Gespräch des Tages

Lobbyismus - Interessenbündelung geboten

Dass die einzelnen Anbieter eines Landes aus der Kreditwirtschaft oder aus der gesamten Finanzwirtschaft bei allem natürlichen Wettbewerb untereinander auch eine Fülle von gemeinsamen Interessen haben, gehört zu den Merkmalen einer arbeitsteilig organisierten und auf Effizienz getrimmten Wirtschaft. Angefangen von der konstruktiven Begleitung von Gesetzesvorhaben bis hin zu Anregungen oder kritischen Einwänden bei der Einführung von branchenrelevanten Standards reichen die Anliegen, auf die sich auch ansonsten harte Wettbewerber zum Wohle ihrer Gruppe mehr oder weniger leicht einigen können. Einheitliche Meldeverfahren an die Regulatoren beim Risikomanagement, die berühmten Beratungsprotokolle beim Verbraucherschutz oder Formulare und Verfahren zur reibungslosen Abwicklung des Zahlungsverkehrs sind nur wenige Beispiele. Im Sinne solcher Interessenbündelung sind zahlreiche kreditwirtschaftliche Verbände und Interessenvereinigungen entstanden - nicht nur die fünf großen Bankenverbände und der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, sondern auch der BVI Bundesverband Investment und Asset Management, das Deutsche Aktieninstitut (DAI) oder berufsständische Vereinigungen wie die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) oder die German CFA Society.

Mit der teilweisen Verlagerung wichtiger Entscheidungen und Rahmensetzungen auf die europäische Bühne richtet sich seit Jahren der Blick vieler Lobbyisten stärker nach Brüssel. Viele haben dort eigene Stützpunkte errichtet, zahlreiche Interessenvertretungen agieren schon vor Ort als Zusammenschlüsse nationaler Vereinigungen. Darüber hinaus kommen gerade im Zuge der jüngsten Regulierungsdebatte zur Verhinderung oder zumindest Erschwerung künftiger Finanzkrisen auch immer mehr weltweite Gremien ins Spiel. Und genau diese Ausweitung des Ordnungsrahmens der Finanzwirtschaft über Deutschland hinaus auf Europa oder sogar auf das weltweite Finanzgefüge hat für die Arbeit wie auch für die Wahrnehmung der hiesigen Interessengruppen erhebliche Konsequenzen. Denn je differenzierter die nationalen Anliegen sind, umso weniger dringen die Feinheiten auf europäischer oder weltweiter Ebene durch. Im Gegenteil: Die Vielzahl der vernehmbaren Stimmen klingt zuweilen sogar kontraproduktiv. Eng zusammenhängend mit den Erfolgsaussichten der Sacharbeit im Detail gibt es daneben ja auch noch den leidigen Finanzierungsaspekt. Denn je weniger die spezifischen Interessen einzelner Vereinigungen in Brüssel überhaupt die Chance haben, Gehör zu finden, umso schwerer lässt sich für die Mitglieder die Finanzierung der hiesigen Interessengruppen begründen. Gerade in jüngster Zeit haben solche Kosten-Nutzen-Erwägungen hierzulande zu sanften Überlegungen zur Kräftebündelung geführt.

Das greifbarste Beispiel bietet derzeit die künftige Arbeitsteilung zwischen dem Zentralen Kreditausschuss (ZKA) und der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD). Im Jahre 2003 mit dem Ziel einer Stärkung des Finanzplatzes Deutschland entstanden, haben zuletzt der Gesamtverband der Versicherer wie auch die Münchener Rück angekündigt, die IFD zum Jahresende wegen eines veränderten Ressourceneinsatzes verlassen zu wollen. Damit stellt sich selbst beim Verbleib der Allianz die berechtigte Frage, ob die IFD ohne die breite Verankerung in der Versicherungswirtschaft trotz Bundesbank, BMF und Deutsche Börse nicht doch zu sehr zu einer Veranstaltung der Kreditwirtschaft und damit einer Dopplung des ZKA wird. Überlegungen zu einer Bündelung der verfügbaren Mittel gibt es auch in anderen Bereichen. So wird aus Mitgliederkreisen des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK) die Frage aufgeworfen, ob bei der vergleichsweise starken Überschneidung der Mitgliedschaften nicht viele Anliegen gemeinsam mit dem DAI vertreten werden sollten. Und bei der 50-Jahr-Feier der DVFA wurde auf beiden Seiten mit einer stärkeren Kooperation mit dem BVI sympathisiert.

Wie all diese Beispiele zeigen, gibt es in der Lobbyarbeit in Deutschland eine seltsame Diskrepanz: Europa wird gestärkt, aber auf nationaler Ebene bedarf es dazu weniger Differenzierung in der Interessenvertretung. Unter Kosten-Nutzen-Erwägungen mag dieser Weg sinnvoll sein, aber er darf nicht zulasten einer breiten Analyse aus unterschiedlichen Blickwinkeln gehen.

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