Gespräch des Tages

Genossenschaftsbanken - Strukturfragen - eine ganz persönliche Einschätzung

Über viele Jahre hinweg hat die Redaktion Hans-Joachim Ewald, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Volksbank Jever, früheres Mitglied des Verwaltungsrates beim BVR und heutiger Verbandspräsident des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems e. V, zu aktuellen Themen der genossenschaftlichen Bankengruppe zu Wort kommen lassen, um mit ihm auch spezifische Stimmungslagen an der Basis darzustellen. Vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt im April dieses Jahres äußert er seine "ganz persönliche Meinung" zu Strukturfragen:

"Primärbanken: Die Genossenschaftsbanken haben sich trotz zunehmendem Wettbewerb insbesondere dort gut behaupten können, wo sie es geschafft haben, eine starke Identifikation in und mit ihrer Region herzustellen. Das gilt für alle Bankgrößen. Das gilt sowohl für die kleineren als auch für größere Banken. Wenn sich die Banken in Zukunft, hoffentlich sogar besser als bisher, auf die Unterstützung der zu diesem Zweck von ihnen gegründeten Institute des Finanzverbundes stützen können, habe ich um die Zukunft selbst bei einem noch mal zunehmenden Wettbewerb keine Sorgen. Allerdings werden sich die Primärbanken durchsetzen müssen, in der fortwährenden Auseinandersetzung um die gerechte Zuordnung der 'Erlösströme'.

Theorie und Praxis

Theoretisch sind die Dinge ja ganz einfach: Der Genossenschaftssektor verfügt über das beste und dichteste Vertriebsnetz, über leistungsfähige Institute des Finanzverbundes und müsste demzufolge in der Lage sein, Finanzprodukte zu wesentlich günstigeren Bedingungen anzubieten, als ein Wettbewerber, der über ein solches Vertriebsnetz nicht verfügt. Nur mal angenommen, dass der Vorteil bei 30 Prozent liegt, dann könnten davon sowohl die Kunden als auch die Primärbanken und auch die Verbundinstitute mit je 10 Prozent profitieren. Ein ungeheurer Kundenzulauf wäre die Folge und eine sich selbst nährende unendliche Erfolgsgeschichte aufgrund dieses Preisvorteils am Markt.

So einfach ist die Theorie. Davon sind wir in der Praxis aber wohl ein ganzes Stück entfernt, denn ich sehe weder den Vorteil der Kunden, noch der Primärbanken. Und bei den Verbundinstituten muss man natürlich sehen, dass hier zumindest in der Vergangenheit immer wieder Begehrlichkeiten von der Mutter bestanden und auch die Unterstützung bei deren Sanierung nicht unerheblich war. Nur, das ist ja wohl jetzt vorbei. Insofern müssen die Primärbanken darauf bestehen, dass sie der angesprochenen theoretischen Idealvorstellung ein gutes Stück näher kommen. In diesem Sinne zu integrieren und die Dinge mit Macht zum Erfolg zu bringen, wäre für mich die allerwichtigste Aufgabe des BVR-Präsidenten. Wer Strategieführerschaft beansprucht, muss auch Umsetzungsverantwortung übernehmen und kann diese nicht einfach delegieren, denn die Mittel zur Durchsetzung hat nur er.

Natürlich kann es hier zu Interessenkonflikten kommen zwischen den Interessen der Primärbanken und dem , Wohl des Unternehmens', dem der Aufsichtsratsvorsitzende aktienrechtlich verpflichtet ist. Aber wer anders, als ein von der Basis gewählter neutraler und unvorbelasteter Präsident, kann diese schwierige Balance bewältigen? Und was den Interessenkonflikt angeht: Es ist mit Sicherheit nicht zum , Wohle des Unternehmens', wenn sich die Primärbanken andere Alternativen suchen, statt mit den Verbundunternehmen zusammenzuarbeiten, andere Alternativen suchen, weil sie in der Durchsetzung ihrer Interessen einfach nicht weiterkommen. Im Gegenteil, das würde den Verbundunternehmen langfristig die Geschäftsbasis entziehen.

In der genossenschaftlichen Diskussion taucht ja immer wieder mal die Angst vor einer Konzernstruktur auf. Ich habe in diesem Sinne keine Befürchtungen, weil ich glaube, die Basis richtig einschätzen zu können. Die wird sich im Zweifel lieber aus dem Verbund verabschieden, als sich einer zentralen Kommandostruktur unterstellen. Die Basis weiß nämlich sehr genau, dass eine solche Struktur nicht in der Lage wäre, den Auftrag zu erfüllen, den uns die Gründungsväter ins Stammbuch geschrieben haben und der von den Basisbanken ernst genommen wird. Diese werden immer für sich Alternativen erkennen und realisieren, denn sie sind in einer klaren Mission unterwegs, nämlich sich für die wirtschaftliche Förderung der Menschen in ihren Regionen zu engagieren. Die regionale Entwicklung, wird gerade in einem Europa der Regionen eine immer wichtigere Aufgabe. Dafür sind Konzerne aber völlig ungeeignet. Diese interessieren sich natürlich auch für die Regionen, aber eben nur im Interesse einer für sie optimalen Marktausschöpfung.

Zentralbanken: Der Grundsatz gilt, dass wir uns im Verbund Doppelarbeit und damit doppelte Kosten nicht leisten können. Aber wenn es (noch) keine übereinstimmende Firmenkultur gibt, dann sollte man lieber noch getrennte Wege gehen. Allerdings natürlich mit dem gleichen Ziel, nämlich den Primärbanken ein starker Partner zu sein, damit diese sich im zunehmenden Wettbewerb behaupten können. Für mich sind die Zentralbanken nach wie vor kein Selbstzweck, sondern haben eine eindeutige subsidiäre Funktion. In diesem Sinne ist für mich eine Zentralbank auch kein genossenschaftliches Spitzeninstitut, sondern ein erstklassiges (Spit-zen-)Werkzeug in der Hand der Primärbanken. Um sich dieses Werkzeug aufzubauen, haben sich die Primärbanken schließlich zusammengetan.

Unterschiedliche Firmenkulturen

Ein Grund für unterschiedliche Firmenkulturen liegt nach meiner Überzeugung darin begründet, dass die heutige DZ-Bank in ihrer Entstehung ja nicht das Ergebnis langfristiger strategischer Planung ist, sondern auch eine aus vielen Notfällen entstandene Einrichtung. Zum Glück ist sie durch die konsequente Sanierungsarbeit eines genossenschaftlichen Urgesteins wie Ulrich Brixner, offenbar endlich wieder eine gesunde Einrichtung. Die von außen gekommenen Manager, die sie heute führen, werden (wenn nicht schon geschehen) nach meiner Auffassung die Chancen noch erkennen, die unsere auf partnerschaftliche Kooperation ausgerichtete genossenschaftliche Organisation im Verhältnis zu einer zentralen Kommandostruktur bietet. Dazu muss man nicht die Muskeln spielen lassen.

Wenn die Basis derzeit für eine Fusion des Ganzen nicht gegeben ist, dann fehlt sie doch auch für die Zusammenfügung der einzelnen Teile. Ich kann die Enttäuschung über die gescheiterte Fusion, die ja wahrscheinlich auf beiden Seiten vorhanden ist, sehr gut verstehen. Aber mit ein wenig Abstand muss man doch erkennen, dass die Fortsetzung einer öffentlichen Auseinandersetzung nur schadet. Für das offenbar über Nacht wieder gestörte Vertrauen gibt es ja Ursachen, und denen sollte man auf den Grund gehen. Wenn es so ist, dass diese Fusion an einer Indiskretion gescheitert ist, dann dürfte es nicht allzu schwer fallen, den Verantwortlichen dafür auszumachen. Aber wer ist in dieser Sache unterwegs? Mir scheint, die Pressehoheit liegt in diesem Falle bei dem im Umgang mit Medien zugegeben sehr geschickten BVR-Präsidenten selbst, obwohl er doch in dieser Sache ein Betroffener ist. Funktioniert hier die Überwachung durch den Verwaltungsrat des BVR? Ich empfinde die Aktion des Verwaltungsratsvorsitzenden, unabhängig davon wie man in der Sache selbst dazu steht, von der Art her völlig kontraproduktiv in Bezug auf die notwendige Vertrauensbildung.

Viel Gelassenheit gefragt

Die Frage ist, ob man das entstandene Misstrauen in der jetzigen Aufstellung wieder kitten kann. Ich habe meine Zweifel, denn in dieser Sache kann der doch sehr stark eingebundene BVR-Präsident offenbar frei schalten und walten. Anscheinend ist niemand da, der bereit ist, ihm die Stirn zu bieten und ihn daran zu erinnern, dass es nicht gerade von Integrationskraft zeugt, wenn er es auch in seiner zweiten Amtsperiode nicht geschafft hat, als neutraler Sachwalter im ganzen Lande zu gelten (NRW ist immerhin das größte Bundesland! ). Eines möchte ich in dem Zusammenhang klar in Erinnerung rufen: Unsere Organisation hat sich vor 15 Jahren mächtig dagegen gewehrt, um ein damals angestrebtes Doppelamt BVR/DG-Bank zu verhindern. Heute haben wir ein solches Amt! Zwar nicht formal, aber offenbar von vielen Banken , gefühlt', was mit der früheren Tätigkeit des jetzigen Präsidenten in der DG-Bank zu tun hat und wohl auch damit, dass er sich gerne als oberster Bankenvertreter unserer Gruppe auf einer Ebene mit den Topmanagern der Großbanken darstellt, was doch eigentlich eine Sache der Zentralbankchefs sein sollte. Ich empfehle der Organisation gleichwohl auf jeden Fall viel Gelassenheit. Wir haben schließlich heute zwei gesunde Zentralkassen, und es geht nicht um einen neuen Sanierungsfall. Wir können doch auch mit zwei Zentralbanken gut leben. Fahren wir so schlecht damit, dass wir neben der DG Hyp auch eine Münchener Hypothekenbank und eine WL Bank haben? Ist es nicht manchmal auch ganz gut, eine Alternative zu haben?

Verbände: Meine Grundauffassung hat sich nicht geändert, dass nämlich die Größe eines Verbandes nichts über die Leistungsfähigkeit für seine Mitglieder aussagt. Wichtig ist, dass die Verbände auf nationaler Ebene durch intensive Zusammenarbeit Doppelarbeiten und Mehrfachentwicklungen vermeiden und sich gegenseitig in ihrem Dienstleistungsauftrag gegenüber den Genossenschaften unterstützen. Wir plädieren unverändert für eine dezentrale Aufstellung, man muss ja auch sehen, dass die Verbände als Dienstleister unterwegs sind in Prüfung, Beratung und Betreuung und dass sie mit privaten Anbietern konkurrieren, die sich heute längst dezentral, also kundennah aufgestellt haben.

Auf die Leistung, nicht auf die Größe kommt es dabei an, und da sehen wir uns in Weser-Ems durch unseren Weg bestätigt. Die Selbstständigkeit ist für uns, solange uns keine besseren Möglichkeiten nachgewiesen werden, immer noch die beste Alternative auch um das derzeit vorhandene starke Interesse an neuen Genossenschaften in der Region zu unterstützen. Denn die genossenschaftliche Idee lebt. Das beweist nicht nur Professor Yunus mit dem ihm verliehenen Friedensnobelpreis. Wenn es den schon vor 160 Jahren gegeben hätte, dann hätten unsere Gründungsväter ihn verdient gehabt. Insofern bin ich dankbar für das Engagement des DGRV, der als unser genossenschaftlicher Spitzenverband dafür sorgt, dieses großartige deutsche Gedankengut in der Welt zu verbreiten."

Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion eingefügt.

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