Aufsätze

Finanzmarktkrise: Liquiditäts- und Vertrauenskrise

Stand früher der Gewinn für den Aktionär der Bank, der Shareholder Value, im Mittelpunkt, hat die Finanzmarktkrise die Aufmerksamkeit auf das Anlegervertrauen, die Voraussetzung für die Funktionstüchtigkeit des Bankensystems für die Wirtschaft, gelenkt. Wurde im Angelsächsischen die Banking Industry als "just another industry" als Dienstleistungsunternehmen neben die Autoindustrie, Pharmaindustrie und andere gestellt und den gleichen Bedingungen ausgesetzt, attraktiv für den Aktionär zu sein, zeigte die Krise oder das Nichtfunktionieren der Finanzmärkte die Unterschiedlichkeit und Einzigartigkeit der Banken im Wirtschaftssystem auf.

Anleger versus Aktionär

Bei großen Bilanzsummen und Eigenkapitalanteilen von zwei bis drei Prozent ist die Refinanzierung, also das Vertrauen der Anleger, Geschäftsgrundlage. Bei Verlusten der Banken sieht sich der Anleger schnell selber betroffen und zieht daher auch schnell seine Einlagen ab. Wenn dies im großen Umfang passiert, ist die Existenzfrage für die Bank gestellt. Für den Anleger steht die Sicherheit seiner Anlagen stets an erster Stelle, während der Aktionär als Besitzer eines Risikopapiers eine möglichst hohe Rendite erwartet.

Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass Banken hohe Risiken genommen haben, um den Aktionär kurzfristig zufriedenzustellen. Beim Anleger hat dies zu Vertrauensverlusten geführt, was den Abzug von Einlagen zur Folge hatte. Ohne Einlagen, das heißt ohne Refinanzierung, ist Kreditvergabe nicht möglich. Daher ist die Wiedergewinnung des Anlegervertrauens allen Einzelmaßnahmen übergeordnet, um die Refinanzierung der Kreditvorhaben nachhaltig zu sichern.

Das Nichtfunktionieren des Bankensystems ist verursacht durch die Vertrauenskrise der Anleger. Der erste Fall, mit dem die Finanzmarktkrise in Deutschland begann, war die IKB. Innerhalb von zehn Tagen wurde zwischen dem 20. und dem 30. Juli 2007 die Reputation einer konservativen mittelstandsfinanzierenden Bank in kürzester Zeit völlig zerstört. Der Vertrauensverlust mit sofortigem Austrocknen der Refinanzierung und anschließender Insolvenz konnte nur durch die Intervention der KfW als größtem Aktionär vermieden werden.

Der zweite Fall war die Sachsen-LB. Die Spezialfinanzierungsgesellschaft in Irland namens Ormond Quay hatte in einem Volumen von 17 Milliarden Euro langlaufende ABS-Anleihen mit in der Regel bester Bonität gekauft und kurzfristig durch ABS-Commercial Paper refinanziert. Unter den ABS-Anleihen befanden sich allerdings auch solche, die US-Immobilienkredite (Subprime) enthielten und die durch den Preisrückgang des US-Immobilienmarktes notleidend geworden waren. Die Folge: Die Käufer der ABS-Commercial Paper verloren das Vertrauen in die Solvabilität der Gesellschaft, die Refinanzierung brach in kurzer Zeit zusammen. Weder war die Sachsen-LB mit einer Bilanzsumme von 60 Milliarden Euro in der Lage, die fehlende Liquidität zur Verfügung zu stellen, noch konnten die weitgehend illiquiden Anleihen verkauft werden. Die Kursabschläge wären so stark gewesen, dass die Sachsen-LB, die eine Zuschussverpflichtung gegenüber der Gesellschaft hatte, diese Verluste nicht hätte verkraften können.

Folgen des Vertrauensverlustes

Der Vertrauensverlust der Anleger in die Zweckgesellschaft übertrug sich insoweit auf die Sachsen-LB, dass die Refinanzierungsquellen der Bank sukzessive versiegten. Kreditneugeschäft war nicht mehr möglich, und selbst bestehende Kredite konnten nicht mehr ohne Hilfe finanziert werden.

Weitere Beispiele, in denen der Entzug des Anlegervertrauens Institute vor die Existenzfrage stellte, waren der spektakuläre Fall der britischen Immobilienbank Northern Rock sowie der Zusammenbruch der Investmentbank Bear Stearns. Trotz eines Liquiditätspuffers von immerhin 28 Milliarden US-Dollar (Stand Montag, 16. März 2008) konnte der blitzartige Abzug von Liquidität nicht aufgefangen werden. Nur durch die Hilfe des US-Finanzministeriums konnte ein Notverkauf an J. P. Morgan Chase innerhalb von 24 Stunden den Zusammenbruch des 400 Milliarden US-Dol-lar-Instituts abwenden.

Die Intervention des amerikanischen Staates ließ langsam wieder Vertrauen entstehen, dass systemrelevante Banken in jedem Fall gerettet würden. Dies sollte sich im Falle Lehman als eine das Vertrauen restlos zerstörende Fehleinschätzung herausstellen. In den kritischen Tagen vor dem 15. September war der Verlust des Vertrauens in Lehman und dann in Investmentbanken überhaupt wieder der Auslöser für das Abziehen von Liquidität. Die nicht erfolgte Rettung Lehmans durch den Staat brachte das globale Finanzsystem an den Rand des Kollabierens. Nur einen Tag später musste AIG mit 85 Milliarden US-Dollar vom Staat gestützt werden.

Stabilisierende Staatseingriffe

Im Kontext des IMF-Meetings in Washington verpflichteten sich die relevanten Staaten, ihre jeweiligen systemrelevanten Banken zu stützen. In Deutschland wurde das SoFFin-Gesetz in kürzester Zeit verabschiedet. Privatanleger wurden schon vorher mit einer umfassenden Garantieaussage der Kanzlerin beruhigt. Das Vertrauen institutioneller und privater Anleger in die Banken war so vollständig verloren, dass nur noch der Staat die Refinanzierungssituation stabilisieren konnte. War der Staat zu klein im Vergleich zu seinen Banken, wie im Falle Island, brachen die Banken zusammen, da internationale Refinanzierung nicht mehr zur Verfügung stand. Aber auch Irland und die Schweiz wurden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit für die in dieser Situation zu groß dimensionierten Banken geführt.

Betroffen waren insbesondere solche Banken, die über geringe Privatkundeneinlagen verfügten und sich im Geld- und Kapitalmarkt bei Finanzinstituten refinanzieren mussten. Wer in einer solchen Krisensituation auch noch Fristentransformation betrieben hatte, musste sich, wie die Hypo Real Estate, im großen Umfang vom Staat refinanzieren lassen. Dadurch wurde deutlich, dass der Verlust des Anlegervertrauens die für die Banken katastrophale Liquiditätskrise heraufbeschworen hat, die nur noch durch das Eingreifen des Staates entschärft werden konnte. Der Vertrauensverlust der Anleger wirkte sich im global verzahnten Bankenmarkt auf Liquidität und Refinanzierungssituation wie folgt aus:

1. Unbesicherte Wertpapiere von Banken konnten über viele Monate überhaupt nicht verkauft werden.

2. Banken mit großen Beständen in nicht zu beurteilenden strukturierten Wertpapieren wurden als bonitätskritisch angesehen und erhielten nur reduzierte Finanzierungsmöglichkeiten im Geldmarkt.

3. Das systemische Nichtfunktionieren des Geldmarktes veranlasste die Banken - auch unter dem Druck von Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen - Liquidität in einem großen Umfang vorzuhalten. Damit kam der Austausch von einlagenstarken Instituten und solchen, die auf den Markt angewiesen waren, praktisch zum Erliegen und führte in Folge zur Verknappung von Krediten aus Liquiditätsgründen.

4. Die Fristentransformationspolitik mancher Banken im Vertrauen auf die stete Ergiebigkeit des Geldmarktes führte zu Liquiditätsproblemen. Die Neukreditvergabe musste in der Folge gestoppt werden und für Altengagements waren in manchen Fällen zur Refinanzierung Staatsgarantien notwendig, um es nicht zu einer Insolvenz kommen zu lassen.

5. Die Hilfe der Notenbanken, um den kollabierenden Geldmarkt aufzufangen, konnte nur beansprucht werden, soweit notenbankfähige Sicherheiten vorhanden waren. Auch eine bonitätsmäßige Erweiterung des Sicherheitenrahmens konnte den vom Geldmarkt verursachten Refinanzierungsengpass nur teilweise beseitigen.

6. Die Liquiditätsverknappung bei den Banken veranlasste Unternehmen, ihre Vorratslinien zu ziehen. Waren Banken zwar darauf eingestellt, für einzelne Unternehmen Liquidität bereitzustellen, bedeutete eine systemische plötzliche Nutzung von vielen Linien bei nichtfunktionierenden Finanzmärkten eine Dimension, auf die Banken nicht vorbereitet waren, und die zusätzlich zur Liquiditätsverknappung führte.

7. Aus globalen Märkten wurden wieder nationale Märkte, wodurch sich die Zahl von Investoren und Anlegern stark verminderte. Da den Ratingagenturen in ihrer Bonitätseinschätzung nicht zu trauen war, wurden Emissions- und Geldmarktadressen selbst bester Bonität gemieden, je unbekannter und weiter entfernt gelegen sie waren.

8. Auf dem Höhepunkt der Krise, als selbst Staaten wegen ihrer Rettungsaktionen kritisch gesehen wurden, konnten besicherte Anleihen mittlerer und längerer Laufzeit und selbst bester Bonität, wie beispielsweise Pfandbriefe, keine Käufer finden. Damit konnten langfristige Projekte wie Gewerbeimmobilien in einem größeren Volumen nicht mehr finanziert werden.

Das mangelnde Vertrauen in die Banken traf diese in ihren Möglichkeiten, Kredite zu vergeben, in zweifacher Hinsicht: Soweit die Institute nicht über Privatkundeneinlagen verfügten, fehlten Refinanzierungsmöglichkeiten. Zudem erlitten Wertpapiere in der Bilanz erhebliche Kursverluste wegen des Nichtfunktionierens der Märkte. Das betraf nicht nur strukturierte Wertpapiere, sondern auch Anleihen von Banken, Unternehmen und Staaten sowie Pfandbriefe. Die Verluste verminderten das Eigenkapital, wodurch Kreditvergabe und Risikotragfähigkeit weiter beeinträchtigt wurden.

Liquide und illiquide Produkte

Risiken, mit denen Banken seit ihrer Entstehung zu kämpfen hatten, waren Kreditausfallrisiken. Mit diesen hatten sie seit weit über hundert Jahren umzugehen gelernt. Relativ neueren Datums sind Marktrisiken. Erst nach dem Ende von Bretton Woods (1971) und des Floatens des US-Dollar (1973) kamen Währungsrisiken auf, denen dann 1974 das Bankhaus I. W. Herstatt zum Opfer fiel. Die damit einhergehende Volatilität der Geldmarktsätze, die Entstehung der Swap-Märkte und der Anleihemärkte, führten zu Zinsrisiken, denen Banken ausgesetzt waren. Kreditspreadrisiken wurden im Zusammenhang mit dem Beinahezusammenbruch des 130 Milliarden US-Dollar LTCM-Fonds (bei fünf Milliarden US-Dollar Eigenkapital) erstmals 1998 als gravierend wahrgenommen.

Die Finanzmarktkrise ist im Wesentlichen durch die Kurseinbrüche von strukturierten Wertpapieren geprägt. Die Marktrisiken insgesamt sind aus Sicht der Banken im vorhinein häufig schwer zu erfassen und in ihrem Ausmaß kaum vorhersehbar. Die größte Problematik liegt in der mangelnden Reaktionsmöglichkeit bei außergewöhnlichen Marktpreisbewegungen. Waren die meisten ABS-Wertpapiere schon bei Erstemission praktisch illiquide, da sie nur an wenige Investoren platziert wurden, gab es erst recht keine Käufer, als erste ausgefallene Immobilienkredite in den USA die entsprechenden ABS-Wertpapiere unter Generalverdacht brachten.

Spezialfinanzierungsgesellschaften, deren kurzfristige Refinanzierung austrocknete, vergrößerten das Angebot in einem nicht aufnahmefähigen Markt. Abgeleitete Preisindikationen von Investmentbanken, die zum Ziel hatten, keinen Umsatz zustande kommen zu lassen, bestimmten die Bewertungsansätze in vielen Bankbilanzen. Eine Reaktionsmöglichkeit durch Verkäufe war in der Regel nicht gegeben und weiterem Preisverfall musste tatenlos zugesehen werden. Die Finanzmarktkrise mit nicht funktionierenden Märkten war sicher eine Extremsituation, aber sie machte deutlich, dass die Wirkungen von Marktpreisbewegungen auf Bankbilanzen einer Regelung bedürfen, um das Einlagen- und Kreditgeschäft mit seinen realwirtschaftlichen Auswirkungen nicht zu gefährden.

Notwendige Neuregelungen

Im Kern ist das Bankenmanagement wieder in die Lage zu versetzen, die eigenen Risiken selbst managen zu können. Dazu gehört die Voraussetzung, die mit Marktpreisen bewerteten Produkte auch in Stresssituationen tatsächlich verkaufen zu können. Stellt man diese selbstverständlich scheinende Forderung, bedeutet dies eine strikte Trennung zwischen mit Marktpreisen zu bewertenden liquiden Produkten und allen anderen, ob illiquiden Wertpapieren oder Krediten, die herkömmlich nach dem Ausfallrisiko zu bewerten sind. Strikte Regeln, die liquide Märkte beschreiben, wären die Voraussetzung, überhaupt Marktpreisbewertungen anwenden zu dürfen. Börsen könnten helfen, solche Bedingungen festzulegen.

In der Konsequenz wäre dann nur ein relativ kleiner Teil der Produkte dem Marktpreisänderungsrisiko unterworfen, und die Reaktionsfähigkeit des Managements, durch echten Verkauf Verluste abzuschneiden, wäre gegeben. Das bedeutete allerdings einen Paradigmenwechsel in der gegenwärtigen Bilanzierungspraxis, selbst nach den jüngsten Vereinfachungsmaßnahmen in der IFRS-Rechnungslegung. Bisher wurde der Marktpreisbewertung Priorität gegeben ohne Rücksicht auf tatsächlich funktionierende Märkte. In Zukunft sollte der traditionellen Kreditbewertung nach dem Ausfallrisiko wieder Vorrang eingeräumt werden. Ferner wäre zu überlegen, das für Marktrisiken vorgesehene haftende Eigenkapital zu separieren, um ein Übergreifen von nicht vorhersehbaren Marktverlusten auf die Kreditvergabefähigkeit der Banken zu vermeiden.

Transparenz in der Risikoerfassung

Die strukturierten Produkte, in die in vielfältiger Form Einzelkredite in Wertpapiere verpackt sind, stehen im Zentrum der globalen Finanzmarktkrise, also dem Nichtfunktionieren der Finanzmärkte. Es wurde oben bereits gezeigt, dass in der Regel kein Handel in diesen Papieren stattfand und es wegen der US-Immobilienmarktkrise zu drastischen Kursverlusten und einem Überangebot an solchen Papieren kam. Es konnte häufig kein Preisniveau gefunden werden, zu dem überhaupt Umsätze erfolgen konnten.

Deutlich wurde dies bei ersten Auktionen von Portfolien strukturierter Wertpapiere im September 2007. Es kam vor, dass es bei einem fünf Milliarden US-Dollar Portfolio nur zwei Gebote gab, eines für 2,5 Milliarden US-Dollar und eines für 3,5 Milliarden US-Dollar. Dies lag auch daran, dass keine ausreichenden Daten für eine eigene Einschätzung der zugrunde liegenden Einzelkredite existierten, und deswegen Gebote kaum möglich waren.

Erst vom dritten Quartal 2007 an wurden von amerikanischen Investmentbanken erste Teams zusammengestellt, um für Immobilienkredite Daten wie Einkommen von Kreditnehmern, Arbeitslosigkeit, Hauspreisabwicklung und anderes in den verschiedenen Einzelstaaten der USA zu ermitteln. Eine andere Möglichkeit, um bei stark veränderten Rahmenbedingungen die zugrunde liegenden Einzelkredite der strukturierten Wertpapiere beurteilen zu können, gab es nicht.

In der Vergangenheit hatten Investoren ihre Käufe im Wesentlichen auf die Ratings der drei großen Agenturen abgestellt. Wichtig zu wissen ist, dass die Agenturen nur eine zeitpunktbezogene Bonitätseinschätzung machten, die bei immobilienbasierten strukturierten Wertpapieren ausschließlich auf den Wert der Immobilien und nicht auf die Einkommenssituation der Kreditnehmer abstellte. Die Verlässlichkeit der Ratingagenturen war dann bei Ratingänderungen um mehrere Stufen in kurzer Zeitfolge nicht mehr gegeben.

Aus in Wertpapiere verpackten Krediten wurden keine am Markt gehandelten Wertpapiere, sondern es blieben Kredite trotz des juristischen Wertpapiermantels. Somit müssen zur Bonitätsbeurteilung Bewertungsverfahren für Kredite herangezogen werden. Banken verfügen über entsprechende Kapazitäten, um Unternehmens-, Immobilien- und Konsumentenkredite jeder Größenordnung beurteilen zu können.

Da strukturierte Wertpapiere in der Regel in Einzeltransaktionen in zweistelliger Millionenhöhe bei Banken, Versicherungen und ähnlichen institutionellen Investoren platziert werden, sollten der staatlichen Aufsicht unterliegende Institutionen bei Käufen strukturierter Wertpapiere eine Einschätzung der zugrunde liegenden Einzelkredite nachweisen können, um so die Werthaltigkeit bei Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser beurteilen zu können.

Diese Forderung ist mindestens genauso wichtig wie die Auflage, dass die strukturierenden Banken einen bestimmten Prozentsatz des strukturierten Wertpapiers in den Büchern halten müssen. Denn auch in Zukunft werden in Wertpapiere verpackte Kredite sinnvolle Produkte für Banken und Versicherungen sein, wenn die Notwendigkeit der Risikodiversifizierung wieder in den Vordergrund tritt. Einseitige Branchen- und Regionenabhängigkeit kann in der derzeitigen Wirtschaftskrise zu starken Verwerfungen in den Bankbilanzen führen, die wieder eine diversifizierte Struktur des Kreditportfolios notwendig machen.

Bildung stiller Reserven

Die auf Sicherheit ihrer Einlagen bedachten Anleger akzeptieren keine hohen unerwarteten Verluste bei Banken. Im Zweifel werden sowohl von privaten, aber auch institutionellen Anlegern Anlagen abgezogen. Unerwartete Verluste können aus Marktentwicklungen aber auch aus Unternehmensinsolvenzen verursacht sein. Bis Mitte der neunziger Jahre war es für Banken möglich, steuerlich wirksam nach dem Vorsichtsprinzip Risikovorsorge zu bilden. Diese konnte bei unerwarteten Einzelverlusten herangezogen werden, soweit sie den Charakter einer stillen Reserve hatte. Beteiligungen und Immobilienbesitz boten ebenfalls Möglichkeiten zur Reservebildung, bis deutsche Banken nach der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne und der drohenden Wiedereinführung bei einem möglichen Regierungswechsel 2002 stille Reserven auflösten.

Für deutsche Banken war die Entwicklung deswegen verhängnisvoll, weil der deutsche Bankenmarkt strukturell im internationalen Vergleich ertragsschwach ist. Während in der Vergangenheit deutsche Banken ihre Bonitätsqualität durch große Reserven manifestieren konnten und deswegen mit geringen Margen im Kredit- und Einlagengeschäft ohne adäquate Risikoaufschläge auskamen, sahen sie sich ohne Reserven und ohne ausreichende laufende Erträge dem Sturm der Finanzmarktkrise ausgesetzt.

Nach den plötzlichen und unerwarteten Bank-Zusammenbrüchen und Beinahezusammenbrüchen ist von einer mittelfristig wirkenden Neubewertung der Bankrisiken im Geld- und Kapitalmarkt auszugehen. Bankeninhaberschuldverschreibungen werden nicht mehr im Volumen wie vor der Finanzmarktkrise und nur zu viel höheren Kosten platziert werden können. Banken werden nur noch im sehr begrenzten Umfang Fristentransformation betreiben.

Konsequenzen für Banken

Dies wird dazu führen, dass Bankbilanzen in Zukunft von der Passivseite her gesteuert werden. Das heißt, nur so viele Kredite und Anlagen können getätigt werden, wie sichere und kostengünstige Refinanzierung vorhanden ist. Damit werden Institute mit breit gestreuten Privatkundeneinlagen in einer besseren Position sein. Allerdings wird der Konkurrenzkampf um diese relativ sichere Refinanzierungsbasis intensiver werden und zu starkem Preiswettbewerb führen, unter dem alle Institute zu leiden haben werden. Alle bisher am Markt refinanzierten Banken werden nachhaltig mit stark verkürzten Bilanzsummen leben müssen.

Solche Institute, die bereits über eine stabile Einlagenbasis verfügen, werden leichter Zugang im Geld- und Kapitalmarkt finden. Für Institute, die sehr stark auf Kapitalmarktrefinanzierung angewiesen sind, wird die Transparenz und Risikoqualität auf der Bilanzaktivseite entscheidend für den Zugang zur Refinanzierung werden. Das heißt, je geringer und transparenter die Aktiva-Risiken sind, umso leichter wird es Refinanzierung im Kapitalmarkt geben.

Aus Liquiditäts- und Refinanzierungssicht werden die Banken mit kürzeren Bilanzen, eingeschränkter Fristentransformation und höheren Refinanzierungskosten rechnen müssen. Das bedeutet, dass die Zinsergebnisse nachhaltig unter Druck geraten werden. Die derzeitige Ausweitung der Zinsspreads und damit eine Zinsergebnissteigerung ist nur der Aktualität der Krise geschuldet und lässt nur solche Institute profitieren, die zur Zeit über ausreichend Liquidität verfügen. Mittel- und langfristig werden Bankenrisiken nicht mehr wie in der Vergangenheit günstiger als vergleichbare Unternehmensrisiken bewertet werden. Handelsrisiken einzuschränken wird für Universalbanken eine unvermeidliche Konsequenz sein. Ergebnisvolatilität und damit mögliche Verluste werden Banken zu vermeiden suchen, um ihre sensitiv gewordene Refinanzierung nicht zu gefährden. Dies wird auch die Handelsergebnisse in Zukunft tendenziell geringer ausfallen lassen.

Als drittes Ergebniselement sind Provisionen zu nennen. Unter diesem Begriff verbergen sich durchaus unterschiedliche Ergebniskomponenten. Provisionen, die aus Produkten mit erhöhter Komplexität und Intransparenz erzielt wurden, werden für Banken im Privatkundengeschäft und im Investmentbanking nicht mehr zu erzielen sein. Mit der Finanzmarktkrise wird ein Trend verstärkt, der dem Verbraucherschutz mit EU-Richtlinien, deutscher Gesetzgebung und richterlichen Entscheidungen Vorrang einräumt und insbesondere die Provisionsergebnisse der Banken mit Privatkunden nachhaltig unter Druck setzt.

Verbraucherschutz gewinnt an Bedeutung

Andere Provisionsarten, wie sie im Auslandsgeschäft mit Unternehmen und im Kapitalmarktgeschäft mit institutionellen Kunden erzielt werden, kommen nur den Instituten zu gute, die die aufwendige Infrastruktur unterhalten können. Wegen der erwarteten Leistungsfähigkeit und der notwendigen Wettbewerbsfähigkeit hat sich mit der Finanzmarktkrise das Auslands- und Kapitalmarktgeschäft auf immer weniger Institute konzentriert. Dies dürfte sich für die meisten Provisionsarten verallgemeinern lassen, da neben Ausland und Kapitalmarkt auch im Zahlungsverkehr und im Wertpapierservice Spezialisierungen und Größenvorteile entscheidende Wettbewerbsfaktoren sind.

Bei dem zu erwartenden nachhaltigen Rückgang bisheriger Einkommensquellen wird der Kostendruck in eine neue Dimension wachsen. Selbst wenn zu unterstellen ist, dass der Renditeanspruch von Bankeneigentümern sich auf niedrigere, dafür aber weniger schwankende Ergebnisse einstellt, wird dafür ein nach der Krise höheres Kapital bedient werden müssen.

Alle die hier skizzierten Folgen der Finanzmarktkrise sprechen für Strukturveränderungen bei den Banken im Hinblick auf die geänderten Rahmenbedingungen. Im Einzelnen heißt dies: Der Umfang und die Sicherung der Refinanzierung wird für Universalbanken Priorität gewinnen und letztendlich die Größe der Bank bestimmen. Wie in allen Industrieländern wird auch in Deutschland der wesentliche Teil der Refinanzierung aus breit gestreuten Privatkundeneinlagen kommen müssen. Rein in der Refinanzierung marktabhängige Wholesale-Banken werden sich massiv redimensionieren beziehungsweise neu auszurichten haben. Für Wholesale-Institute der Sparkassen- und Genossenschaftsverbünde ist eine verbindliche Überleitung von Primäreinlagen entscheidend.

Die Finanzmarktkrise hat den Konzentrationsprozess unter Banken massiv verschärft. Zum Erhalt von Ertragsquellen im Zinsergebnis (Größe der Bilanz, Fristentransformation), im Provisionsergebnis (Mindestinvestitionen für Auslands- und Kapitalmarktprovisionen) und im Handelsergebnis (Risikonahme in Abhängigkeit anderer stabiler Ertragsquellen) bedeutet Größe einen Wettbewerbsvorteil, wenn gleichzeitig eine breit gestreute Refinanzierung zur Verfügung steht. Dass das Ausmaß von Kostenreduktionen von der Größe bestimmt wird, braucht nicht besonders hervorgehoben werden. Chancen bieten sich für Banken, die auf langfristige Kundenbindung setzen und diese Kundenbindung mit einem umfassenden, wettbewerbsfähigen Produktangebot auch ertragreich gestalten können. Für Unternehmen und manche Privatkunden hat sich in der Krise die Bedeutung verlässlicher Bankbeziehungen gezeigt.

Dr. Siegfried Jaschinski , Partner, Augur Capital AG, Frankfurt am Main
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