Aufsätze

Geschäftsmodelle und Regulatorik

Im derzeitigen Umfeld wird es für Kreditinstitute immer herausfordernder, ihr Geschäftsmodell erfolgreich zu betreiben. Auf der einen Seite sinken Erträge in zuvor attraktiven Geschäftsfeldern aufgrund unterschiedlicher Faktoren. Dazu gehören die gesamtwirtschaftliche Situation, nicht zuletzt die anhaltende Niedrigzinsphase, welche das Zinsergebnis beschränkt, ebenso wie aufsichtsrechtliche Vorgaben, die - wie zum Beispiel im Handelsgeschäft - bestimmte Geschäftsaktivitäten bewusst unattraktiver gemacht haben, oder neue Wettbewerber.

Kostenbelastung durch Regulierung

Andererseits können die Kosten nicht in gleichem Maße reduziert werden, zum Teil steigen die Verwaltungskosten und die Kosten aufgrund der höheren Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung sogar. In der Studie "Auswirkungen der Regulierung" vom Dezember 2013, die KPMG in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband deutscher Banken und dem Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands durchgeführt hat, wurden die zusätzlichen Kosten der deutschen Kreditwirtschaft aus der Regulierung in einer Größenordnung von neun Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, analysieren die Kreditinstitute ihre geschäftlichen Aktivitäten intensiver als zuvor und nehmen Adjustierungen zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle vor. Dies ist umso wichtiger, als die verschiedenen Geschäftsfelder unterschiedlich von den genannten Faktoren betroffen sind und sich somit für alle Marktteilnehmer die Frage nach dem richtigen strategischen Geschäftsmix stellt.

Die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute sind darüber hinaus in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Bankenaufsicht gerückt. Im Rahmen ihres präventiven Aufsichtsansatzes analysiert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), ob die Banken im derzeitigen und potenziellen zukünftigen Umfeld mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich sein können.

Ganzheitliche Betrachtung

Dies ist Teil einer Entwicklung, im Rahmen derer die Bankenaufsicht die Kreditinstitute zunehmend ganzheitlich analysiert und bewertet: Während noch vor wenigen Jahren der Schwerpunkt der aufsichtlichen Analyse auf den Risiken und der Risikotragfähigkeit der Institute lag, wird spätestens seit den letzten Novellierungen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) auch die Fähigkeit zur nachhaltigen Generierung von Erträgen untersucht.

Dabei finden Ertragskonzentrationen und Ertragsrisiken besondere Beachtung, stellen doch ausbleibende Erträge in der Regel die Unternehmensfortführung eines Instituts infrage und sind damit selbst ein wichtiger Bedrohungsfaktor. Die Bankenaufsicht handelt insofern konsequent, wenn sie an dieser Stelle den Zusammenhang von Erträgen, Kosten und Risiken noch eine Ebene tiefer zu analysieren beginnt und mit Hilfe der Geschäftsmodellanalyse hinterfragt, unter welchen Bedingungen und mit welchen Annahmen und Zielen das Institut heute und in Zukunft Geld verdienen will und kann. "Zukunft" heißt dabei immer, dass sowohl der erwartete Verlauf der Rahmenbedingungen als auch eine zukünftige ungünstige Entwicklung derselben berücksichtigt werden müssen.

Geschäftsmodellanalyse gesetzlich festgeschrieben

Im neuen KWG wurde die Geschäftsmodellanalyse nun auch gesetzlich festgeschrieben: Die Bundesanstalt bewertet nach KWG § 6 b Absatz 2 anhand der Überprüfung und Beurteilung zusammenfassend und zukunftsgerichtet, ob die von einem Institut geschaffenen Regelungen, Strategien, Verfahren und Prozesse sowie seine Liquiditäts- und Eigenmittelausstattung ein angemessenes und wirksames Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung gewährleisten. Neben Kreditrisiken, Marktrisiken und operationellen Risiken hat sie dabei nicht zuletzt auch die Geschäftsmodelle zu berücksichtigen. Die MaRisk fordern auch von den Kreditinstituten selbst, sich mit den Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. Damit ist die Geschäftsmodellanalyse für die Kreditinstitute nicht mehr nur eine strategische Notwendigkeit, sondern auch eine regulatorische Anforderung. So sind nach MaRisk inverse Stresstests durchzuführen, bei denen untersucht wird, welche Ereignisse die Überlebensfähigkeit des Instituts gefährden können. Die Überlebensfähigkeit ist laut MaRisk dann als gefährdet anzunehmen, "wenn sich das ursprüngliche Geschäftsmodell bei Eintritt des inversen Stressszenarios als nicht mehr durchführbar beziehungsweise tragbar erweist". Es ist also nicht nur das Geschäftsmodell als solches zu analysieren, sondern die Grenzen des Geschäftsmodells müssen mit ihren Erfolgs- und Risikotreibern identifiziert und beschrieben werden.

Zentrale Bedeutung auch im Rahmen von MaSan und SRM

Für die Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen (MaSan) ist die Geschäftsmodellanalyse ebenfalls von zentraler Bedeutung. Zum Sanierungsplan gehört als wesentlicher Bestandteil eine strategische Analyse. Diese muss die Darstellung des Geschäftsmodells enthalten. Die Ausgestaltung des Sanierungsplans ist zudem - wie auch diejenige der inversen Stresstests nach MaRisk - abhängig von Art, Umfang und Komplexität des Geschäftsmodells und des damit einhergehenden Risikos.

Geschäftsmodelle spielen auch im Rahmen des geplanten einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism - SRM) der Europäischen Union eine Rolle: Gerät ein Kreditinstitut in eine Schieflage, so soll über die Inanspruchnahme des einheitlichen Bankenabwicklungsfonds und Abwicklung des Instituts auch unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschäftsmodells entschieden werden.

Anders als bei der Geschäftsmodellanalyse nach KWG und MaRisk liegt der Fokus der Analyse bei der Sanierungs- und Abwicklungsplanung auf der potenziellen Systemgefährdung, der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und der Untersuchung, ob und unter welchen Bedingungen das Institut oder Teile davon abgewickelt werden könnten. Insofern unterscheiden sich auch die Konsequenzen aus der Bewertung: Während sich aus der Analyse nach KWG und MaRisk eher Schlussfolgerungen für die Risikonahme oder den Risikoabbau einschließlich der Ertragsrisiken und -konzentrationen ergeben, folgen aus den Analysen zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung eher Konsequenzen im Hinblick auf die systemische Vernetzung und die rechtliche Strukturierung.

Relevanz im Rahmen der Abschlussprüfung

Nicht nur für die Bankenaufsicht, auch im Rahmen der Abschlussprüfung sind Geschäftsmodelle von Bedeutung. Zwar ist das Geschäftsmodell eines Kreditinstituts nicht originärer Prüfungsgegenstand im Rahmen der Abschlussprüfung und unterliegt insofern keiner direkten Berichtspflicht durch den Abschlussprüfer, dennoch spielt es bereits bei der Prüfungsplanung eine zentrale Rolle. Der Abschlussprüfer hat sich einerseits Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit des Kreditinstituts zu verschaffen, um wesentliche Risiken zu identifizieren. Andererseits muss er die Annahme der Unternehmensfortführung würdigen. Dabei ist insbesondere eine kritische Analyse der Unternehmensplanung, die auf dem Geschäftsmodell basiert, vorzunehmen und mit der Geschäftsleitung des Kreditinstituts zu erörtern. Auch in der Prüfung der Lageberichterstattung sind die Darstellung des Geschäftsmodells sowie die sich daraus ergebenden zukünftigen Chancen und Risiken von Bedeutung, wobei hier eine eher kürzere Perspektive im Vordergrund steht.

Verstärkt im Fokus der Kreditwirtschaft

Aufgrund der dargestellten Entwicklungen werden Beratungsprojekte zur Geschäftsmodellanalyse, -bewertung und -optimierung insbesondere auch unter regulatorischen Gesichtspunkten zurzeit verstärkt nachgefragt und durchgeführt. Nach dem KPMG-Vorgehensmodell zur Analyse und Bewertung von Geschäftsmodellen lassen sich vier Ebenen unterscheiden:

1) Auf der strategischen Ebene werden die grundlegenden Geschäftsaktivitäten des Kreditinstituts mit seinen Produkten, Märkte, Kunden und Wettbewerber analysiert und die Positionierung hinterfragt. Neben der aktuellen Situation werden stets auch die strategischen Ziele für die Zukunft untersucht.

2) Das Ertragsmodell bildet die zweite Ebene: Welches sind die Ertragstreiber? Sind die Erträge gegenwärtig ausreichend, um auskömmliche Gewinne zu erzielen? Sind sie nachhaltig im Zeitverlauf? Sind die Ertragsquellen hinreichend diversifiziert? Wir robust sind die Erträge, wenn sich zukünftig Rahmenbedingungen verschlechtern oder sogar Stressszenarien eintreten?

3) Als dritte Ebene wird die Kapital- und Liquiditätsausstattung untersucht. Welche Kapital- und Liquiditätsressourcen sind erforderlich, um das Geschäftsmodell erfolgreich betreiben zu können? Ist die Risikotragfähigkeit des Instituts nachhaltig gegeben - ökonomisch und regulatorisch? Ist die Liquiditätsausstattung ausreichend - auch unter ungünstigen Szenarien? Diese Analyse kommt der Risikoanalyse, wie sie schon seit jeher seitens der Bankenaufsicht betrieben wird, am nächsten.

4) Schließlich wird noch das Betriebsmodell analysiert: Hierzu gehört einerseits eine Kosten- beziehungsweise Effizienzanalyse, insbesondere im Hinblick auf Personalkosten, IT-Kosten und sonstige Sachkosten. Zum andern wird die Effektivität der Geschäftsorganisation (Aufbau- und Ablauforganisation), die für das Betreiben des Geschäfts erforderlich ist, untersucht.

Bei der Analyse und Bewertung der Geschäftsmodelle lässt sich zum Teil auf bereits in den Kreditinstituten existierende Instrumente zurückgreifen, indem diese miteinander verknüpft werden: Die bereits bestehende Mittelfristplanung wird um die Planung unter ungünstigen Szenarien ergänzt und so mit der ebenfalls bereits bestehenden Stresstestingsystematik verbunden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können als wesentliche Teile in die Gesamtuntersuchung einfließen.

Gleichlauf der Aktivitäten?

Auf allen vier genannten Ebenen werden die institutionellen und äußeren Rahmenbedingungen, das heißt die gesamtwirtschaftliche Situation, Markt und Wettbewerb sowie die geltenden und zukünftigen gesetzlichen beziehungsweise aufsichtsrechtlichen Anforderungen, innerhalb derer das Kreditinstitut unternehmerisch tätig wird, jeweils einbezogen. Erst unter Einbeziehung der Rahmenbedingungen kann beurteilt werden, ob das Geschäftsmodell nachhaltig und stabil ist, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Die genannte KPMG-Studie hat ergeben, dass sich viele Institute zurzeit verstärkt dem Privat- und Firmenkundengeschäft zuwenden und dafür andere Aktivitäten, wie zum Beispiel Eigenhandel oder Verbriefungen, reduzieren.

Eine besondere Herausforderung für die Bankenaufsicht

Für jedes einzelne Institut mag dies geschäftspolitisch sinnvoll sein, und die Verschiebung der Prioritäten ist nach den Erfahrungen der Finanz- und Bankenkrise auch von der Aufsicht gewünscht. Für den Gesamtmarkt kann durch den Gleichlauf der Aktivitäten der meisten Kreditinstitute aber die Gefahr bestehen, dass die Margen im Privat- und Firmenkundenbereich sinken, weil durch das große Interesse an diesen Geschäftsfeldern in der Bankenindustrie insgesamt größere Kapazitäten aufgebaut werden.

Für die Bankenaufsicht, zu deren Aufgaben neben der Aufsicht der Einzelinstitute und von Teilmärkten auch die makroprudentielle Aufsicht über den Gesamtmarkt und seine systemischen Risiken gehört, besteht in der Gesamtschau auf die Geschäftsmodelle der Banken - insbesondere auch vor dem Hintergrund des zuvor genannten stärkeren Gleichlaufs der strategischen Ausrichtung der Kreditinstitute - eine besondere Herausforderung.

Grundlegende Veränderung des Beratungsmarktes

Die dargestellte Entwicklung zur größeren Bedeutung der Geschäftsmodellanalyse und -optimierung im Zusammenhang mit der Regulierung verändert auch den Beratungsmarkt grundlegend: Heute bringt nur noch die Verbindung fachlicher Kompetenz in der strategischen Neuausrichtung und betriebswirtschaftlichen Optimierung der Institute mit ausgeprägtem Wissen und Erfahrung in der Bankenregulierung den entscheidenden Mehrwert. Regulierungsberatung und Strategieberatung wachsen zusammen.

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