Leitartikel

Fulminantes Comeback

Die deutsche Investmentbranche blickt auf eines der erfolgreichsten
Jahre ihrer rund 50-jährigen Geschichte zurück. Das Berichtsjahr 2005
konnte mit vielen Rekorden aufwarten, und für die Spezialfonds brachte
es die erhoffte Trendwende. Nach dem enttäuschenden Ergebnis in 2004
konnte das Anlagevehikel institutioneller Anleger wieder an die
erfolgreichen Jahre 2001 und 2002 anschließen. So betrug das
Mittelaufkommen mit insgesamt 35,317 Milliarden Euro mehr als das
Sechsfache des Vorjahres. Den deutlichsten Zuwachs wiesen dabei die
Wertpapierfonds auf: Die gemischten Wertpapierfonds konnten gemäß
Bundesbank-Statistik Zuflüsse in Höhe von 16,266 Milliarden Euro
verzeichnen, während es im Vorjahr 5,346 Milliarden Euro waren. In die
2004 noch von Mittelabflüssen geplagten Rentenfonds flossen im
vergangenen Jahr 5,099 Milliarden Euro, und das Mittelaufkommen bei
den Aktienfonds betrug 4,741 Milliarden Euro. Ebenfalls erfolgreich
waren gemischte Fonds, die 6,447 Milliarden Euro einsammeln konnten,
während es im Vorjahr lediglich 801 Millionen Euro gewesen waren.
Einzig aus den Geldmarktfonds wurden Mittel in Höhe von 202 Millionen
Euro abgezogen.
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Durch das hohe Mittelaufkommen und die positive Entwicklung an den
Finanzmärkten wuchs das gesamte Fondsvermögen der Spezialfonds um 13
Prozent auf 623,648 Milliarden Euro per Jahresultimo 2005. Den
bedeutendsten Anteil hieran haben gemäß Bundesbank-Statistik mit
341,019 (Vorjahr: 322,540) Milliarden Euro die gemischten
Wertpapierfonds, gefolgt von den Rentenfonds mit 159,335 (155,316)
Milliarden Euro und den Aktienfonds mit 67,741 (53,821) Milliarden
Euro. Die viertgrößte Spezialfonds-Kategorie bilden nunmehr die
gemischten Fonds, die per Ende 2005 über ein Fondsvermögen von 34,169
Milliarden Euro verfügten, während es 2004 nur 1,475 Milliarden Euro
waren. Das Jahr 2006 scheint nahtlos an die Erfolge des vergangenen
Jahres anknüpfen zu wollen. Das Mittelaufkommen betrug in den ersten
fünf Monaten bereits 19,012 Milliarden Euro, und das Fondsvermögen
wuchs bis Ende Mai dieses Jahres um knapp 13 Milliarden Euro auf
636,199 Milliarden Euro an. Rückläufig ist allerdings weiterhin die
Anzahl der Spezialfonds, die sich von 4 914 (Ende 2004) über 4 659
(Ende 2005) auf 4 533 (Ende Mai 2006) verminderte.
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In den beiden vergangenen Jahren bewegten neben Contractual Trust
Agreements, Asset-Liability-Management sowie taktischer und
strategischer Asset-Allocation insbesondere die Themen internationale
Rechnungslegungsvorschriften, Master-KAG und Hedgefonds die Branche.
Manche Auguren sahen bereits das nahende Ende des deutschen
Erfolgsmodells für die Kapitalanlage von institutionellen Investoren
und prophezeiten ein schnelles Wachstum alternativer Investments und
eine rasche Dekomposition der Wertschöpfungskette der
Kapitalanlagegesellschaften. Mittlerweile sind diese Themen allerdings
in den Hintergrund getreten - die großen Umbrüche sind ausgeblieben.
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So haben offensichtlich die seit 1. Januar 2005 für
konsolidierungspflichtige, kapitalmarktorientierte Unternehmen
anzuwendenden internationalen Rechnungslegungsvorschriften die
Attraktivität der Spezialfonds keineswegs beeinträchtigt, wie viele
Marktbeobachter es befürchtet hatten. Und um gleichsam die
Kapitalanlagegesellschaften und die institutionellen Anleger ein Jahr
nach Inkrafttreten der neuen Bilanzierungsvorschriften zusätzlich zu
beruhigen, widmet der BVI in seinem jüngsten Jahresbericht dem Thema
ein eigenes Kapital. Der Tenor lautet selbstverständlich, dass auch
für Anleger, die den genannten Bilanzierungspflichten unterliegen, der
Spezialfonds nach wie vor ein interessantes Anlagemedium bleibt. Für
die Besteuerung etwa - so führt der BVI aus - gelten nicht die
internationalen Rechnungslegungsvorschriften, sondern die Regelungen
des Investmentsteuergesetzes, wonach für die Zurechnung der Erträge
der Zeitpunkt der Fassung des Ausschüttungsbeschlusses maßgeblich ist.
Darüber hinaus sind Beteiligungen an Spezialfonds mit einer Quote
unter 50 Prozent in der Regel in einer Konzernbilanz ebenso wenig zu
konsolidieren wie mit einem Spezialfonds unterlegte betriebliche
Altersvorsorge-Konzepte, etwa in Form eines Contractual Trust
Agreements.
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Die Kapitalanlagegesellschaften - dieser Tatsache ist sich der BVI
gleichwohl bewusst - stellen die internationalen
Rechnungslegungsvorschriften allerdings vor große Herausforderungen.
Der Fondsmanager muss sich zukünftig mehr denn je nicht nur um die
Performance kümmern, sondern die direkten Auswirkungen seiner
Transaktionen auf die Ertrags- und Finanzlage des IFRS-pflichtigen
Investoren berücksichtigen. Ein individuelles IFRS-Fonds-Reporting ist
ohnehin Pflicht für die Kapitalanlagegesellschaft. Wenn
institutionelle Investoren allerdings das Produkt Spezialfonds meiden
wollen, so der Trost des BVI, bleiben den Kapitalanlagegesellschaften
immer noch die institutional shares als Alternative. Bei einigen
Fondsgesellschaften konnte diese institutionelle Anteilsklasse von
Publikumsfonds bereits einen erheblichen Anteil des Neugeschäfts auf
sich ziehen.
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Um das zweite Thema ist es ebenfalls ruhiger geworden. Die
Goldgräberstimmung beim Konstrukt Master-KAG scheint einer gewissen
Ernüchterung gewichen zu sein. In der jüngsten Vergangenheit hat sogar
eine Marktkonsolidierung eingesetzt, und mit JP Morgan und BHW Invest
haben bereits zwei kleinere Anbieter den Markt verlassen. Durch die
hohen Anforderungen an die Master-KAG liegt die kritische Masse für
die Rentabilität einer solchen Administrationsplattform mit etwa 10
Milliarden Euro relativ hoch. Hiernach wären derzeit nur sieben der
insgesamt 15 am Markt operierenden Anbieter profitabel. Ein
Auslaufmodell ist die Master-KAG damit allerdings noch lange nicht. Es
reicht jedoch nicht aus, lediglich Reporting-Dienste im herkömmlichen
Sinne anzubieten. Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und
berufsständische Versorgungswerke erwarten zukünftig vielmehr
Full-Service-Provider, die über die reinen Verwaltungsfunktionen mit
umfassendem Reporting und detaillierter Depotführung hinaus ein
Asset-Liability-Management anbieten und im Idealfall sogar umfänglich
das Management und die Abwicklung der Direktbestände - Renten- und
Aktienpapiere, Schuldscheindarlehen, Namensschuldverschreibungen,
Namensaktien oder Inhabertitel sowie gegebenenfalls sogar alternative
Investments - übernehmen. Die hierzu notwendigen Investitionen in die
EDV und in die Mitarbeiter sind enorm. Diesen stehen allerdings
ansehnliche Synergieeffekte und Kostenvorteile gegenüber.
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Beim dritten Themenkomplex haben sich die Markterwartungen ebenfalls
nicht erfüllt. Während alternativen Investments, insbesondere den
Hedgefonds, anfangs ein kometenhafter Aufstieg prophezeit wurde, fällt
das Urteil inzwischen sehr nüchtern aus. Aus den erhofften
zweistelligen Milliardensummen ist zunächst nichts geworden.
Offensichtlich tut sich die Branche mit den neuen Produkten noch
schwer. Begehrlich blicken die Fondsmanager somit immer wieder über
den großen Teich, fasziniert von den Renditen, die etwa die Stiftungen
der US-amerikanischen Universitäten Yale, Harvard oder Stanford vor
allem mit Hilfe alternativer Investments jährlich erzielen. Harvard
beispielsweise gelang 2005 eine Wertsteigerung von 19,2 Prozent,
Stanford fuhr eine Rendite von 19,5 Prozent ein, und Yale erzielte gar
22,3 Prozent. Glänzende Augen bekommen deutsche Fondsmanager auch
angesichts einer durchschnittlichen Rendite von 17 Prozent, die die
Yale-Stiftung in den vergangenen zehn Jahren erwirtschaften konnte.
Dabei sind über 65 Prozent ihres Vermögens in alternativen Investments
angelegt, also etwa Hedgefonds, Private Equity sowie Rohstoffe und
Immobilien. Lediglich 5 Prozent entfallen auf Rentenpapiere.
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In Deutschland hingegen sind bei Stiftungen rund 60 Prozent in
Rententitel investiert. Mit den neuen Möglichkeiten des
Investmentgesetzes - Investments in gängige Rohstoffindizes etwa
wurden den Spezialfonds erst im Mai dieses Jahres gestattet - muss
sich die Branche hierzulande nach wie vor anfreunden. Institutionelle
Anleger, Kapitalanlagegesellschaften, Depotbanken, aber auch die
Aufsicht müssen die Bedeutung der neuen Assetklassen verstehen und
Organisationen schaffen, um sie richtig einsetzen und beherrschen zu
können. Die zögerliche Haltung gegenüber alternativen Investments ist
daneben auch auf interne Anlagevorschriften der Investoren
zurückzuführen, die erst sukzessive angepasst werden. Darüber hinaus
verlangen die Derivateverordnung und die Mindestanforderungen an das
Risikomanagement eine fortlaufende Erfassung, Messung und Steuerung
der Risiken des Sondervermögens mit Hilfe fortgeschrittener Techniken.
Die hierzu notwendige IT-Infrastruktur mit umfangreichem Datenbestand
ist sehr kostspielig, und es bedarf spezialisierter Mitarbeiter, die
damit umgehen können.
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Das Hedgefonds-Engagement institutioneller Investoren ist somit
derzeit noch gering, allerdings mit steigender Tendenz. Aktuell liegt
der Anteil alternativer Investments an den gesamten Kapitalanlagen
institutioneller Investoren im mittleren einstelligen Prozentbereich.
Die mit Hilfe alternativer Investments erzielbaren Renditezuwächse
sind jedoch auch dringend notwendig, um die immer größer werdende
Lücke zwischen den eingegangenen Zahlungsverpflichtungen und den
Einnahmen zu schließen. Um dies zu erreichen - ein Thema, das derzeit
sowohl institutionelle Anleger als auch Asset-Manager geradezu
elektrisiert -, empfiehlt sich die Strategie des "Portable Alpha". Für
die einen handelt es sich hierbei um die seit langem ersehnte Lösung
von Perfor-mance-Problemen, für die anderen ist es schlicht eine neue
Herausforderung an Kompetenz und Können. Im Grunde verbirgt sich
hinter dem Begriff eine einfache Idee, nämlich die Trennung von Beta,
dem systematischen Marktrisiko, und Alpha, dem Können des
Asset-Managers. In einem zweiten Schritt wird dieses Alpha auf jedes
beliebige Beta-Portfolio übertragen.
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So einfach sich dieses Konzept anhört, so schwierig ist - wie so
häufig - die Umsetzung in der Praxis. Eine erste Hürde stellt bereits
die Identifizierung von reinen Alphaquellen dar. Welche marktneutralen
Strategien gewährleisten schon jederzeit positive Erträge? Eine
Möglichkeit stellen die Hedgefonds dar, denen zahlreiche Investoren
allerdings nach wie vor mit einer gewissen Abneigung gegenüberstehen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, ein Mandat an einen "Long
Only"-Manager zu vergeben, der erwiesenermaßen die Fähigkeit besitzt,
Alpha zu generieren, und das eingegangene Marktrisiko anschließend
durch Derivate zu eliminieren. Allerdings ist man hierbei auf eine
einzige Strategie beschränkt. Des Weiteren können auch mehrere
Alpha-Manager ausgewählt werden, beispielsweise Spezialisten für
japanische Small Caps, amerikanische High-Yield-Renten und europäische
Large Caps. Hierdurch erhöhen sich jedoch Risiko und Komplexität sowie
dementsprechend die Anforderungen an die Infrastruktur. Als Lösung
bieten sich standardisierte Produkte an, wie sie bereits von breit
aufgestellten Alpha-Managern angeboten werden. Das Portable Alpha
stellt somit ein insgesamt interessantes Konzept dar, dessen
Praxistauglichkeit sich jedoch erst noch erweisen muss. K.D.

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