Gespräch des Tages

Finanzmärkte - Schmerzhafte Entzugserscheinungen

Prof. Dr. Jürgen Singer, Universität Leipzig schreibt der Redaktion: "Endlich herrscht auch bei den Experten der Financial Community die Meinung vor, dass sich der monetäre Sektor in einer Abschwächungsphase befindet. Es wird nun auch von IWF, EZB und Federal Reserve Board deutlicher eingeräumt, dass die Krise des monetären Sektors mehr oder weniger ernsthaft auf die Realwirtschaft übergreift. Beispielsweise weil Unternehmen Probleme mit der Kreditbeschaffung haben, höhere Konditionen gefordert werden, Konsumenten sich nicht mehr so leichtfertig verschulden wie bislang und nicht mehr so stark mittels Kreditkarte shoppen. Leider wird dabei übersehen, dass der monetäre Sektor sich bereits vor einigen Jahren fatal auf die Realwirtschaft ausgewirkt hat. Denn ein solches Übergreifen erfolgte bereits, als Kredite leichtfertig ausgereicht worden sind und das Fundament für die Kreditkrise gebaut worden ist. Damals mündete diese Auswirkung in einen ziemlich lange anhaltenden Wirtschaftsaufschwung, was Politik und Notenbank in den USA als positiv eingestuft haben. Aber das Strohfeuer in der Realwirtschaft hätte nicht mehrere Jahre so großartig gebrannt, wenn der monetäre Sektor nicht derart wagemutig und fleißig neues Stroh nachgeschoben hätte.

Wenn Alan Greenspan von der Immobilienkrise als Jahrhundertereignis spricht, ist in der Ursachenforschung an seine Zinspolitik nach den Terroranschlägen 2001 zu erinnern. Schon in seiner Biografie , Mein Leben für die Wirtschaft' (2007; Seite 268) verklärt er die Ausreichung von Hypothekarkrediten an einkommensschwächere Bevölkerungsschichten. Seine fatale Rolle, durch niedrige Zinsen und Liquiditätsüberschwemmung die Voraussetzungen geschaffen zu haben, sieht er nicht als Ursache der heutigen Entwicklung an. Dabei hätte man durch die Entwicklung Japans gewarnt sein sollen: Die Bubble Economy im Land der aufgehenden Sonne entstand durch hohe Liquidität, niedrige Zinsen, viel Gier, Überschätzung und leichtfertige Kreditausreichung. Wenn nun im monetären Sektor die jahrelang begangenen Fehler behoben werden, dann beendet man auf diese Weise eine fatale Entwicklung. Selbstverständlich entfalten sich aus der Korrektur Auswirkungen auf Investitionen und Konsum.

Doch Fehlentwicklungen auch im Kreditgewerbe sollte man immer begegnen. Wenn es zu spät erfolgt, dann sind die Schmerzen etwas höher! Das sollte man mit dem gesunden Menschenverstand verstehen können, ohne auf Neoinstitutionenökonomik, Principle-Agent-Theorie, Property-Rights-Theorie oder Ähnliches zurückgreifen zu müssen. Wenn jetzt die Angst vor dem Übergreifen der Kredit- und Bankenkrise auf die Realwirtschaft beschworen wird, kommen diese Bedenken einige Jahre zu spät. Agieren die Banken jetzt vorsichtig, dann wird erst einmal der Normalzustand erreicht. Entzugserscheinungen sind in der Regel schmerzhaft - bei Kreditsüchtigen! "

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