Aufsätze

Kapitalquoten in der internationalen Bonitätsprüfung von Kreditinstituten

Im Interbankenkreditgeschäft spielen Eigenkapitalquoten für die Bonitätsbeurteilung seit Jahrzehnten eine herausragende Rolle, wenn auch mit variierendem Gewicht im Zeitablauf. Dabei haben sich seit der Einführung der Cooke-Empfehlung von 1988 (Basel I) bis heute die Berechnungsgrundlagen der risikogewichteten Kapitalquoten häufig und in erheblichem Umfang verändert. Der zunehmenden Komplexität und Heterogenität risikogewichteter Kennzahlen werden in jüngerer Zeit, insbesondere von angloamerikanischer Seite, ungewichtete Verschuldungsquoten oder Leverage Ratios als angeblich überlegen gegenübergestellt.

Risikogewichtete Kapitalquoten

Risikogewichtete Eigenkapitalquoten wurden erstmals 1988 mit der sogenannten Cooke-Empfehlung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht auf internationaler Ebene eingeführt. Hier wird eine Eigenkapitalgröße in Bezug zu den sogenannten Risikoaktiva gesetzt. Zunächst ging es bei Letzteren nur um die Berücksichtigung von Kreditrisiken in Form von standardisierten Risikogewichten zwischen null Prozent und 100 Prozent. Seit dem Jahr 1988 wurden die Baseler Eigenkapitalkennzahlen mehrfach geändert. Die wichtigsten Meilensteine in Bezug auf die Risikoaktiva waren bislang:

- das Baseler Marktrisikopapier von 1996 (sogenanntes Basel 1a), das erstmals Handelsbuchrisiken erfasste,

- das Rahmenwerk Basel II (2004), das unter anderem den Standardansatz für Kreditrisiken wesentlich stärker differenziert, den internen Ratingansatz als Berechnungsalternative eingeführt und die Eigenmittelunterlegung für operative Risiken erstmals vorsieht,

- die kurz nach Ausbruch der Finanzkrise eingeführten Ad-hoc-Verschärfungen der Unterlegung von Handelsbuchrisiken (sogenanntes Basel 2a, 2009) sowie

- das Rahmenwerk Basel III (2010), das unter anderem Verschärfungen bei der Kreditrisikounterlegung und zusätzliche Kapitalpuffer vorsieht.

Häufige Änderungen in den Eigenkapitalgrößen

Die Vorschriften wurden in vielen Ländern mit Zeitverzögerungen eingeführt, sodass die Nennergrößen weder im mehrjährigen Zeitvergleich noch über Landesgrenzen hinweg vergleichbar waren und sind.

Hinzu kommen seit 1988 auch immer wieder Änderungen in den jeweiligen Eigenkapitalgrößen, wobei es ebenfalls nationale Unterschiede gibt.1) Bis zur Finanzkrise wurden zunächst immer neue Kapitalformen als Tier-II- (zum Beispiel Genussschein- und Nachrangemissionen) oder Lower-Tier-I-Kapital (zum Beispiel langlaufende Kernkapitalanleihen) eingeführt, was zu einer Ausdehnung des Eigenkapitalbegriffs führte.

Mit Basel III werden die qualitativen Anforderungen, die an Tier-I- und Tier-II-Kapitalinstrumente zu stellen sind, als Reaktion auf die Finanzkrise erheblich verschärft. Dies betrifft zum Beispiel die Verlustbeteiligung, das explizite Vorsehen keiner festen Ausschüttungen und die Dauerhaftigkeit der Kapitalüberlassung.

Zudem wurden die erforderlichen Mindestgrößen für das Core-Tier-I- beziehungsweise das Gesamt-Tier-I-Kapital erhöht. Auch kommen wesentlich strengere Abzugsregeln hinzu, nach denen immaterielle Aktiva, aktive latente Steuern und andere Komponenten zukünftig in der Regel vom Core-Tier-I-Kapital abgesetzt werden müssen, während bislang kein Abzug oder ein Abzug hälftig vom Gesamt-Tier-I- und Tier-II-Kapital vorgesehen ist.

In der Praxis werden häufig neben der risikogewichteten Gesamteigenkapitalkennzahl auch die entsprechende Teilkennzahl für das Gesamt-Tier-I-Kapital und gegebenenfalls weitere Informationen zum regulatorischen Eigenkapital offengelegt. Unabhängig von der Definition der Zählerund Nennergrößen veröffentlichen Banken schon jetzt Risikokapitalquoten unter Bezug auf die neuen ab 1. Januar 2014 gültigen Vorschriften (sogenannte Basel-III-"Phase-In"-Kennzahlen) und/oder unter Bezug auf die ab 1. Januar 2019 gültigen Regeln nach vollständiger Umsetzung von Basel III (sogenannte Basel-III-"Fully Loaded"-Kennzahlen). All dies erschwert einen Peergroup-Vergleich.

Erhebliche Abweichungen im Quervergleich

Die dargestellte Heterogenität risikogewichteter Kapitalquoten lässt gerade auch im Zusammenwirken mit den immer wieder kritisierten EBA-Stresstest-Ergebnissen Zweifel an deren Glaubwürdigkeit aufkommen. Bei dem EBA-Stresstest 2010 hatten zum Beispiel irische Banken problemlos den Stresstest bestanden, mussten jedoch kurze Zeit später gestützt werden. Dies wiederholte sich beim Stresstest 2011 in Bezug auf einige spanische Banken.

Außerdem wurde kritisiert, dass insbesondere europäische Banken die durch die Verwendung interner Rating- und Marktrisikomodelle geschaffene Flexibilität dazu nutzten, den Kapitalbedarf - zumindest im Vergleich mit Banken in Asien und den USA - übergebührlich zu reduzieren.2) Auch der Baseler Ausschuss stellte unlängst fest, dass die risikogewichteten Kapitalquoten im Quervergleich erheblich abweichen, selbst wenn Unterschiede im Geschäftsmodell oder Risikoprofil neutralisiert werden.3)

Diese große Spannweite reduziert die Vergleichbarkeit risikogewichteter Kapitalquoten zwischen Banken erheblich. Dies gilt auch für einzelne Banken im mehr jährigen Zeitvergleich. So wurden für europäische Banken insgesamt über die Zeit rückläufige Risikogewichte ermittelt.4) Die Bandbreite und damit die bilanzpolitische Beeinflussbarkeit ist so groß, dass die internationalen Aufseher offen darüber nachdenken, den internen Modellansatz zu begrenzen beziehungsweise verstärkt Parallelkalkulationen mit dem Standardansatz vorzusehen.5) Im Hinblick auf die deutlich geringere Informationsbasis im Rahmen der externen Bonitätsanalyse gegenüber den Zugriffsmöglichkeiten der Aufsicht erscheinen diese Unterschiede umso gravierender.

Unterschiedliche Rechnungslegungsmethoden

Diese Verzerrungen werden durch unterschiedliche Rechnungslegungsmethoden weiter verschärft. Selbst bei Anwendung gleicher Regeln (zum Beispiel im Vergleich von IFRS-Konzernabschlüssen) können unterschiedliche Wahlrechtsausübungen und Ermessensspielräume zu rein abbildungsbedingt unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies betrifft insbesondere die Zuordnung von Finanzinstrumenten zu den einzelnen Bewertungskategorien nach IAS 39. Aufgrund dessen oder auch geschäftsmodellbedingt variiert zum Beispiel der Anteil der Fair-Value-Aktiva und -Passiva oder der Anteil der mit besonderen Unsicherheiten behafteten modellbasierten Fair Values (sogenannte Level-3-Fair-Value-Ermittlung) erheblich.6) Dadurch kommt es zu unterschiedlichen Eigenkapitalgrößen im Zähler der Risikokapitalquoten.

Sachliche Mängel in der Ausgestaltung

Hinzu kommen sachliche Mängel in der Ausgestaltung risikogewichteter Kapitalquoten, die aus Sicht der Aufsicht bislang tolerierbar oder sogar geboten sind, die Aussagefähigkeit für die Bonitätsanalyse aber weiter reduzieren. So wird - neuerdings auch seitens der Aufsicht - auf die niedrigen Risikogewichte von staatlichen Schuldnern in Europa hingewiesen. Mithin erhalten auch Länder wie Griechenland im Standardansatz ein Risikogewicht von null Prozent, was sicherlich nicht risikogerecht ist. Im internen Ratingansatz gibt es teilweise eine erhebliche Bandbreite. Im Hinblick auf die großen Volumina von Staatspapieren beziehungsweise -krediten in Bankportfolios wird dadurch die Aussagefähigkeit risikogewichteter Kapitalquoten stark beeinträchtigt.

Die so hervorgerufene Verzerrung wird durch die Unterschiede in den Bilanzierungsmethoden verstärkt, sodass die Auswirkungen auf die Risikokapitalquoten bei GIIPS-Staatsanleihen sich kumulieren und teilweise verstärken. So führt ein unterschiedliches Timing und eine unterschiedliche Höhe der Wertberichtigungen auch zu einer unterschiedlichen Eigenkapitalbasis. Dementsprechend lag die Wertberichtigungsquote von Griechenland-Exposures zum 30. Juni 2011 zwischen 21 und 53,5 Prozent. Gerade hier wurden die Bilanzierungsregeln auch von einigen Banken überdehnt.7) Die risikogewichteten Kapitalquoten von Banken mit hohem Anteil an Staatspapieren sind in ihrer Aussagefähigkeit damit besonders beeinträchtigt, allen voran bei Banken mit Sitz in einem GIIPS-Staat und vielen Pfandbriefbanken. Die Auswirkungen der Unzulänglichkeiten sind also auch bilanzierungs-, geschäftsmodellund regionalabhängig.

Gegenüber Basel II kommen ab 2016 noch verschiedene Systemrisikozuschläge hinzu, die nach der CRD IV aber in großem Umfang von den einzelnen EU-Ländern selbst festgelegt werden können und zudem über die Zeit veränderlich sind. Unabhängig von der zunehmend kritisierten Eignung insbesondere der Systemrisikozuschläge für aufsichtsrechtliche Zwecke8) ist festzuhalten, dass die Bonitätsanalyse Berechnungsmethoden und Mindestvorgaben bei der Bewertung einerseits integrativ mitberücksichtigen muss, weil die Nichteinhaltung nationaler Vorgaben aufsichtsrechtliche Maßnahmen mit negativen Folgen für die Geschäftstätigkeit und das Bonitätsrisiko auslöst.

Aufgrund der hohen Komplexität, der fehlenden Vergleichbarkeit und der nicht unerheblichen politischen Komponente könnte es andererseits sinnvoll sein, institutsbezogen eigene Benchmarks für Peergroup-Vergleiche festzulegen, die dann allerdings die unterschiedlichen nationalen Umfeldbedingungen in Bezug auf Risikogehalt und Eigenkapitalbedarf nicht berücksichtigen. Teilweise ist dies gerechtfertigt, da Systemrisikoaspekte in Bezug auf die Kontrahentenbonität einer Einzeladresse bei der Beurteilung der Kapitaladäquanz nicht relevant sind. Teilweise sind unterschiedliche Kapitalanforderungen aber auch Ausdruck eines unterschiedlichen Sicherheitskapitalbedarfs zum Beispiel im Hinblick auf einzelne besonders risikobehaftete Kreditnehmergruppen.

Leverage Ratios

Neben den risikogewichteten Kapitalquoten wird mittlerweile ein immer stärker werdendes Augenmerk auf die Leverage Ratio als zusätzliches Instrument der Bankenregulierung gelegt. Dabei wird vereinfacht ausgedrückt das Eigenkapital (zum Beispiel Tier-1-Kapital) einer Bank ins Verhältnis zu den nicht-risikogewichteten Aktiva und gegebenenfalls den außerbilanziellen Geschäften gesetzt. Ziel dieser Quote ist es, die Verschuldung einer Bank generell zu begrenzen.

Nach Basel III sollen Banken erstmals ab 2015 eine Leverage Ratio verpflichtend veröffentlichen. Die endgültige Definition sowie die vorgeschriebene (Mindest-)Leverage Ratio (derzeit drei Prozent vorgesehen) sollen jedoch erst nach einem Praxistest in 2017 festgeschrieben werden und ab 2018 verbindlich für alle Banken gelten.

In den USA und Kanada wird die Bankenregulierung schon seit Jahren mit über die Leverage Ratio gesteuert. Jedoch gibt es noch gravierende Unterschiede in der Berechnung der Quote, sodass ein internationaler Vergleich schwierig ist. Der Problematik unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards bei der Berechnung der Verschuldungsquote wurde mit einem neuen Konsultationspapier des Baseler Ausschusses teilweise Rechnung getragen.9) Hierbei stand die Vereinheitlichung der zugrunde liegenden Rechnungslegungsmethoden im Vordergrund, da zum Beispiel die US-GAAP ein deutlich umfangreicheres Netting als die IFRS zulassen. Dadurch verringert sich das Gesamtengagement (Nenner), was sich wiederum positiv auf die Verschuldungsquote auswirkt. Nach dem neuen Konsultationspapier sind Verrechnungen nun auch für nach IFRS bilanzierende Banken zulässig.

Anforderungen im internationalen Vergleich

In den USA entsteht bei der Berechnung der Leverage Ratio zukünftig ein Unterschied zwischen Banken im Standard und im internen Ratingansatz (IRA-)Ansatz. Während die Definition für die acht IRA-Banken (Veröffentlichungspflicht ab 1. Januar 2014) weitgehend identisch mit den Vorgaben nach Basel III ist, wird die Leverage Ratio für Banken im Standardansatz weiterhin nach den bereits bestehenden US-Regeln berechnet. Dies hat zur Folge, dass bei der Bereinigung des anrechen baren Eigenkapitals um als nicht werthaltig angesehene Aktiva weniger Abzüge als nach Basel III erfolgen. Außerdem werden außerbilanzielle Geschäfte bei US-Instituten im Standardansatz nicht berücksichtigt. Damit sind die Quoten selbst zwischen US-Banken nicht vergleichbar. Im Vergleich zu europäischen Kreditinstituten nach Basel III wird daher bei US-Banken im Standardansatz eine deutlich bessere Quote ausgewiesen. Der Grad der Verzerrung ist dabei abhängig vom Umfang des jeweiligen nicht-bilanziellen Geschäfts.

Während für Banken nach Basel III eine Leverage Ratio von mindestens drei Prozent vorgesehen ist, müssen US-Banken nach dem US-Standardansatz eine Quote von mindestens vier Prozent erfüllen. Die acht IRA-Banken in den USA haben sogar mindestens sechs Prozent auf Einzelinstitutsebene beziehungsweise fünf Prozent auf Holdingebene vorzuweisen.

In Kanada wird das kombinierte Tier-I- und II-Kapital in Bezug zur bereinigten Bilanzsumme zuzüglich außerbilanzielle Risiken, allerdings ohne verbriefte Aktiva, gesetzt. Es wird eine Leverage Ratio von mindestens fünf Prozent gefordert, die unter bestimmten Voraussetzungen durch die kanadische Aufsichtsbehörde auf 4,35 Prozent reduziert werden kann.

In der Schweiz wird bislang nur von den beiden systemrelevanten Banken die Einhaltung einer Leverage Ratio verlangt, wobei die Anforderungen von den risikogewichteten Kapitalkomponenten abhängen und von Jahr zu Jahr schwanken können. Das Gesamtengagement wird dabei nach der Definition von Basel III ermittelt. Dabei wird das inländische Kreditvolumen nicht einbezogen, da primär das ausländische Kreditgeschäft begrenzt und eine inländische Kreditverknappung verhindert werden soll. Die Kapitaldefinition als weitere Bezugsgröße ist weiter gefasst als nach Basel III und enthält neben dem Tier-I- auch das Tier-II-Kapital.

Umsetzung in der CRR

In Europa werden die Vorschläge des Baseler Ausschusses zur Leverage Ratio erstmals mit der Capital Requirements Regulation (CRR) umgesetzt. Hier hält man sich weitestgehend an die Baseler Vorgaben. Das bereinigte Kernkapital wird in Bezug zu bilanziellen und außerbilanziellen Aktiva gesetzt. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass nach dem vorgesehenen Praxistest und bis zur Festlegung der endgültigen Definition und Mindesthöhe der Leverage Ratio in 2018 noch nationale Ermessensspielräume hinzukommen. Sollte dies der Fall sein, wären für die Bankbonitätsanalyse detaillierte Kenntnisse der nationalen Besonderheiten und des regulatorischen Umfeldes des Sitzlandes der Bank sogar innerhalb der EU erforderlich, was die Vergleichbarkeit erheblich beeinträchtigen wird.

Globale Peergroup-Vergleiche haben aufgrund der unterschiedlichen Definition der Leverage Ratios im Standardansatz und nach Basel III sowie der unterschiedlich hohen Mindestvorgaben in den USA schon jetzt nur eine begrenzte Aussagekraft. Zudem werden für europäische und viele asiatische Banken nach Basel III im Wesentlichen die IFRS-Bilanzierungsmethoden zugrunde gelegt, während für alle US-Banken derzeit und voraussichtlich auch in Zukunft die US-GAAP die bilanzielle Grundlage bilden. Inwieweit diese Unterschiede bei den Nettingmöglichkeiten zukünftig relevant bleiben werden, kann erst die Zukunft zeigen. Der Grad der Verzerrung wird dabei auch von Umfang und Struktur des Derivategeschäfts abhängen.

Befürworter der Leverage Ratio argumentieren mit der Einfachheit der Berechnung, der dadurch bedingten höheren Vergleichbarkeit sowie der gegenüber den risikosensitiven und damit zyklischen Risikokapitalkennzahlen stärkeren Konjunkturunabhängigkeit. Bei näherem Hinsehen gibt es jedoch, wie dargestellt, bei der Berechnung signifikante nationale Unterschiede, sodass die Vergleichbarkeit nur eingeschränkt gegeben sein wird.

Unterschiede in der Geschäftsstruktur

Darüber hinaus sind auch Unterschiede in der Geschäftsstruktur zu bedenken. Die während der Finanzkrise eher stabilen, klassischen Retailbanken wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken oder auch Pfandbriefbanken betreiben im Vergleich zu Großbanken eher risikoärmeres Geschäft. Risikogewichtet benötigen diese Banken daher deutlich weniger Eigenkapital, um die geforderten Kapitalquoten zu erfüllen. Für die Erfüllung der Leverage Ratio kann sich dies aber negativ auswirken, da hierbei bilanzielle und gegebenenfalls außerbilanzielle Risikoaktiva ungewichtet ins Verhältnis zum Eigenkapital gesetzt werden.

Unabhängig von den Berechnungsmethoden sagt eine Leverage Ratio von unter drei Prozent daher allein noch nichts über eventuelle Schwachstellen einer Bank aus. Daher sollten auch die veröffentlichten Leverage Ratios immer im Kontext des jeweiligen nationalen regulatorischen Umfelds und des Geschäftsmodells im Zusammenwirken mit den Risikokapitalquoten und anderen Kennzahlen betrachtet werden. Eine Differenzierung der Mindesthöhe für die Leverage Ratio nach Geschäftsmodell, Risikoprofil und Größe der Bank, wie auch seitens der EU angedacht, würde andererseits die Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit dennoch nicht verbessern. Neben den dadurch entstehenden Abgrenzungsproblemen zwischen unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Risikoprofilen würde so die erwähnte Konzeptionsschwäche niedriger Risikogewichte für Problemstaaten bei den Risikokapitalquoten auch bei der Leverage Ratio übernommen werden.10)

Heterogenität der Eigenkapitalquoten über Landesgrenzen hinweg

Die vorstehenden Ausführungen zeigen die Heterogenität der Eigenkapitalquoten über Landesgrenzen hinweg. Zusätzlich sind die unterschiedlichen Berechnungsformeln über die Zeit zwischen Basel I, 1a, II, 2a, III "Phase-In" und III "Fully Loaded", zukünftig mit Kapitalpuffern in länderspezifisch unterschiedlicher Höhe, jeweils auf Tier-I- und Gesamteigenkapitalbasis zu bedenken. Insofern ist der Ruf nach einer einfacheren Formel, wie es die Leverage Ratio scheinbar bietet, nicht verwunderlich. Allerdings ist diese entgegen dem ersten Anschein im Rahmen der Bankbilanzanalyse aufgrund der ebenfalls variierenden Inhalte in Zähler und Nenner nicht unbedingt unkomplizierter und im Ländervergleich sicherlich auch nicht vergleichbarer als Risikokapitalquoten.

Da spätestens seit der Finanzkrise Eigenkapitalquoten (wieder) im Fokus stehen, dürften diese sicherlich auch eine der wichtigsten Zielgrößen der Bilanzpolitik der Banken darstellen. Neben der Verminderung konzeptioneller Unzulänglichkeiten (Model Risk) sollten auch deswegen aus analytischer Sicht stets Risikokapitalquoten und Leverage Ratios parallel berücksichtigt und bei Auseinanderdriften hinterfragt werden (Arbitrage Risk).

Sowohl bei Risikokapitalquoten als auch bei Leverage Ratios ist im Rahmen internationaler Peergroup-Vergleiche zu bedenken, dass unterschiedliche regulatorische Mindestanforderungen teilweise auch Unterschiede in Definitionen und Berechnung kompensieren, wie im Vergleich der geplanten Leverage Ratios in Europa und USA besonders deutlich wird. Anders als im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Betrachtung sind für die Bonitätsanalyse dabei zwei Sichten in Bezug auf ihre Aussagefähigkeit relevant. Wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen von Aufsicht und Bankbonitätsanalyse sind aufsichtsrechtliche Kennzahlen nicht in allen Berechnungskomponenten sachgerecht interpretierbar und auch nur begrenzt zwischen Banken und über die Zeit vergleichbar. Hier wären Adjustierungen notwendig, die mangels Zusatzdaten jedoch bestenfalls qualitativ möglich sind, ähnlich wie bei anderen bilanzanalytischen Kennzahlen.

Aus aufsichtsrechtlicher Sicht löst die Nichteinhaltung der Kennzahlen in ihrer konkreten nationalen Ausgestaltung beziehungsweise auch nur die Annäherung an diese Schwellen jedoch Maßnahmen der Aufsichtsbehörden aus. Dies kann die weitere Verfolgung des Geschäftsmodells unmöglich machen und damit erhebliche Risiken für die Bankgläubiger zur Folge haben. Auch diese Dimension hat die Kreditanalyse im Interbankengeschäft zu berücksichtigen.

In jedem Fall ist zu beachten, dass sowohl die konsolidierten Risikokapitalquoten als auch die konsolidierte Leverage Ratio auf Basis des aufsichtsrechtlichen und nicht des bilanziellen Konsolidierungskreises ermittelt werden. Auch dies erschwert die Analyse, da auf diese Weise Nichtbankgeschäftstätigkeiten anders als zum Beispiel bei der bilanziellen Eigenkapitalquote unberücksichtigt bleiben. Dies betrifft insbesondere Banken mit starkem Allfinanzgeschäft oder signifikanten Nichtbanktöchtern.

Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autoren wieder.

Literatur

Basel Committee on Banking Supervision (2013a), Regulatory Consistency Programme (RCAP) - Analysis of risk-weighted assets for credit risk in the banking book, July 2013

Basel Committee on Banking Supervision (2013b), Regulatory consistency assessment programme (RCAP) - Analysis of risk-weighted assets for market risk, January 2013

Basel Committee on Banking Supervision (2013c), Consultative Document, Revised Basel III leverage ratio framework and disclosure requirements, July 2013

Becker, G./Voigt, A., Nationale Unterschiede im Aufsichtsrecht: Herausforderungen für die Bankbonitätsanalyse, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 15/2012, S. 754 bis 757

Lanz, M., Die Selbstregulierung der Großbanken hat versagt, in: Neue Zürcher Zeitung vom 27. Mai 2013, abrufbar unter: http://www.nzz.ch/aktuell/ wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/die-selbstregulierung-der-grossbanken-hat-versagt-1.18086952

Niehaus, H.-J., Differenzierung schadet Leverage Ratio, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. August 2013, S. 19

Paul, S./Stein, S., Balkanisierung statt Bankenregulierung?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. August 2013, S. 18

Pengelly, M., A weight on their minds, in: Risk, July 2011, S. 36 bis 39

Weber, L./Pelger, C., Die Bilanzierung von Staatsanleihen nach IAS 39 im Zuge der Staatsschuldenkrise in der EU - Eine empirische Analyse europäischer Banken, in: Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, 7-8/2013, S. 343 bis 350

Zülch, H./Salewski, M., Die Bedeutung des fair value für europäische Banken - Empirische Erkenntnisse der Geschäftsjahre 2008 und 2009, in: Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, 01/2011, S. 35 bis 40

o.V., Europäische Banken rechnen sich ihre Risiken schön, in: Handelsblatt vom 11. November 2011, S. 34

Fußnoten

1) Vgl. Becker/Voigt (2012), S. 754 bis 755.

2) Vgl. Lanz (2013), Pengelly (2011) S. 36 bis 39 und o.V. (2011) S. 34.

3) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2013a), pp. 26-40. Hier wurde ein identisches Modellportfolio von 32 Banken durchgerechnet, wobei 22 Banken um bis zu einem Prozentpunkt und die übrigen Banken um bis zu zwei Prozentpunkte abwichen. Zu den modellbedingten Abweichungen bei Marktpreisrisiken vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2013b).

4) So sank das durchschnittliche Risikogewicht im europäischen Bankensektor von 53 Prozent in 1993 auf 35 Prozent in 2010. Vgl. Pengelly (2011) S. 37.

5) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2013a), pp. 8-10.

6) Vgl. Zülch/Salewski (2011), S. 37/38, hier in Bezug auf die Größe der Bilanzsumme von Kreditinstituten.

7) Vgl. Weber/Pelger (2013), S. 343 bis 350.

8) Vgl. Paul/Stein (2013), S. 18. Teilweise werden bestimmte Regeln auch entgegen der EU-Richtlinie gar nicht umgesetzt. So plant die dänische Finanzaufsicht die Zuschläge für systemrelevante Institute nicht zu übernehmen, sondern hier an ihren früher erlassenen nationalen Regeln festzuhalten.

9) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2013c).10) Vgl. Niehaus (2013) S. 19.

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