Aufsätze

Finanzkrise reloaded - dynamisches Risikomanagement im erneuten Härtetest

Mit enervierender Regelmäßigkeit sehen sich die Anleger an den weltweiten Finanz- und Kapitalmärkten mit negativen Nachrichten und Entwicklungen konfrontiert. Derzeit dominieren die Verschuldungskrise und ihre Auswirkungen das Geschehen, im Sommer letzten Jahres haben sich die makroökonomische Situation und das Kapitalmarktumfeld massiv verschlechtert. So sind die Kurse europäischer Aktien von ihrem Hoch im Jahr 2011 um mehr als 30 Prozent gefallen, die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen haben sich auf rund eindreiviertel Prozent vermindert, und die Volatilitäten sind stark angestiegen.

Marktumfeld drückt auf Investorenstimmung

Diese Entwicklungen drücken auf die Stimmung der Anleger. Der halbjährlich von Allianz Global Investors erhobenen Risk-Monitor-Umfrage zufolge, in der europaweit institutionelle Investoren nach ihrer Risikowahrnehmung befragt werden, sahen die Befragten im Herbst 2011 die stark erhöhte Marktvolatilität, die Staatsschuldenkrise in der Eurozone und mögliche weitere schwere Kurseinbrüche an den Aktienmärkten - in dieser Reihenfolge als die größten Risiken an.

Mit großem Unbehagen werden aber auch die niedrigen Zinsen wahrgenommen. Inzwischen sehen knapp zwei Drittel der Befragten (Frühjahr 2011: knapp die Hälfte) das aktuelle Zinsniveau als größtes Risiko für die Erreichung ihrer mittelfristigen finanziellen Ziele an. Denn während sich die Renditen für "sichere" Anlagen deutlich reduziert haben, sind die aus den Verbindlichkeiten resultierenden Anforderungen an die institutionellen Investoren unverändert geblieben. Deren Zielrenditen liegen weiter im Bereich zwischen vier Prozent und sechs Prozent pro Jahr.

Um diese Renditen erreichen zu können, sind Anleger gezwungen, in höherrentierliche Anlagen wie zum Beispiel Aktien auszuweichen. Gleichzeitig ist jedoch das Risikobudget für solche Anlagen begrenzt, da zum einen die Finanzkrise des Jahres 2008 noch nicht verdaut ist und zum anderen neue Regulierungsvorschriften wie Basel III und Solvency II hohe Hürden darstellen. Um dennoch auskömmliche Renditen bei gleichzeitig beschränktem Risikobudget nachhaltig erwirtschaften zu können, ist der Einsatz ausgefeilter Risikosteuerungsansätze notwendig. Richtig konstruiert erhalten derartige Ansätze weitgehend das Aufwärtspotenzial der Basisallokation - typischerweise eine breit diversifizierte strategische Asset Allokation (SAA) - in aufwärts gerichteten Märkten, während sie zuverlässig das Verlustpotenzial in Abwärtsmärkten limitieren. Letztlich wird also das gewünschte asymmetrische Renditeprofil erzeugt, getreu dem Motto: Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen.

Um auf der Grundlage einer langfristigen strategischen Asset Allokation ein asymmetrisches Renditeprofil zu erzeugen, welches bei einer attraktiven Partizipation die Verluste begrenzt, sollte ein Risikosteuerungsansatz sowohl pro- als auch antizyklische Elemente enthalten. Pro- und Antizyklik adressieren die beiden wesentlichen nachgewiesenen Charakteristika von Finanzmärkten. Dies ist einerseits die Existenz von Trendverläufen, das heißt die Verstärkung von positiven und negativen Kapitalmarktentwicklungen, und andererseits das sogenannte Mean-Reversion-Verhalten, das heißt die Rückkehr zu einem langfristigen Wachstumspfad nach positiven oder negativen Übertreibungen.

Pro- und Antizyklik als Schlüsselkriterien

Sowohl die gewünschte Verlustbegrenzung in schwachen Marktphasen als auch der angestrebte Mehrertrag gegenüber der Basisallokation in guten Marktphasen werden vor allem über prozyklisches Verhalten erreicht. Bei abnehmendem Risikobudget, also bei absoluten Verlusten beziehungsweise Verlusten gegenüber einem angestrebten Renditeniveau, wird das Portfolio im Vergleich zur SAA defensiver ausgerichtet. Ist dagegen ausreichend Risikobudget vorhanden, kann im Vergleich zur SAA auch renditeorientierter allokiert werden, was eine Erhöhung des Ertragspotenzials mit sich bringt.

Ein moderner Ansatz zur Risikosteuerung trägt bei fortschreitender prozyklischer Übergewichtung dem Risiko einer Überhitzung der Märkte ebenso Rechnung wie auch dem eigentlichen Ziel, möglichst stabile Renditen zu erzeugen. Dies führt im Ergebnis schließlich wieder zu einer antizyklischen Allokation, die die Übergewichtung gegenüber der SAA sukzessive zurückführt, also Gewinne mitnimmt. Gleichermaßen wird aber auch nach einer spürbaren Baisse über eine Marktwiedereintrittskomponente eine attraktive Partizipation an der nachfolgenden Markterholung sichergestellt, da in einer solchen Phase typischerweise sehr hohe Risikoprämien realisiert werden - Beispiele hierfür sind in den Jahren 2003 und 2009 zu finden. Abbildung 1 illustriert die Kombination von pro- und antizyklischen Komponenten, welche Allianz Global Investors in risikogesteuerten Mandaten verwendet.

Overlay-Steuerung mit Derivaten

Im Rahmen der dynamischen Steuerung der Allokation kommt auch der Auswahl der eingesetzten Instrumente eine besondere Bedeutung zu. Anstelle einer direkten Umschichtung der gehaltenen Aktien oder Rentenwerte ist im Rahmen der Steuerung vor allem der Einsatz kostengünstiger und liquider Derivate zu präferieren. Eine Over-lay-Steuerung mit Derivaten ermöglicht zudem in extremen Marktsituationen eine schnellere Reaktion. Um Gegenparteirisiken weitestgehend auszuschließen, sind hierbei börsengehandelte Instrumente oder besicherte Transaktionen (mit Collateral Management) klar vorzuziehen. Darüber hinaus ist die Wahl der jeweiligen Absicherungsinstrumente zentral für die Qualität der Risikosteuerung.

Um die verschiedenen Risikofaktoren beziehungsweise Assetklassen im Portfolio adäquat steuern zu können, sollten beispielsweise Rentenfutures, weitere Spread-Instrumente, Inflationsinstrumente und Aktienfutures zum Einsatz kommen. Mit einer breiten Palette an liquiden Instrumenten können die meisten Anlageklassen mit vertretbarem Tracking Error gesteuert werden.

Ein weiterer zentraler Punkt bei der Konzeption von Risikosteuerungsansätzen ist die Definition von "sicheren" beziehungsweise risikoarmen Anlagen. Deutsche Staatsanleihen - im Overlay allokiert durch Schatz-, Bobl-, Bund- oder Buxl-Futures haben sich in den Krisenphasen der letzten Jahre als sicherer Hafen bewährt. Besonders attraktiv werden diese Investments durch die in Krisensituationen zu beobachtende negative Korrelation mit riskanten Anlageklassen - ein Effekt, den Allianz Global Investors in risikogesteuerten Mandaten mit Erfolg nutzt.

In der Krise bewährt

Die Kapitalmarktentwicklung seit Ende Juli 2011 hat die Phase der trügerischen Ruhe, welche noch im ersten Halbjahr des letzten Jahres vorherrschte, abrupt beendet. So brach beispielsweise der Euro Stoxx 50 um rund 30 Prozent auf den Indexstand von unter 2000 Punkten ein, erholte sich im Oktober im Zusammenhang mit einer temporären EU-Gipfel-Euphorie auf über 2400 Zähler und schloss schließlich das Jahr bei einem Stand von etwa 2300 Punkten. Diese Achterbahnfahrt verdeutlicht, dass die Märkte nicht vorrangig von fundamentalwirtschaftlichen Entwicklungen, sondern von den weitaus weniger berechenbaren politischen Entscheidungsprozessen beziehungsweise deren Wahrnehmung getrieben werden. In dieser extrem instabilen Lage sind selbstverstärkende negative Zuspitzungen nicht auszuschließen.

Wie haben sich in diesem herausfordernden Umfeld moderne Risikosteuerungsansätze geschlagen? Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Wertentwicklung eines Mandats, in dem Allianz Global Investors den dynamischen Risikosteuerungsansatz bereits seit 2005 umsetzen. Während die aktuelle Krise nicht ganz spurlos an der Wertentwicklung im Jahr 2011 vorbeiging, fiel diese doch deutlich stabiler aus als die Wertentwicklung der strategischen Asset Allokation ohne Risikosteuerung. Der positive Wertbeitrag der dynamischen Steuerung betrug knapp vier Prozent.

Der Mehrwert der Risikosteuerung resultiert vor allem aus einer rechtzeitigen Reduktion der Aktienquote im August 2011 und dem gleichzeitigen Aufbau von Positionen in deutschen Staatsanleihen. Damit bestätigt sich - wie bereits in der Krise von 2008 - die Schutzwirkung eines derartigen Risikosteuerungsansatzes. Auch damals erfolgte im Zeitraum Mitte 2007 und Ende 2008 ein systematischer Abbau von Risikopositionen, insbesondere von Aktien.

Dynamische Risikosteuerungsansätze im Vorteil

Gleichermaßen interessant ist, ob der Anspruch eingelöst werden konnte, dem Anleger in starken Marktphasen eine attraktive Partizipation an den Renditechancen zu ermöglichen. In den meisten Jahren ist dies gelungen: An den positiven Renditebeiträgen der dynamischen Steuerung im positiven Marktumfeld bis 2007 sowie in der vehementen Markterholung 2009 ist erkennbar, dass ein moderner Risikosteuerungsansatz auch die Renditechancen der Märkte mittelfristig effizienter nutzt als eine rein statische Vermögensstruktur.

Die jüngsten Entwicklungen an den Finanz- und Kapitalmärkten haben erneut gezeigt, dass große Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Verschuldungskrise und ihrer konjunkturellen Implikationen bestehen. In diesem Umfeld reichen statische Anlagekonzepte, die allein auf Diversifikation basieren, nicht aus, um die beiden Anlageziele - auskömmliche Rendite zur Deckung der Verbindlichkeiten bei gleichzeitig hoher Sicherheit - nachhaltig erreichen zu können. Dagegen haben dynamische Risikosteuerungsansätze wie der hier vorgestellte Ansatz in den letzten Jahren ihren Härtetest bestanden und ihre Vorteilhaftigkeit unter Beweis gestellt, auch in der aktuellen Krise.

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