Aufsätze

Die Bedeutung der Verbriefung für die mittelständische Wirtschaft

Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht ganz wesentlich auf den Erfolgen der mittelständischen Wirtschaft. Viele mittelständische Unternehmen sind seit Jahrzehnten hochinnovativ und exportorientiert. Sie beherrschen ihre Produkte und Produktionsprozesse. Viele von ihnen sind Weltmarktführer in ihrem Segment - so genannte "Hidden Champions".

Gemessen an diesen Erfolgen auf der Produktseite und im Export, erscheinen die Fortschritte der mittelständischen Unternehmen in ihrer eigenen Finanzierung noch nicht weit genug zu gehen. Sie müssen weiter ihr Finanzierungsverhalten anpassen und von der Wirtschaftspolitik darin durch konsequente Kapitalmarktreformen unterstützt werden.

Finanzierungsverhalten im Wandel: beim Mittelstand und bei den Banken

In der Regel befinden sich mittelständische Unternehmen in Familienbesitz. Ihre Kapitalmarktintegration ist häufig noch gering, die Eigenkapitaldecke relativ dünn und ihre Abhängigkeit von günstiger Fremdfinanzierung hoch. Dies war lange Zeit kein Problem, denn die Banken stellten dem deutschen Mittelstand günstige Kredite zur Verfügung. Doch die Finanzierung des deutschen Mittelstandes ist dabei, sich zu wandeln, auch weil die deutschen Banken, die bisher den deutschen Mittelstand fast ausschließlich finanzierten, selbst vor neuen Herausforderungen stehen, wenn es um ihre eigene Refinanzierung und Eigenkapitalsteuerung geht.

Die günstige Refinanzierung über Spareinlagen und Schuldverschreibungen wird aufgrund veränderten Kundenverhaltens, Wegfall staatlicher Garantien und veränderter Ratingsituation der Banken schwieriger. Die Eigenkapitalunterlegung für Mittelstandskredite wird nach Umsetzung von Basel II in deutsches Recht bei den Mittelstandsdarlehen im Durchschnitt sinken; bei unbesicherten Darlehen beziehungsweise Kreditnehmern mit schwächerem Rating sowie Beteiligungsfinanzierung jedoch voraussichtlich steigen.

Wie sich diese Trends auf die Mittelstandsfinanzierung auswirken, wird weit über Deutschland hinaus diskutiert. "Who will finance the Mittelstand" lautet der Titel einer Studie der Ratingagentur Fitch, und die Investmentbank Goldman Sachs stellt eine neuere Untersuchung unter die Überschrift: "The End of Germany Inc. " - das Ende der Deutschland AG und sieht die Lösung des Problems im Wandel von der kreditbasierten zur kapitalmarktbasierten Finanzierung des deutschen Mittelstands. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC stützt in einer neueren Studie vom Juli 2006 die Diagnose und fördert zutage, dass für 56 Prozent der deutschen Mittelstandsunternehmen die Finanzierung die größte wirtschaftliche Herausforderung darstellt.

Finanzierungsbedingungen verbessern

Aufgabe einer auf nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung ausgerichteten Wirtschaftspolitik muss es daher sein, die Finanzierungsbedingungen für den Mittelstand zu verbessern.

Dabei gilt es jedoch, den Rahmenbedingungen, unter denen sich der deutsche Mittelstand bewegt, ausreichend Rechnung zu tragen. Der deutsche Mittelstand ist weitgehend in Familienbesitz. Insbesondere die Mitsprache Dritter - eine Anforderung wie sie der Kapitalmarkt mit sich bringt - ist unpopulär. Der Mittelstand braucht somit Finanzierungswege, die zu ihm passen, wie dies traditionell bei Bankkredit, Leasing und Factoring der Fall war und ist.

Vor diesem Hintergrund entwickelt sich Verbriefung für den Mittelstand zu einer immer wichtigeren Finanzierungsquelle. Dabei fügen sich - wie kürzlich auch der BDI gemeinsam mit der TSI in einem Brief an führende Wirtschafts- und Finanzpolitiker in Deutschland herausstellte - ABS-basierte Finanzierungsinstrumente im besonderen Maße in die gegebene Führungs-, Entscheidungs- und Informationskultur mittelständischer Unternehmen ein.

Asset Backed Securities sind dabei, sich im Umbau der viel zitierten "Deutschland AG" zu einem zentralen Finanzierungsinstrument für die mittelständische Wirtschaft zu entwickeln. Dies geschieht im Moment, zum Teil von der wirtschaftspolitischen Öffentlichkeit kaum bemerkt, in mehrfacher Weise:

1. Banken geben ihre mittelständischen Kreditrisiken in Form von synthetischen oder so genannten True-Sale-ABS-Transaktionen an den internationalen Kapitalmarkt weiter. Das hat für die Banken vielfältige Vorteile, die alle darauf hinauslaufen, dass sie gegenüber ihren angestammten Kunden mehr Kredite vergeben und erfolgreich neue Kundenbeziehungen aufbauen können. Der Kapitalmarkt wirkt hier indirekt über die Banken - zu Gunsten der Kreditversorgung des Mittelstandes.

2. Mit "True Sale ABS" - das ist der Verkauf von mittelständischen Krediten, die in einem großen Portfolio gebündelt sind werden die vorgenannten Vorteile erreicht, und die Banken können sich zudem vor allem günstig refinanzieren. Diese Vorteile kommen im Wettbewerb letztlich den mittelständischen Kunden zugute. Diese erleiden aus dem Verkauf keinen Nachteil, da die Kreditverwaltung und die Kundenbeziehung bei den Banken verbleibt.

3. Gerade von Leasinggesellschaften werden die ABS-Märkte zunehmend als günstige "True-Sale"-Refinanzierungsquelle genutzt. Das ist dringend erforderlich, weil Leasingprodukte immer stärker vom Mittelstand nachgefragt werden. Angesichts dieses Wachstums ist der weltweite Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle hoch willkommen.

Mezzanines Kapital

Während in den vorgenannten Fällen der Mittelstand indirekt von effizienten Kapitalmärkten profitiert, beginnen viele größere Mittelständler auch direkt "in den Kapitalmarkt" mit eigenen ABS-Produkten zu gehen. Hier ist insbesondere angesichts "der Eigenkapitallücke" die Mobilisierung von wirtschaftlichem Haftkapital von besonderem Interesse. Dabei handelt es sich um so genanntes mezzanines Kapital, das als Genussrecht oder Nachrangdarlehen ausgestaltet sein kann. Mezzanines Kapital ähnelt dem Fremdkapital, wenn es um Struktur und Einflussnahme des Kapitalgebers geht, jedoch steht es in der Gläubigerkette hinter dem Fremdkapital und ist damit Eigenkapital nah.

Obgleich Mezzanine-Kapital nichts Neues ist, hat seine Nutzung in den letzten beiden Jahren deutlich zugenommen, denn es wird über ABS-Zweckgesellschaften angekauft und über den ABS-Markt refinanziert. Somit bekommt der Mittelständler zum einen indirekten Zugang zum Kapitalmarkt und hat zum anderen den Vorteil, dass er die günstigen ABS-Konditionen für seine Finanzierung nutzen kann. Die ABS-Märkte tragen somit in den letzten beiden Jahren bereits in erheblichen Maße (über drei Milliarden Euro) dazu bei, die Finanzierungsstruktur und die Finanzierungskonditionen des deutschen Mittelstands zu verbessern.

Markt für kleine Unternehmen erschließen

Wirtschaftspolitisch wäre für diesen Weg der Bereitstellung von mezzaninem Kapital eine weitere Steigerung der Breitenwirkung erwünscht. Der Marktzugang sollte beschleunigt und auch für kleine Unternehmen und unterhalb eines Investment-grade-Ratings erschlossen werden. Dafür ist über eine stärkere Standardisierung der Produkte nachzudenken, damit unter anderem auch den kleinen Unternehmen die Vorzüge schnell transparent werden und für den ABS-Markt genügend kleinteilige und diversifizierte Portfolien zusammen gestellt werden können.

Mittelständische Unternehmen verkaufen bereits heute in hohem Maße ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an ABS-Zweckgesellschaften, die sich dann häufig über ein größeres Programm, aus dem Geldmarktpapiere emittiert werden, effizient refinanzieren. Für das mittelständische Unternehmen liegen darin viele Vorzüge, die Liquiditätslage entspannt sich, die Abhängigkeit von Banken reduziert sich und die Finanzierungsstruktur des Unternehmens verbessert sich. Nicht zuletzt erhöht sich auch die "Disziplin" für ein wirtschaftliches Debitorenmanagement. Auch hier wäre deshalb wirtschaftspolitisch wünschenswert, den Markt beschleunigt für kleine Unternehmen zu erschließen.

In den letzten drei Jahren sind über die verschiedenen Anwendungsfelder von ABS dem deutschen Mittelstand Finanzierungsmittel in Höhe von etwa 30 bis 40 Milliarden Euro zugeflossen. Darin zeigt sich, dass es Deutschland gelungen ist, zumindest im europäischen Vergleich ein beachtliches Segment für die Verbriefung von Mittelstandsrisiken aufzubauen. Ursächlich dafür war neben einigen Pioniertransaktionen von einzelnen Banken, dass seitens der KfW-Bankengruppe ein Verbriefungsprogramm (Promise) konsequent seit dem Jahr 2000 aufgebaut worden ist, das allen Banken mit dem Fokus "Mittelstandsfinanzierung" offen steht.

Seit 2000 wurden unter anderem über die Promise-Plattform fast 30 Milliarden Euro mittelständische Kreditrisiken aus Bankbilanzen herausgenommen, am internationalen Kapitalmarkt platziert und damit bei den Banken Spielraum für neue Kredite an den Mittelstand geschaffen. Diese Entwicklung ist vom BMWi immer positiv begleitet worden, weil dadurch die Schaffung eines "Fundaments" für einen tiefen Kapitalmarkt mit seinen positiven Effekten auf die Kreditversorgung gelungen ist. Dieses "Fundament" ist auch wesentlicher Grund dafür, dass Deutschland heute bei der Mobilisierung von Genussrechten für den Mittelstand europaweit "vorn liegt". Ebenso positiv ist die True-Sale-Initiative zu sehen, weil die Bankenwelt gemeinsam - über die drei Säulen hinweg - die Ausreifung des Verbriefungsmarktes noch weiter vorantreiben und den Markt in Deutschland halten will.

Für 2006 lässt sich konstatieren, dass bereits im ersten Halbjahr etwa acht bis zehn Milliarden Euro Mittelstandsrisiken auf den internationalen Kapitalmärkten platziert wurden, hiervon etwa 60 Prozent als True-Sale-Transaktionen. Somit wird die viel beschworene Kreditklemme und Finanzierungslücke des deutschen Mittelstandes im Zuge des Umbaus des deutschen Finanzmarktes sowie Basel II durch ABS in hohem Maße geschlossen, indem die ABS-Technik durch die gebündelte Ausplatzierung von Krediten und Mittelstandsrisiken den internationalen Kapitalmarkt für die Finanzierung des deutschen Mittelstandes nutzt.

Aus Deutschland heraus

ABS ist damit dabei, sich zu einem zentralen Finanzierungsinstrument für die deutsche Wirtschaft zu entwickeln, indem es zum einen den traditionellen Bankkredit direkt mit dem Kapitalmarkt verbindet und zum anderen mittelständischen Unternehmen auch einen direkten Zugang zum Kapitalmarkt eröffnet, der sich nicht im Widerspruch zu ihrer spezifischen Kultur bewegt.

Wichtig erscheint dabei, dass die Bereitstellung von ABS für den deutschen Mittelstand - aber auch für Leasing- oder Factoringgesellschaften und Infrastrukturfinanzierungen (PPP´s) - vollumfänglich aus Deutschland heraus geschieht. Solange die Zweckgesellschaften aus steuerlichen Gründen noch im Ausland angesiedelt werden müssen, mit allen Folgen bezüglich Anwendung ausländischen Rechts und steuerlicher Unsicherheiten, leidet die Akzeptanz beim breiten Mittelstand. Wichtig erscheint es als Wirtschaftspolitiker aber auch, dass die hoch spezialisierten Arbeitsplätze in der Verbriefungsindustrie in Deutschland entstehen. Des Weiteren ergibt sich aus der umfassenden ABS-Produktion aus Deutschland heraus ein vernetztes Bündel von ABS-Finanzierungs-Know-how - zum Nutzen der deutschen Wirtschaft.

Erfolgreiches Zusammenwirken von dezentralem Spezialwissen

Eine moderne Wirtschaftspolitik muss auf der Cluster-Forschung aufsetzen. Diese zeigt, dass nationale und regionale Wettbewerbs- und Entwicklungsvorteile im Wesentlichen auf die erfolgreiche Herausbildung und Vernetzung von Wissensclustern, das heißt auf das erfolgreiche Zusammenwirken von dezentralem Spezialwissen, zurückzuführen sind. Deutschland hat alle Voraussetzungen, um im ABS-Markt erfolgreich zu sein: gute Anwälte und Wirtschaftsprüfer, Spezialisten in den großen Banken, ABS-Teams in Frankfurt bei den drei großen Ratingagenturen, Dienstleister für ABS-Zweckgesellschaften und eine mittelständische Wirtschaft, die ABS als Finanzierungsinstrument benötigt.

Die Stärkung des Wissens-Clusters ABS in Deutschland hätte den Primäreffekt, dass weitere hoch qualifizierte Arbeitsplätze im hiesigen Finanzdienstleistungsbereich entstünden und dazu den Sekundäreffekt, dass im Dialog mit dem Mittelstand und der öffentlichen Hand maßgeschneiderte Finanzierungslösungen für die mittelständische Wirtschaft bereitgestellt werden könnten. Die Bedeutung derartiger Wis-sens-Cluster im Finanzmarkt ist für die wirtschaftliche Dynamik nicht zu unterschätzen, denn erst im Zusammenwirken von Finanz- und Realwirtschaft entsteht die notwendige wirtschaftliche Dynamik.

Die Politik hat in den letzten Jahren - einmütig wie selten - daran gearbeitet, die Rahmenbedingungen für ABS in Deutschland zu verbessern. Zu nennen sind hier die gewerbesteuerliche Gleichstellung von ABS-Zweckgesellschaften mit Banken - sofern es sich um die Verbriefung von Bankkrediten handelt - sowie umsatzsteuer- und insolvenzrechtliche Anpassungen im deutschen Rechtssystem.

Offen sind aber noch jene Punkte, die die Assetklassen jenseits der Bankforderungen, das heißt, die direkte Verbriefung mittelständischer Risiken aus Deutschland heraus betreffen.

Der richtige Zeitpunkt

Die Koalitionsparteien haben im Koalitionsvertrag dem Rechnung getragen. Dort ist die Rede von einer "Mittelstandsoffensive", die "den verstärkten Einsatz neuer Finanzierungsinstrumente" voranbringen soll, von dem Ausbau "mezzaninen Kapitals für den breiten Mittelstand" und von dem weiteren "Ausbau des Verbriefungsmarktes".

Nunmehr kommt es darauf an, konsequent dieser Linie zu folgen und das Instrument ABS in seiner stabilisierenden Rolle zu fördern. Die Politik, der Staat muss den Umbau der Finanzierungssysteme der deutschen Wirtschaft begleiten und die noch offenen Themen, die vor allem die direkte Verbriefung mittelständischer Risiken aus Deutschland heraus betreffen, anpacken. Der richtige Zeitpunkt dazu ist jetzt gekommen.

Die Grundlagen dafür wurden bereits in vielen Gesprächen zwischen BDI, der TSI, die die deutsche ABS-Industrie repräsentiert, sowie den verantwortlichen Ministerien geschaffen. Es besteht auch weitgehende Übereinstimmung darin, dass mit der Herstellung entsprechender Rahmenbedingungen keine Steuermindernahmen zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund sachlicher Übereinstimmung gilt es nunmehr den letzten Schritt zu tun.

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