Gespräch des Tages

Honorarberatung - (Noch) nicht ganz durchdacht

Besonders freundlich aufgenommen wurde das Eckpunktepapier des Ministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz zur Regelung (und Förderung) der Honorarberatung nicht. Zwar mag durch die darin geforderte Qualität (und Neutralität) der Beratung sowie die Offenlegung und Weiterreichung der gezahlten Abschlussprovisionen (beziehungsweise "kick-backs") ein höherer Wettbewerbsdruck hinsichtlich transparenter Produkte entstehen. Abseits theoretischer Betrachtungen in Teilen der Politik und der Wissenschaft wirft es aber mehr Fragen auf als es beantwortet.

So gilt es unter anderem zu hinterfragen, ob aus Kundensicht am Ende nicht nur die bemängelte "Provisionsschinderei" durch "Stundenschinderei" beim Honorarberater ersetzt wird. Oder wie sicherzustellen ist, dass ein solcher wirklich alle am Markt erhältlichen Produkte kennt - in Deutschland sind derzeit allein weit mehr als 10000 Investmentfonds zugelassen, hinzu kommen Unmengen an Versicherungen mit oftmals auf den ersten Blick kaum greifbaren Unterschieden. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie viel der durchschnittliche Kunde bereit (und in der Lage) ist, für die Beratung zu zahlen. Erste Umfragen beziffern diesen Wert auf rund 50 bis 60 Euro, davon alleine wird der Honorarberater aber auf Dauer nicht existieren (und sich kontinuierlich fortbilden) können. Das Doppelte oder mehr scheint hier eher realistisch, was für den Kunden aber in der Regel kaum attraktiv wäre.

Ob schließlich die Konsequenzen des ministerialen Vorstoßes also wirklich gesamtwirtschaftlich und mit Blick auf den Verbraucherschutz einerseits und den gewünschten Ausbau der privaten Altersvorsorge andererseits zweckdienlich wären, darf angesichts der nach wie vor sehr geringen Zahl an reinen Honorarberatern (180) und der zunächst unanfechtbaren Vertriebsmacht der provisionsabhängigen Berater (170000! ) erst einmal bezweifelt werden. Bislang hat sich der Markt, also der Kunde, jedenfalls klar für das bestehende System ausgesprochen.

Dennoch: Mehr Transparenz würde den oftmals undurchsichtig verquickten Vertriebsorganisationen (frei oder "herstellergebunden") insgesamt aber durchaus guttun. Auf Wunsch sollte dem Kunden zumindest erklärt werden, vor welchem Hintergrund Provisionen gezahlt werden und wie hoch diese sind - wenn vielleicht auch über ein Modell nachgedacht werden müsste, bei dem nicht der absolute Betrag preiszugeben wäre. Bei Nichtgefallen hat er bereits heute die Möglichkeit, sich honorargebunden beraten zu lassen, auch wenn er die Police andernorts abschließen muss. Und es bestehen auch wenig Einwände, den Honorarberater stärker als bislang neben den provisionsfinanzierten Kollegen und entsprechend etwa dem Rechts- oder Steuerberater zu etablieren.

Bei all der Aufregung in der Branche hat sich das Vorpreschen des Verbraucherschutzministeriums allerdings in gewisser Weise bereits überholt. Denn längst arbeitet auch die EU an einer Regelung der Finanzberatung, gerade erst hat sie die ersten Entwürfe zur Überarbeitung der MiFID vorgestellt. Wie diese letztendlich im Detail aussehen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. In Großbritannien herrscht eine Tendenz hin zur reinen Honorarberatung, in Skandinavien sind Provisionen generell verboten. Sollte die Beratung gegen Bezahlung gar europaweit zur Pflicht werden, müssten Finanzvertriebe genau wie Finanzdienstleister grundlegend umdenken. Bis dahin wäre insbesondere die Politik, aber auch die Finanzwirtschaft, gut damit beraten, noch einmal mit etwas mehr Tiefenschärfe über die offenen Fragen nachzudenken.

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