Gespräch des Tages

Leasing I - Offene Abgrenzung

Zwei oder mehr Interessenverbände in einer Branche sind in der deutschen Wirtschaft gar nicht so selten. Den geradezu klassischen Fall liefern der ADAC und die wesentlich kleineren und weniger bekannten AvD und ACE (Auto Club Europa). Schon seit Jahrzehnten praktizieren die Automobilclubs ein mehr oder weniger kultiviertes Nebeneinander mit gelegentlichen kleinen Seitenhieben. Im Derivatemarkt, um ein gegenläufiges Beispiel aus dem Finanzdienstleistungssektor zu geben, ist hierzulande in der heftigsten Bewährungsphase der noch jungen Geschichte eine Bündelung der Kräfte gelungen. Aus den beiden Interessengemeinschaften Derivate Forum und Deutsches Derivate Institut (DDI) ist zu Beginn dieses Jahres der Deutsche Derivate Verband (DDV) geworden, der das frühere Positionsgerangel der beiden Vorgängerorganisationen überflüssig macht. Zusammen mit den Schwesterverbänden aus den Nachbarstaaten wurde Mitte des Jahres mit der European Derivatives Association (euderas) gar ein europäischer Dachverband gegründet.

Bei allen gemeinsamen Anliegen einer Branche kann es freilich auch unterschiedliche Interessenlagen geben, die sich in einer eigenen Gruppierung konzentrierter artikulieren lassen. Ein solches Beispiel bietet traditionell die deutsche Leasingbranche mit den beiden Gruppen der herstellergebundenen und der herstellerunabhängigen Gesellschaften. Speziell die Automobilwirtschaft hat für ihre teils auf Verkaufsförderung ausgerichteten Banken und Leasinggesellschaften schon vor vielen Jahren einen eigenen Arbeitskreis der Autobanken gegründet, der die spezifischen betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und rechtlichen Themen seiner Mitglieder artikuliert. "Ihr Selbstverständnis hebt die herstellerverbundenen Autobanken deutlich von ihren Wettbewerbern - Sparkassen, Volksbanken, Kreditfinanzierern oder freien Autobanken - ab", heißt es ausdrücklich auf der eigenen Homepage. Welche Marktposition in dem überschaubaren, aber wichtigen Marktsegment der Finanzierung rund um das Auto dahintersteckt, wird gleich mitgeliefert. Im Geschäftsjahr 2007 reklamieren die zwölf Mitglieder des Arbeitskreises einen Marktanteil von über 64 Prozent im Neuwagenbereich und immerhin noch über 50 Prozent im Gebrauchtwagenmarkt für sich. Das bedeutet rund 824 000 neue Leasingverträge und 1,17 Millionen Autokäufer mit einer Finanzierung. Das Gesamtvolumen der Neuzugänge wird auf 37,5 Milliarden Euro veranschlagt.

Der Arbeitskreis der Autobanken ist dabei wesentlich übersichtlicher als der rund 200 Mitglieder zählende Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL), der in seiner Ausrichtung auf Finanzierungslösungen für die gesamte Wirtschaft naturgemäß viel breiter aufgestellt ist. In einigen Fällen, etwa VW Financial Services, der Fiat Bank oder der Honda Bank gibt es freilich Doppelmitgliedschaften. Im Normalfall läuft die Lobbyarbeit des größeren Verbandes und des auf den Automobilsektor spezialisierten Arbeitskreises vergleichsweise geräuschlos nebeneinander. Derzeit gibt es aber spürbare Interessenunterschiede, die allerdings nicht intern behandelt, sondern in die Öffentlichkeit getragen werden.

Sowohl der BDL (Kreditwesen 23-2008) als auch dessen gewichtiges Mitglied Deutsche Leasing setzen sich beim Thema der Restwertentwicklung im wichtigen Segment des Fahrzeugleasings deutlich hörbar von den Autobanken ab. Gründe für diese eindeutige Abgrenzung dürfte zum einen die Unruhe im Lager des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes und zum anderen die Neunmonatszahlen aus der Autobranche sein. Die Händler haben das Thema in den vergangenen Jahren wiederholt ins Spiel gebracht, um zu klären, wer die Risiken aus der Restwertentwicklung zu tragen hat. Und die Zahlen der Autobranche zum dritten Quartal haben zu Tage gefördert, um welche Summen es sich dabei handel. Wenn allein bei BMW die über die normalen Ansätze hinaus zusätzlich notwendige Risikovorsorge für Kreditausfälle und Restwertrisiken in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres auf rund 500 Millionen Euro veranschlagt wird, mag das einen Eindruck von den Belastungen geben, die der gesamten Autobranche und ihren Finanzdienstleistern drohen. Im Nachgang zu den öffentlichen Äußerungen von BDL und DL deuten darauf auch die von VW Financial Services bei dem SoFFin beantragten Garantien zur Finanzierung von Autokrediten aus dem Rettungspaket der Bundesregierung hin.

Von solchen Risikoszenarien der herstellergebundenen Auto- Leasinggesellschaften wollen sich die herstellerungebundenen Anbieter verständlicherweise absetzen. Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern aus dem herstellernahen Autoleasing, so betont Hans-Michael Heitmüller für die Deutsche Leasing, habe sein Haus schon im April 2005 die Restwerte erstmals um 3,5 Prozent abgesenkt und zwar gleich auf die unverbindliche Preisempfehlung (UPE) bezogen. Und in der Zwischenzeit habe es mehrmals Anpassungsrunden nach unten gegeben, bis hin zu den beschlossenen zwei Prozent auf die UPE zum 1. Januar 2009. Das habe zwar die machbaren Leasingkonditionen am Markt erschwert, aber bis September 2008 keinerlei Zusatzrisiken beschert, so seine implizierte Anspielung auf die Preisgestaltung und die hohen Marktanteile der Autobanken im Fahrzeugleasing. Schließlich wollen sich weder die DL noch die gesamte Branche nachsagen lassen, die Risikolage nicht im Griff zu haben. Und bevor in Zeiten der Finanzmarktkrise das Image Aller Schaden zu nehmen droht, gibt es lieber mal Seitenhiebe gegen die Kollegen auf der herstellernahen Seite.

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