Aufsätze

Neue Akteure in der Mittelstandsfinanzierung

In der Mittelstandsfinanzierung haben sich in den letzten Jahren wesentliche Parameter verschoben. Der Mittelstand finanzierte sich traditionell über Bankkredite und verfügte vor allem aufgrund steuerlicher Abwägungen lange Zeit über eine zu geringe Eigenkapitalausstattung. Spätestens mit Basel II wurde aber klar, dass sich ein Paradigmenwechsel in der Beziehung zwischen Bank und Mittelstand abspielt.

Paradigmenwechsel

Bedingt durch den wachsenden Einfluss des Kapitalmarktes ändern Banken ihre Sichtweise: Sie gehen bewusster mit dem Kreditrisiko um, der Firmenkredit muss sich mehr als bisher rechnen, risikoorientiertes Pricing und geschäftspolitische Selektion dominieren seither eine zuvor vor allem von "Relationship" geprägte stabile Kundenbeziehung. Gleichermaßen ändert sich - in Analogie zum Privatkundengeschäft die Dienstleistungsproposition der Bank: Produktverkäufe bestimmen in vielen Instituten die Marktpositionierung und die Kundenansprache. Geschäftsbanken suchen zwar weiterhin ein beziehungsbasiertes Bankgeschäft, bedienen sich aber des Kapitalmarktes, um die damit einhergehenden Risiken auszuplatzieren. Während dies aus geschäftspolitischer Sicht der Banken plausibel erscheint, ändern sich damit aber auch die Verhaltensmuster der Mittelständler. Zum einen ist eine vordergründig emotionale Reaktion zu beobachten, die sich mit Vertrauensverlust und Verlust an Augenhöhe umschreiben lässt. Zum anderen hat der Mittelstand rational aber die sich ergebenden Chancen der Finanzierung über den Kapitalmarkt erkannt. Schuldscheindarlehen, Mezzanine, eigen emittierte Inhaberschuldverschreibungen sind einige Instrumente des sich öffnenden Finanzierungsuniversums für den Mittelstand. Wie nutzt der inhabergeführte Mittelstand diese neuen Möglichkeiten? Zunehmend erkennen die Unternehmen den Rollenkonflikt ihrer früheren Hausbanken. Anstelle von Kundenbeziehung geht es ihnen um Produktverkauf, der frühere "Beziehungskredit" ist damit verspielt. Der Mittelstand kann nicht mehr durchgängig davon ausgehen, von seiner Bank die für ihn richtige Lösung zu erhalten. Stattdessen steht er in der Notwendigkeit, die gestiegene Anzahl an Finanzierungsinstrumenten für seine Situation zu analysieren und zu bewerten. Dabei gewinnen immer mehr spezialisierte Finanzintermediäre an Bedeutung, die als Berater des Unternehmers und als Architekt einer Finanzierungsbrücke zwischen Mittelstand und Kapitalmarkt beziehungsweise zwischen Mittelstand und Banken agieren. Die Funktion der Intermediäre lässt sich an einem Beispiel anschaulich beschreiben. Ein mittelständischer Automobilzulieferer erhält einen großen Auftrag von einem OEM. Dieser Auftrag beinhaltet die Entwicklung und Konstruktion von Werkzeugen und die anschließende Serienproduktion. Wenngleich das Unternehmen mit einem externen Mittelstandsrating von BB+ der durchschnittlichen Bonität in Deutschland entspricht, erhält es von der Bank keine adäquate Projektfinanzierung, da die zu finanzierenden Aufwendungen kein "Asset" sind, sondern als Aufwand eine direkte Belastung in der GuV darstellen. Der Mittelständler müsste zu (privaten) Zusatzsicherheiten greifen, wenn er dieses Projekt "klassisch" finanzieren möchte. Durch den Einsatz eines "Financial Engineers" findet er eine intelligente Off- Balance-Sheet-Finanzierung aus dem Kapitalmarkt, die das Rating verbessert und ausschließlich auf die Unternehmensbonität sowie den Projektverlauf abstellt.

Zurück auf "gleiche Augenhöhe"

An einem solchen Beispiel erkennt der Mittelstand die wachsende Rolle der Berater zwischen Unternehmen und Finanzierungsmarkt. Der Berater ist nicht produktgetrieben, sondern kann die aus Sicht des Unternehmers passende Lösung identifizieren und deren Umsetzung betreiben. Er übernimmt damit die entscheidende Funktion der Professionalisierung der Finanzierungsfunktion des Mittelstands, ohne dass entsprechende fixe Personalkapazitäten im Unternehmen aufzubauen sind.

Die Konsequenz in der Kunde-Bank-Beziehung ist klar: Wenn die Banken verstärkt kapitalmarktorientiertes Verhalten zeigen, ist es seitens der Unternehmen nur schlüssig, die sich ergebenden Möglichkeiten zu nutzen, um somit wieder eine "gleiche Augenhöhe" zu den Banken aufzubauen. Dies mindert die Abhängigkeit von den Banken und fördert eine größere Eigenständigkeit des Mittelstands. Der "Financial Engineer" schlägt die Brücken, um seine Finanzierung als eigenen Wettbewerbsvorteil nutzen zu können.

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