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Innovations- und Gründungsfinanzierung - zur Koexistenz formeller und informeller Finanzierungsnetzwerke

Finanzinstitutionen wie Banken und Ven-ture-Capital-Gesellschaften haben in der Regel große Schwierigkeiten, die ihnen anvertrauten Gelder etwa von Sparern und Aktionären in Unternehmen zu investieren, die sich in der Vorgründungs- und Gründungsphase (sogenannte Seed- und Start-up-Finanzierungen) befinden. Dies gilt insbesondere für die Finanzierung von jenen innovativen Gründern, die J.A.Schumpeter einst als zentralen Motor der wirtschaftlichen Entwicklung herausgestellt hat. Obwohl gerade in Deutschland beispielsweise über die Sonderinvestitionsprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau zahlreiche Ansätze existieren, Banken und andere Investoren über staatliche Haftungserleichterungen an die Gründungs- und Innovationsdynamik anzubinden, bleibt das Grundproblem der oftmals umfangreichen Beteiligungs- oder Kreditwürdigkeitsprüfung sowie der kostenintensiven Überwachung des Investments bestehen.

Bankübliche Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung

Der Weg zur KfW-Finanzierung läuft beispielsweise ausschließlich über die Hausbank und diese muss bei der Vermittlung von KfW-Krediten (Mikrodarlehen, Startgeld) bankübliche Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung (Besicherung, Geschäftsplan) stellen. Im Zuge zunehmender Anlegerschutzprinzipien sind insbesondere den Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe verstärkt die Hände gebunden. Im Einzelnen sind in Deutschland die Vorschriften des Kreditwesengesetzes, das Basel II-Abkommen oder die seit 2002 einzuhaltenden Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute (MaK) zu nennen.

In der Unternehmensfrühphase ist die Komplexität der Entscheidungssituation einfach zu hoch, als dass sich die durch die Kreditwürdigkeitsprüfung und das spätere Kreditcontrolling entstehenden Kosten für formelle Finanzinstitutionen rechnen würde. Zu groß sind die kalkulatorischen Unwägbarkeiten, die sich gerade bei innovativen Unternehmen daraus ergeben, dass Investoren sowohl die Marktrisiken des Gründungskonzeptes als auch die Verhaltensrisiken vor und nach dem Kredit- beziehungsweise Beteiligungsvertrag unter Rentabilitätsgesichtspunkten einschätzen müssen. Finanzintermediäre bevorzugen daher großvolumigere Finanzierungsprojekte in späteren Unternehmensphasen, beispielsweise wenn Manager das Unternehmen, in dem sie gewirkt haben (oder Teile davon), im Rahmen von Unternehmensnachfolgen erwerben wollen (sogenanntes Management Buy Out) oder die Finanzierung von Unternehmen, die ihre Kreditwürdigkeit durch Bilanzen und andere Finanzdaten ihrer Unternehmenshistorie dokumentieren können.

Das Gros des Finanzbedarfs von Unternehmensgründern wird über informelle Finanzierungswege abgedeckt. Die meisten Gründer können, wollen und/oder müssen die Kosten und Investitionen für die Gründung (und Vorgründung) zu gewissen Teilen "irgendwie" selbst oder durch Freunde beziehungsweise Familie aufbringen. Manche können auf genügend Spargroschen zurückgreifen und verzichten aus den verschiedensten Erwägungen auf die Einbeziehung von Banken und anderen Investoren. Viele wollen sich nicht frühzeitig in eine übermäßige Abhängigkeit zu Banken begeben und suchen nach anderen Wegen.

Andere sind mit ihrem Konzept bei Banken abgelehnt worden, verfügen jedoch über genügend unternehmerische Energie, um aus eigenen Kräften in den Markt einzutreten. Mindestens 80 bis 90 Prozent aller Gründungen sind in irgendeiner Form durch dieses "Bootstrapping" münchhausengleich finanziert. Es steht für ein "sich an den eigenen Stiefellaschen aus dem Sumpf ziehen" und umfasst als Finanzierungsquelle die sogenannten drei F: Founder, Family, Friends.

Eigeninitiative und Business Angels

Die eigenen Sparmittel und Sacheinlagen stehen dabei in seiner Bedeutung als eingebrachtes unternehmerisches Eigenkapital an allererster Stelle. Aber auch trickreiche Verfahren der Selbstfinanzierung (beschleunigtes Inkasso beim Forderungseinzug und Ausreizen von Lieferantenzielen) und der kurz- bis mittelfristige Verzicht auf einen angemessenen Unternehmerlohn (sogenanntes Muskelkapital) sind typische Verfahren, mit denen Gründer ihre ersten Schritte in das Unternehmerdasein finanzieren. Die selbst eingebrachten Mittel müssen oft nicht einmal sehr hoch sein. Mit "Bootstrapping" sind Multiplikatoreffekte verbunden, da andere Investoren und Fördereinrichtungen ihre Investitionsbereitschaft und Finanzierungskonditionen oftmals an vom Gründer selbst investiertes Kapital koppeln. Ein Gründer, der bereit ist, eigene Mittel in sein Unternehmen zu investieren, signalisiert im wahrsten Sinne des Wortes "Selbstvertrauen" und schafft damit Vertrauen bei anderen. Man bezeichnet dies als "positives (Kapital-)Marktsignal".

Eine nicht zu unterschätzende Komponente der Gründungsfinanzierung stellt die vielen Gründern als Finanzierungsoption gar nicht geläufige Variante der Business-Angels-Finanzierung dar. Für die Unternehmensfrühphasen spielen diese altgedienten Unternehmer mit Branchenerfahrung und hohem Finanzvermögen eine wichtige Rolle, wenn Bootstrapping an seine Grenzen stößt und der Weg zum formellen Finanzmarkt mit himmlischer Hilfe geebnet werden muss. Sie stellen Finanzkapital, Erfahrungen, Netzwerkkontakte und ihr Gehör zur Verfügung, wirken damit selbst auf die Steigerung des Unternehmenswertes ein (sogenanntes Value Added), wollen jedoch auch entsprechend "unternehmerisch" an den Früchten ihres Wirkens teilhaben.

Verkaufsabsicht

Business Angels bevorzugen daher die Hergabe von Finanzmitteln gegen Beteiligungen (Venture Capital) und verzichten dabei für die Beteiligungsdauer in der Regel auf Gewinnausschüttungen mit der Absicht, die Beteiligung nach einigen Jahren wieder an den Gründer, große Beteiligungsgesellschaften oder an die Konkurrenz mit Gewinn zu verkaufen.

Der Traum eines jeden Beteiligungsgebers ist es natürlich, das Unternehmen an die Börse zu bringen (IPO), um die eigenen Anteile dann gewinnbringend an Neuaktionäre zu veräußern. Daneben ergeben sich aus der Möglichkeit, auch Finanzierungsvarianten zwischen den Polen Eigenkapital und Fremdkapital (Mezzanines Kapital) zur Verfügung zu stellen, erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, um individuelle Lösungen zur Finanzierung des Kapitalbedarfs herbeizuführen. Der große Vorteil, der sich aus der Überzeugung eines Business Angels ergeben kann, liegt auf der Hand: Man holt sich eine unternehmens- und branchenerfahrene Person ins Boot, überbrückt erste finanzielle Engpässe und kann in der Regel auf problemlose Anschlussfinanzierungen vertrauen, da die Überzeugung eines Business Angels für Banken und andere Investoren ein sehr positives, Vertrauen schaffendes Signal darstellt.

Angenehme Hebelwirkung

Die Hebelwirkung kann dabei enorm sein: Bereits 10000 Euro eines Geschäftsengels können den Zugang zu 100 000 Euro Bankkredit (und mehr!) aufgrund der höheren Eigenkapitalbasis und des zusätzlich eingebundenen Know-hows ermöglichen. Für die Bankenlandschaft stellt eine engere Kooperation mit diesen informell agierenden Finanzunternehmern angesichts der zunehmenden Eigenkapitalanforderungen im Kreditwesen eine Möglichkeit dar, wieder Anschluss an das Segment der Innovations- und Gründungsfinanzierung zu finden.

Typische Business Angels verfügen über erhebliches Finanzvermögen, welches in der Regel aus der eigenen Unternehmerhistorie resultiert und recyceln ihr unternehmerisches Know-how, indem sie ihre Erfahrungen und Netzwerkkontakte in Verbindung mit einer Beteiligung einschleusen. Eine typische Angel-Transaktion weist dabei durchschnittlich jene Merkmale auf, die zum einen mit den Interessen formeller Finanzsysteme und zum anderen mit den Interessen von "Bootstrappern" nicht harmonisieren. Das Investitionsvolumen liegt in der Regel zwischen 50 000 und 500 000 Euro, bereitgestellt meistens in mehreren (bis zu vier) Finanzierungsrunden.

Neben diesen echten Seraphinen gibt es aber auch Cherubinen (sogenannte "Cherups"), das heißt kleine "Engelchen", die auch kleinste Investitionssummen von 10 000 Euro und weniger für den Seed- und Start-up-Bereich von Unternehmensgründungen bereitstellen. Im Unterschied zu Banken und Venture-Capital-Gesellschaften verfügen Business Angels über handlungsrechtliche Freiräume sowie über unternehmerische Fähigkeiten und Motivation, um sich den Unsicherheiten der Gründungs- und Innovationsdynamik erfolgreich zu stellen. Sie dürfen, können und wollen im kritischen Segment der Frühphasenfinanzierung finanzunternehmerisch aktiv und erfolgreich sein, überbrücken die eingeschränkten Möglichkeiten des Bootstrappings und werden damit zum Wegbereiter für die formellen Finanzmärkte. Auf diese Weise kommt dem Business Angels-Segment im Entwicklungs- und Wachstumsprozess eine wesentliche Bedeutung zu, die auch von der Politik erkannt wurde.

So wurden beispielsweise unter Mitwirkung öffentlich-rechtlicher Institutionen vielerorts regionale Business Angels-Netzwerke etabliert. Dennoch werden von vielen Seiten in Deutschland beispielsweise nach wie vor steuerrechtliche Aspekte angeführt, die ein stärkeres Engagement von Privatinvestoren nicht gerade begünstigen. Zu nennen wäre hier zum Beispiel die Ein-Prozent-Regelung für wesentliche Beteiligungen im Paragraf 17 EStG, aus der hervorgeht, dass Veräußerungsgewinne im Rahmen privater Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) auch bei kleineren Anteilsquoten der Steuerpflicht unterliegen. Für Venture-Capital-Gesellschaften gilt diese Regelung nicht, und obwohl sie über deutlich mehr finanzielle Manövriermasse verfügen, werden Investitionen in Unternehmens-/Innovationsfrühphasen von ihnen in der Regel konsequent gemieden. Zumindest spielen sie aus der Sicht potenzieller Gründer aufgrund der restriktiven Anforderungen für ein Investment nahezu überhaupt keine Rolle.

In Deutschland erst in den Anfängen

In Deutschland werden von mehreren 100 000 Gründungen im Jahr, von denen zirka eins bis fünf Prozent im Bereich "Innovation" anzusiedeln sind, nur wenige Dutzend (und in der Regel nur in Kombination mit der Hebelwirkung von Bootstrapping und/oder Business Angels) über den formellen Venture-Capital-Markt finanziert. Zumeist kommen Unternehmensgründer überhaupt erst bei einem gründungsbedingten Kapitalbedarf von 500 000 Euro und mehr für eine intensivere Beteiligungswürdigkeitsprüfung in Betracht. Beteiligungsgesellschaften agieren als Finanzintermediäre ähnlich wie Banken und müssen ihre Investitionsentscheidungen - im Unterschied zu einem Business Angel gegenüber ihren Geldgebern (Banken, Aktionären, Pensionsfonds) rechtfertigen.

Sie werden damit zu Funktionären ihrer Fondsanleger (beziehungsweise ihrer "unternehmerischen Dispositionen") und müssen deren Interessen (sogenanntes magisches Dreieck der Kapitalanlage: Rentabilität, Sicherheit und Liquidität) wahrnehmen. Im Misserfolgsfall drohen sonst Sanktionen durch "Voice" und "Exit", um mit den Worten Albert Hirschmans zu sprechen. Die Fondsanleger könnten den Misserfolg mit einer Fahrlässigkeit der kaufmännischen Sorgfaltspflicht beim Umgang mit sogenannten "fiduziarischen" Mitteln in kausalen Zusammenhang bringen und versuchen, die Absetzung des Fondsmanagements zu veranlassen, Anlegerschutzprinzipien mit juristischen Mitteln wahrzunehmen und/oder ihr Kapital aus dem Fonds abzuziehen.

Beteiligungscontrolling

Beteiligungsgesellschaften arbeiten daher mit anderen Wirtschaftlichkeitskalkülen, Prüfroutinen und einem kostenintensiven (für Dritte nachvollziehbarem) Beteiligungscontrolling, was letztendlich dazu führt, dass Beteiligungskapitalgesellschaften ihren Investitionsschwerpunkt auf Finanzierungen legen, die der Unternehmensspätphase anzusiedeln sind. Solche Investitionsprojekte sind aufgrund der bereits bestehenden Unternehmenshistorie kalkulierbarer und die höheren Losgrößen versprechen - bei gleich hohem Fixkostenaufwand für die Beteiligungsprüfung und -überwachung - eine höhere Rendite. Die deutsche Dachorganisation für den formellen Venture Capital Markt ist der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). In Deutschland existiert eine überregional agierende Dachorganisation "Band" (Business Angels Netzwerk Deutschland). Unter www.business-angels.de lassen sich Presseartikel, Musterverträge und andere wertvolle Praxisinformationen finden. Dort sind auch Verweise auf internationale Business Angels-Netzwerke aufgeführt, wie beispielsweise das European Business Angels Network (Eban), das Angel Capital Electronic Network (USA), Capital Investissement (Frankreich) oder die i2 Börse für Business Angels der Innovationsagentur (Österreich).

Business Angels agieren in der Regel regional und bilden für großvolumigere Projekte häufig Syndikate mit anderen Geschäftsengeln. Sie arbeiten aber auch mit Banken und/oder Beteiligungskapitalgesellschaften, das heißt mit dem gut organisierten, "formellen" Markt für Venture Capital zusammen. Um nicht mit einer Flut von Beteiligungsanfragen überschüttet zu werden, halten sich Business Angels zumeist im Verborgenen (sogenannter "informeller Markt für Venture Capital"). Sie gelten als "scheue Rehe" und vertrauen bei der Kontaktaufnahme zu potenziellen Gründern am liebsten auf ihr eigenes Netzwerk, welches vertrauenswürdige Investitionsprojekte vorselektiert.

Nichtsdestoweniger gibt es regionale Business-Angels-Netzwerke, die sich häufiger zu sogenannten "Matching"-Veranstaltungen einfinden, wo Gründer vor einer Schar von Business Angels ihr Vorhaben und ihren Kapitalbedarf vortragen können, um dann hinterher in Gruppen- oder Einzelgesprächen für Fragen offen zu stehen.

"Wie eine Ehe auf Zeit"

Die Mitglieder kommen mehrfach im Jahr zu Matching-Veranstaltungen zusammen. Das Spektrum der betreuten Unternehmen erweist sich dabei als sehr groß. Allgemein liegt der Fokus dabei auf Unternehmen mit vielversprechendem Wachstumspotenzial, wobei dies auch Kleinstbeträge für Gründungen aus der "Old Economy" nicht ausschließt. Für einen Gründer ist es dabei wichtig, sich mit den Vor- und Nachteilen einer Business Angels-Finanzierung intensiv auseinander zu setzen, sonst läuft er Gefahr, an den Interessen guter Business Angels vorbei zu kommunizieren und/oder sich für einige Jahre einen Geschäftspartner ins Unternehmen zu holen, der sich als "Business Devil" erweist. Viele Gründer befürchten eben jenen Verlust an Autonomie und verborgene strategische Absichten, welche die Geschäftsabläufe (und nicht zuletzt sogar die unternehmerische Motivation des Gründers) während der Beteiligungsdauer negativ beeinträchtigen können.

Tatsächlich ist die Form der Kooperation von Fall zu Fall verschieden. So gibt es Business Angels mit einem ausgefeilten Beteiligungscontrolling, die wöchentlich oder monatlich einen genauen Bericht über die Geschäftsabläufe einfordern und sich im Beteiligungsvertrag erheblichen Einfluss auf die Unternehmensstrategie sichern lassen (sogenannte "Hands-on"-Mitwirkung). Andere wirken dagegen eher passiv und fungieren hin und wieder als Resonanzboden und Türöffner zu Netzwerken (sogenannte "Hands-off"-Mitwirkung). Business Angel ist somit nicht gleich Business Angel - letztendlich muss die Chemie stimmen, damit die Ehe auf Zeit funktioniert.

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