Gespräch des Tages

KfW - Schmerzgrenze erreicht?

Damit sich in der ziemlich zementierten deutschen Bankenstruktur überhaupt etwas bewegt, müssen schon arge Schieflagen auftreten. Erst kleinere oder größere Katastrophen, so die dahinterstehende Vorstellung, verhelfen den verantwortlichen Gremien dazu, Kleinigkeiten des Alltagsgeschäftes oder auch schon mal persönliche Eitelkeiten hinten anzustellen und sich zu sachlich weit blickenden Entscheidungen durchzuringen. Diese Interpretation wird von ketzerischen Zeitgenossen bekanntlich gerne mit Blick auf die Sparkassen- und Genossenschaftsorganisation bemüht. Der Leidensdruck ist immer noch nicht groß genug, heißt es derzeit beispielsweise mit Blick auf die strategische Neuorientierung der WestLB. Aber das Bild von den ausgeprägten Beharrungstendenzen der Bankenstrukturen passte zunächst auch gut auf die am letzten Juli-Wochenende dieses Jahres in einer Blitzaktion der deutschen Kreditwirtschaft ausgehandelte Rettungsaktion für die Deutsche Industriebank. "Die KfW wird die IKB von den genannten Risiken abschirmen ...", hieß es seinerzeit aus der Förderbank. Von dem von draußen geforderten Verkauf der Anteile war seitens der Frankfurter Förderbank und ihrem Verwaltungsrat zunächst nur spärlich die Rede. Aber damals hat man beim größten Aktionär und den übrigen Beteiligten offenbar noch nicht wirklich damit gerechnet, in welch hohem Ausmaß die zugesagte Abschirmung der Liquiditätskrise tatsächlich an das Worst-Case-Szenario heranreichen würde.

Ende November war dann im Verwaltungsrat der KfW aber die besagte Schmerzgrenze offenbar erreicht. Denn nach der Aufstockung der Risikovorsorge auf 4,8 Milliarden Euro im Zuge der Abschirmung der IKB, wie sie der Vorstand seinem Aufsichtsgremium Ende November in einer Telefonkonferenz nahe gebracht hat, war nach der wenige Tage später anberaumten außerordentlichen Verwaltungsratssitzung plötzlich überall vom Verkauf des 38-prozentigen IKB-Anteils die Rede, die jüngsten Äußerungen aus den Gremien nach mittlerweile bereits beschlossene Sache ist. Und weil es bei Bankgeschäften öffentlicher Institute in der Tat immer eine Gratwanderung ist, inwieweit sie erwünschten Entwicklungen

- etwa in der Mittelstandsfinanzierung - zum nötigen Anschub verhelfen oder aber privaten Banken Geschäft streitig machen, darf man sich in der Gunst der Stunde nicht über lauter werdende Stimmen wundern, die KfW-Ipex-Bank gleich mit auf den freien Markt zu entlassen. Für die Frankfurter "Bank des Bundes und der Länder" selbst waren solche grundsätzlichen Gedankenspiele um ihre künftige Beteiligungspolitik zur Monatswende November/Dezember nur Randerscheinungen. Es ging wie schon Ende Juli primär um pures Krisenmanagement, nämlich eine erneute Weichenstellung in Richtung kurzfristiger Rettung oder Untergang der IKB - diesmal nach einschlägigem Studium komplexer Vertragswerke und unter den veränderten Vorzeichen des enormen Preisverfalls für strukturierte Papiere aller Art. Angesichts des derzeitigen Drucks auf die Förderbank mag es für den neutralen Beobachter im Rückblick als unklug erscheinen, dass sie sich im Sommer in solch vorderer Front in die IKB-Rettung hat einbinden lassen. Und der nahezu komplette Entzug der gewichtigen Basis des mit 5,3 Milliarden Euro bestückten Fonds für allgemeine Bankrisiken nährt natürlich zu Recht Befürchtungen um die künftige Förderleistung. Aber nachdem sich Aufsicht und Kreditgewerbe Ende Juli für eine Stützung der IKB entschieden hatten, war und ist die KfW als größter Einzelaktionär auch in der Pflicht, zumal sie bei strukturierten Finanzierungen sowie in Sachen Verbriefung beileibe kein unbedarftes Haus ist, sondern viele Segmente und Entwicklungen des deutschen Marktes maßgeblich mit vorangetrieben hat. Bei aller Verwunderung der staunenden Laien über die Tücken von Event of Default Trigger und berechtigter Kritik der Fachwelt an den offensichtlich sehr intransparenten Vertragskonstruktionen bezüglich der Auslöseschwellen für Wertpapierverkäufe und den damit verbundenen Verschiebungen der Rangfolge der Gläubiger hat die KfW in der Grundsatzfrage einer Rettung oder Aufgabe der IKB alles andere als Schadenfreude verdient. Denn die ganz normalen IKB-Kunden sind nun einmal Mittelständler. Und eine Förderbank, die sich ihrem Selbstverständnis nach dem Mittelstand verpflichtet fühlt, tut sich auch bei ihren Sanierungsanstrengungen für die Düsseldorfer Bank verständlicherweise ungeheuer schwer damit, die Belastung einfach auf deren Mittelstandskunden abzuladen. Das schließt allerdings nicht aus, dass für die KfW danach kluge Entscheidungen in Sachen Beteiligungspolitik getroffen werden.

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