vollumfänglich informiert war. Das betraf vor allem Banken, in denen Liquidität und Liquiditätsrisiken intern nicht gepreist wurden.

Das Prinzip 4 fordert, dass die Liquiditätskosten, -erträge und -risiken von Produkten in den Produktpreis mit einfließen. Hervorgehoben wird, dass diese Komponenten nicht nur be-, sondern explizit verrechnet werden. Darüber hinaus muss das Liquiditätspricing ein fester Bestandteil des Neuproduktprozesses sein.

P5 - Liquiditätsbedarf: Innerhalb der Prinzipien hat das Prinzip 5 eine herausragende Stellung. Es beschreibt, wie der Liquiditätsbedarf zu ermitteln ist. Letzterer ist der Ausgangspunkt für die Liquiditätsposition. Prinzip 5 identifiziert zuerst die Positionen, die berücksichtigt werden müssen. Dabei werden Aktiva, Passiva, außerbilanzielle Verpflichtungen und Korrespondenzbanken unterschieden.

Schwerpunkt Zweckgesellschaften neu aufgenommen

Innerhalb der außerbilanziellen Verpflichtungen wurde der Schwerpunkt Zweckgesellschaften neu aufgenommen. Die Sub-prime-Krise hat gezeigt, dass Banken Liquiditätsrisiken, welche aus rechtlichen beziehungsweise reputierlichen Verpflichtungen gegenüber ausgegliederten Zweckgesellschaften (Conduits/Special Purpose Vehicles) resultierten, unterschätzt haben.6) Deshalb wurden nunmehr explizite Regeln zur liquiditätsmäßigen Konsolidierung von Zweckgesellschaften definiert.

Der ebenfalls neue Abschnitt Korrespondenzbanken fordert, die Liquiditätskonsequenzen bei Korrespondenzbanken zu berücksichtigen. Die Beschreibung der Metriken, die zur Messung des Liquiditätsrisikos verwendet werden können (zum Beispiel Liquiditätsablaufbilanz, kumulierter Liquiditätsbedarf) sind im Prinzip 5 verblieben, aber allgemeiner formuliert als in SP00.

Darüber hinaus wurde das Prinzip 5 um die Modellierungsansätze, die in den SP00 noch als eigenständiges Prinzip 7 geführt wurden, ergänzt. Auch die Prinzipien Informationssystem (P4), Limite (P11) und Fremdwährungen (P10) aus den SP00 wurden in das Prinzip 5 integriert. Ebenfalls neu gefordert wird ein System von Frühwarnindikatoren, welche eine Erhöhung der Krisenwahrscheinlichkeit anzeigen.

P6 - Aggregationsstufen: Aggregationsstufen ist ein neues Prinzip, dessen Inhalt in SP00 auf mehrere Prinzipien (P11, P3) verteilt war. Es trägt der Globalisierung von Finanzkonzernen Rechnung und adressiert die speziellen Risiken von Banken, die in verschiedenen Zeitzonen, Währungen und Märkten operieren und ein zentralisiertes Liquiditätsmanagement besitzen. Prinzip 6 fordert, dass in diesen Banken das Liquiditätsrisiko nicht nur auf dem Konzernniveau, sondern auch pro Tochtergesellschaft, pro Geschäftseinheit und pro Währung gemessen wird. Zusätzlich weist es auf kritische Annahmen über Transferierbarkeit und Konvertierbarkeit von Mitteln hin.

Aktive Steuerung der Intraday-Liquidität gefordert

P7 - Marktzugang: Marktzugang exi stierte bereits in den SP00. Es beschreibt wie der Marktzugang zur Liquidierung von Assets und Aufnahme von Mitteln überwacht und gesichert werden kann. Marktzugang ist essenziell, weil zusätzliche Liquidität nur über Märkte (Liquidierung von Assets oder Aufnahme von Mitteln) erfolgen kann. P7 fordert, dass Refinanzierungsquellen diversifiziert und regelmäßig auf ihre Belastbarkeit getestet werden. Darüber hinaus sollen alternative Refinanzierungsquellen aktiviert werden, welche zur Bewältigung von Liquiditätskrisen beitragen können. Neu aufgenommen wurde die eingeschränkte Marktliquidität von Verbriefungsmärkten aufgrund der Subprime-Erfahrungen.

P8 - Intraday: Intraday-Liquidität wurde

in den SP00 nur am Rande erwähnt.7) Die Entwicklung von Real-time-Zahlungssystemen macht Zahlungen und Sequenzen von Zahlungen zeitkritischer. Eine ausbleibende Zahlung im Zahlungssystem kann aufgrund der bestehenden Abhängigkeiten schnell zum Zusammenbruch einer ganzen Zahlungssequenz führen. Dieser Entwicklung wurde Rechnung getragen, indem In-traday-Liquidität ein eigenes Prinzip gewidmet wurde. Darin wird eine aktive Steuerung der Intraday-Liquidität gefordert, um ein störungsfreies Funktionieren von Zahlungsverkehrs- und Abwicklungssystemen zu gewährleisten. Dazu gehört, dass Zahlungsverpflichtungen nach ihrer systemischen Relevanz priorisiert werden.

P9 - Collateral: Collateral war in den SP00 Bestandteil des Prinzips 7 "Modellierung". Seit den SP00 hat Collateral stark an Bedeutung gewonnen. Der Anteil besicherter Kreditaufnahmen ist absolut und inkrementell weitaus größer als die unbesicherte Kreditaufnahme.8) Auch die Unterlegung von Handels- und Abwicklungsaktivitäten mit Collateral hat zugenommen. Dieser Entwicklung wurde mit einem separaten Prinzip für Collateral Rechnung getragen. Das Prinzip fordert, dass collateral-fähige Wertpapiere als "gebunden" oder "verfügbar" gekennzeichnet werden. Wie bei den Refinanzierungsquellen wird für Collateral eine Diversifikation über Schuldner, Ratings und Wertpapiertyp hinweg gefordert. Jedem Wertpapier sollte neben dem monetären Abschlag (Haircut) auch ein zeitlicher Abschlag (Time-to-cash) zugewiesen werden. Darüber hinaus ist nachzuhalten, wo die Papiere physisch liegen und über welche Kanäle sie liquidiert werden können.

P10 - Szenarioanalysen: Prinzip 10 bestand bereits in den SP00 und hat eine ähnlich herausragende Stellung wie Prinzip 5. Erste Anhaltspunkte für geeignete Szenarien können Krisen der Vergangenheit sein. Als viel wichtiger jedoch wird das Erkennen potenziell neuer Krisen aufgrund geänderter Rahmenbedingungen, Produkte oder Geschäftsmodelle angesehen. Diese Szenarien sollten auf Expertenmeinungen basieren oder direkt bei der Liquiditätsunsicherheit großer Produktgruppen ansetzen. Weil die Subprime-Krise ein reales Stressszenario darstellt, wurden Erfahrungen aus der Krise als neue Anforderungen an Stressszenarien formuliert.

Gleichzeitige, anhaltende Störung mehrerer Märkte

Nunmehr werden auch Szenarien gefordert, welche die gleichzeitige, anhaltende Störung mehrerer Märkte (zum Beispiel Verbriefungs- und CP-Märkte, mehrere Währungen) fordert. Darüber hinaus sollen Szenarien auch das parallele Eintreten von bank- und sektorweiten Krisen abbilden. Explizit zu berücksichtigen ist das gleichzeitige Austrocknen von Sekundär- (Asset Liquidierung) und Primärmärkten (Aufnahme von Mitteln). Eine weitere Erkenntnis war, dass Banken in der Subprime-Krise Liquidität "gehortet" haben, statt sie im Interbankenmarkt weiterzugeben. Diese verhaltensbedingte Feedbackschleife ist explizit in den Stressszenarien zu berücksichtigen.

P11 - Notfallplan: Notfallplan bestand bereits in SP00, ist aber für die SP08 detailliert worden. Die Forderungen nach einem Plan zur Koordination der externen Kommunikation wurden vom Prinzip 13 (Offenlegung) in das Prinzip 11 verschoben. Das Prinzip 11 fordert, dass bei der Erstellung des Notfallplans potenzielle Krisen detailliert durchdacht werden. Der Notfallplan soll Personen und Verantwortlichkeiten, Kommunikationspläne sowie Refinanzierungskanäle für den Krisenfall beschreiben. Neu aufgenommen wurde die Forderung nach einer engen Verzahnung von Stressszenarien (P10) und Notfallplänen (P11) und das regelmäßige Testen von Notfallplänen. Die Test-Forderung basiert auf den Subprime-Erfahrungen: einige Banken hatten zwar Notfallpläne, waren aber auf deren Ausübung nicht vorbereitet.

P12 - Reserve: Reserve ist ein neues Prinzip. Es wird nicht ausdrücklich in den SP00 gefordert, ist aber zumindest indirekt berücksichtigt. SP08 dagegen fordert explizit die Existenz von zwei Arten von Liquiditätsreserven: Zur Abwendung der schwersten Krisen soll ein Liquiditätspuffer bestehend aus Zahlungsmitteln und hochqualitativen Staatsanleihen gehalten werden. Für weniger schwere, lang anhaltende Krisen sind handelbare verfügbare liquide Assets vorgesehen. Besonders geeignet für diese Reserve sind einfache Assets (Plain Vanilla), für deren Bewertung ein Marktkonsens herrscht, die zentralbankfähig sind, die unter normalen Umständen in hoher Stückzahl ohne wesentliche Preisabschläge handelbar sind und in denen die Bank ein anerkannter Handelspartner ist. Der Einsatz der Reserven erfolgt mit zunehmender Qualität: der Liquiditätspuffer sollte erst eingesetzt werden, wenn die handelbaren Assets keine Liquidität mehr generieren.

P13 - Offenlegung: Offenlegung ist ein SP00-Prinzip, welches in den SP08 wesentlich detailliert wurde. Die offengelegten Informationen zur Liquiditätsposition haben sich in der Subprime-Krise bei vielen Banken als unzureichend erwiesen. Das neue Prinzip 13 fordert die Veröffentlichung von Informationen über die qualitative Säule (Infrastruktur) und die quantitative Säule (Liquiditätsposition). Bezüglich der Infrastruktur sollten Organisationsstruktur und Verantwortlichkeiten offengelegt werden. Darüber hinaus sollten die Annahmen und Prozesse zur Ermittlung der Liquiditätsposition veröffentlicht werden. Schließlich ist die Liquiditätsposition selber offenzulegen.

P14 bis P17 - Aufsicht: Die Rolle der Aufsicht wird mit vier statt ursprünglich einem Prinzip neu definiert. Aufsichtsbehörden sollen Rahmen und Liquiditätsposition der einzelnen Bank unter Berücksichtigung der systemischen Stellung der Bank beurteilen (P14). Die Informationen, die Aufsichtsbehörden bei ihrer Beurteilung benutzen sollen, beschreibt P15. Neu sind die Prinzipien 16 und 17, welche die schnelle Intervention der Aufsicht bei Unzulänglichkeiten beziehungsweise die internationale Abstimmung der Aufsichtsbehörden fordert.

Von den SP08 zu einem ganzheitlichen Liquiditätsmanagement

Obwohl die Prinzipien sequenziell formuliert sind, sollten sie als ein ganzheitlicher Ansatz für die Liquiditätssteuerung betrachtet werden. Dafür ist es wichtig, die Interaktion der Prinzipien herauszuarbeiten. Diese Interaktion wird deutlich, wenn die Prinzipien in einer Übersichtsgrafik zusammengefasst werden. Um diese herzuleiten, wird mit dem Kern des Liquiditätsmanagements begonnen: der elementaren Liquiditätsbedingung. Diese wird sukzessive erweitert und in die Infrastruktur eingebettet. Zusammen bilden diese Elemente das ganzheitliche Liquiditätsmanagement.

Die elementare Liquiditätsbedingung besagt, dass eine Bank liquide ist, wenn die Einzahlungen die Auszahlungen übersteigen: CFt+ > CFt-

Die hier berücksichtigten Zahlungen stammen aus Bankprodukten, sind also von Kunden ausgelöst worden.9) Welche Positionen in CFt+ und CFt- einfließen, identifiziert Prinzip 5.

Wenn die Einzahlungen die Auszahlungen immer decken, ist kein Liquiditätsmanagement notwendig. Wenn dem nicht so ist, müssen zusätzliche Einzahlungen (Liquidität) generiert werden. Im Gegensatz zu den Zahlungsströmen aus Produkten werden diese Einzahlungen durch die Bank ausgelöst.10) Das Volumen, was an zusätzlicher Liquidität generiert werden kann, wird als "Counterbalancing Capacity" bezeichnet und verteilt sich auf die drei Kanäle:

Liquiditätsreserve LtRes.

Collateral/Besichertes Funding LtColl.

Unbesichertes Funding FtUnbes.

Größe und Zusammensetzung der Liquiditätsreserve diskutiert Prinzip 12. Prinzip 9 beschreibt die Anforderungen an Collateral. Prinzip 7 diskutiert unbesichertes Funding.

Wird die Elementargleichung um die Liquiditätsmaßnahmen ergänzt, ergibt sich:11)

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Bisher wird die Liquiditätsbedingung nur für einen bestimmten Stichtag t gefordert. Von der statischen Zeitpunkt- zu einer dynamischen Zeitraumbedingung gelangt man, indem die Größen über mehrere Stichtage kumuliert werden:

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Die Liquiditätsbedingung mit kumulierten Größen von 0 bis T wird als Position für den Horizont T bezeichnet. Besonderes Augenmerk für den Modellhorizont

Gemäß Prinzip 5 muss die Position für verschiedene Horizonte T, Szenarien s und Aggregationsstufen D bestimmt werden. Besonderes Augenmerk wird in den SP08 auch auf den Modellhorizont von einem Tag (Intraday-Liquidität) durch das Prinzip 7 gelegt. Die Auswahl der Szenarien beschreibt Prinzip 10. Grundsätzlich werden zwei Szenariotypen unterschieden: das Normalszenario und Stressszenarien. Hier ist das Normalszenario s=0. Die Stressszenarien sind s=1, ..., S. Aggregationsstufen beziehen sich auf Positionen pro Währung, Geschäftseinheit oder Konzernniveau.

Diese Aggregationsstufen werden im Prinzip 6 beschrieben. Für eine bestimmte Aggregationsstufe werden nur Zahlungsströme, Reserven, Kollateral und unbesichertes Funding berücksichtigt, welche zu der betrachteten Stufe gehören. Außerdem sollen für Positionen Limite pro Zeithorizont und Aggregationsstufe B(T, D) definiert werden. Wird die bisherige Position um diese Dimensionen ergänzt, ergibt sich:

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Die Position und deren Vergleich mit den Limiten muss regelmäßig berechnet und berichtet werden.

Ein Beispiel ist die Liquiditätsposition der Deutschen Bank, welche im Jahresabschlussbericht 2007 offengelegt wurde (siehe Abbildung 2).12)

Die Szenarien s sind in der ersten Spalte angegeben. Der Modellhorizont T beträgt acht Wochen. Das Aggregationslevel D ist Konzernniveau. Es ist erkennbar, dass sowohl Liquiditätsbedarf als auch die Counterbalancing Capacity szenarioabhängig sind. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Maßnahmen den Bedarf stets decken können. Das "business-as-usual"-Szenario s=0 wird nicht nach außen berichtet.

Die qualitative Säule, die Infrastruktur, adressiert die folgenden fünf Themenfelder: Risikotoleranz (P2)

Pricing (P4) Position (P5)

Offenlegung (P13)

Notfallplan (P11).

Diese Themenfelder müssen auf den drei Granularitätsstufen Strategie (S), Taktik (T) und Umsetzung (U) betrachtet werden.

Wer für welche Stufe verantwortlich ist, regelt Prinzip 3 (Aufgaben). Die Zielsetzung des Liquiditätsmanagements wird im Prinzip 1 beschrieben. Die Aufgaben der Aufsichtsbehörden wird in den Prinzipien P14 bis P17 festgelegt. Die beschriebene Interaktion der Prinzipien führen zum ganzheitlichen Liquiditätsmanagement. Dieses ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3 muss von innen nach außen gelesen werden. Den Kern bildet die Ermittlung der Liquiditätsposition. Die Infrastruktur beschreibt Prozesse und Aufgaben, um die Position zu ermitteln und zu

steuern. Infrastruktur und Position übergeordnet ist das Ziel des Liquiditätsmanagements. Die Bank muss Informationen zur Infrastruktur, zur Position und zum Ziel offenlegen. Deshalb ist Offenlegung außerhalb des Ziels dargestellt. Die Aufsicht prüft alle Komponenten (inklusive Offenlegung) und wurde deshalb ganz außen eingetragen.

Qualitative Ausrichtung

Ähnlich wie Basel II sind die SP08 zunächst nur Empfehlungen, welche in lokales Recht überführt werden müssen. Da die Sub-prime-Krise noch nicht überstanden ist, können durchaus weitere Erfahrungen in die gegenwärtige Diskussion einfließen. Sicher ist, dass die Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen die SP08 als Maßstab

für sachgerechtes Liquiditätsmanagement nehmen werden. Mittelfristig müssen Banken ihr Liquiditätsmanagement deshalb erweitern und verfeinern. Darüber hinaus werden mehr Mitarbeiter mit dem Thema Liquidität konfrontiert werden.

Obwohl die SP08 auch methodisch eine Erweiterung der SP00 darstellen, sind sie wenig quantitativ: Es wird die Modellierung von Zahlungsströmen gefordert, ohne auf konkrete Modelle einzugehen. Es werden interne Liquiditätspreise gefordert, ohne Modellansätze zu beschreiben. Im Vergleich zu anderen Risikoklassen (Zins-, Kreditrisiko) ist Liquiditätsrisiko noch immer sehr qualitativ. Mittelfristig sollte deshalb die Entwicklung quantitativer Modelle im Vordergrund stehen. Quantitative Modelle heben das Liquiditätsmanagement auf ein sauberes analytisches Fundament. Damit können weitere Maßnahmen wie Transferpreise, Risiko- und Performancemaße abgeleitet werden.

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