Leitartikel

Deutschland einig Sparerland

Aktienfonds investieren die Kundengelder überwiegend in Aktien - und
zwar mehrere - und sind somit weniger riskant als die Anlage in
Einzeltiteln. Das weiß immerhin noch der Großteil der deutschen
Bevölkerung. Schon bei Rentenfonds wird es schwie-riger. Denn für 44
Prozent der deutschen Frauen und 36 Prozent der bundesdeutschen Männer
sind dies Produkte, die für die gesetzliche Rente vorsorgen - von
Investment- geschweige denn Aktiensachverstand also keine Spur in der
schwarz-rot-goldenen Bevölkerung. Gut, dass die Untersucher dieser von
Axa Investment Managers in Auftrag gegebenen Studie gänzlich
verzichteten, nach den Spezialitäten wie Geldmarkt- oder Mischfonds,
Dachfonds oder Garantieprodukten zu fragen, von Hedgefonds oder
Private Equities ganz zu schweigen.
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Es mag an der mit dem Halbwissen über alternative, renditestärkere
Anlageprodukte zusammenhängenden Unsicherheit liegen, dass Wertpapiere
und Fonds an der gesamten Geldvermögensbildung der Bundesdeutschen
immer noch eine untergeordnete Rolle spielen - was "eigentlich" von
jedem ordentlichen Berater mit Leichtigkeit zu beheben sein müsste.
Eines ist aber nicht zu ändern: Das hierzulande äußerst ausgeprägte
Bedürfnis nach Sicherheit. Deutsche lieben das Sparen. 44 Prozent der
40- bis 60-Jährigen haben mindestens einen Sparvertrag, über ein
Drittel der 14- bis 19-Jährigen bringt sein Geld ebenfalls auf das
Sparkonto genauso wie mehr als 35 Prozent der über 60 Jahre alten
Bundesdeutschen, das gute alte Postsparbuch lässt grüßen. Die Anlage
in Aktien-, Renten- und/oder Immobilienfonds kommt addiert im
Vergleich dabei nur knapp über 20 Prozent hinaus.
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Nach dem Absinken der Sparquote in den neunziger Jahren auf nur noch
neun Prozent steigt sie seitdem stetig an, zuletzt auf rund 10, 5
Prozent. Das liegt immer noch ein gutes Stück unter dem langfristigen
westdeutschen Mittel, das etwa 14 Prozent beträgt. Allerdings macht
die demographische Entwicklung durchaus Mut: Liegt die Sparquote der
65 bis 80-Jährigen nur bei sieben Prozent, beträgt sie in der für
Banken natürlich besonders interessanten Kundengruppe der 35- bis
55-Jährigen schon bei 14 Prozent. Die Beliebtheit des einfachen,
klassischen Sparens mag auch von den schlechten Erfahrungen der
Vergangenheit herrühren. Zweimal erlag die Bevölkerung den lauten
Schreiern - Anfang der Siebziger, als die Fonds von Investors Overseas
IOS die ganze Welt reich machen wollten, und ein zweites Mal Anfang
dieses Jahrtausends, als am Neuen Markt der ein oder andere
Sparstrumpf in Hightech, Biotech, Telemedia oder einfach nur die
Deutsche Telekom investiert wurde. Die Folgen sind hinlänglich
bekannt: Statt Frührente und einem Leben in Saus und Braus schlug die
brutale Erkenntnis zu, dass die Börse keine verlässliche
Errungenschaft ist. Das Geld war weg, in anderen Taschen größtenteils
zumindest.
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Das deutsche Grundbedürfnis nach Sicherheit zeigen auch die absoluten
Zahlen. Vom gesamten Geldvermögen der privaten Haushalte von etwas
mehr als vier Billionen Euro entfiel per Ende 2004 das Gros, mehr als
ein Drittel, immer noch auf Einlagen bei Banken. Schon ein Viertel des
Ersparten liegt bei Lebensversicherungen. Mit deutlichem Abstand von
je rund elf Prozent folgen Investmentzertifikate sowie Rentenwerte und
Geldmarktpapiere. Die vor allem im angelsächsischen Raum auch im
Privaten verbreitete Form der Direktanlage kommt auf einen Anteil von
gerade einmal 6,5 Prozent.
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So weit so gut, mögen sich Banken und Sparkassen denken aber leider
werden diese bekanntlich für die Geldvermögensbildung immer
unwichtiger! Bis etwa 1980 - so belegen es die feinen Zeitreihen der
Deutschen Bundesbank - waren Banken und natürlich Sparkassen die
dominierende Anlaufstelle für private Ersparnisse: Fast zwei Drittel
flossen damals in Bankprodukte, insbesondere in Spareinlagen. Hierzu
zählten auch die Bausparkassen. Versicherungen dagegen erreichten nur
einen Anteil von 15 Prozent an der Geldvermögensbildung,
Kapitalmarktanlagen auf knapp 20 Prozent. In den vergangenen 25 Jahren
aber kam es dann zu einem erschreckenden Bedeutungsverlust der Banken
bei der Geldvermögensbildung: Flossen ihnen in den achtziger Jahren
noch 60 Prozent des privaten Geldes zu, waren es in den letzten fünf
Jahren im Schnitt gerade mal noch rund 30 Prozent. Von den Fristen her
haben anders als früher vor allem kurzfristig orientierte Anlegen
erheblich an Bedeutung gewonnen.
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Im Gegenzug haben Versicherungsprodukte aus Verbrauchersicht erheblich
an Attraktivität zugelegt. Sie steigerten ihren Anteil an der
Geldvermögensbildung auf jeweils gut ein Drittel in den Jahren 2000
bis heute. Den Investmentfonds flossen in den vergangenen fünf Jahren
jeweils rund ein Viertel der neu anzulegenden finanziellen Ersparnisse
der Bundesbürger zu und damit fast so viel wie den Bankeinlagen. Diese
ganzen Zahlen zeigen eines: Die Bedeutung der Banken für die
Bundesbürger bei der Geldanlage sinkt, die Versicherungen gewinnen an
Einfluss und insgesamt ist die Vermögensbildung deutlich breiter und
diversifizierter geworden. Dabei dürfte den Banken eigentlich nur der
Anstieg bei Versicherungsprodukten richtig schmerzen: Denn in
Versicherungen gebundenes Geld ist weg, da kommt man, die Geschichte
zeigt´s, nicht mehr ran, selbst bei der Auszahlung nicht leicht.
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Müssen die Banken und Sparkassen also um ihre für die Refinanzierung
so erfreulich billige Einlagenseite fürchten? Nein, denn nach wie vor
sind vor allem die Sparkassen die erste Anlaufstelle für "Erspartes".
Ihr Marktanteil - immer auf Gruppenebene betrachtet und nicht auf
Einzelinstitutsbasis - liegt unverändert bei über 50 Prozent. Auch die
Kreditgenossen haben ihren Marktanteil an den Spareinlagen in den
vergangenen fünf Jahren zwar nicht ausgebaut aber immerhin gehalten.
Eine interessante Verschiebung gab es zwischen den Großbanken und den
Regional- und Kreditbanken. Während Erstere ihren Anteil zwischen 2000
und 2005 auf 11 Prozent mehr als verdoppeln konnten, mussten die
Regionalbanken, hier sind auch die Dibas dieser Welt enthalten, einen
Rückgang von elf auf fünf Prozent hinnehmen. Überrascht? Nicht
wirklich, denn die Erklärung ist einfach, hat nichts mit einem
veränderten Kundenverhalten zu tun, sondern ist lediglich
statistischer Natur. Der Wechsel der Postbank zu den Großbanken mit
ihrem gewaltigen Einlagenüberhang von immer noch über 30 Milliarden
Euro war ausschlaggebend.
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Bemerkenswert, rein statistisch gesehen, auch die noch relativ geringe
Bedeutung der Direkten. Wird hier wieder mal öffentlichkeitswirksam zu
viel Wind gemacht? Nein keineswegs, denn in der Bundesbankstatistik
sind lediglich die Bestände erfasst. Im Neugeschäft sieht die Lage
eindeutig anders aus. Hier leiden vor allem die beiden großen
deutschen Verbundgruppen unter den preisaggressiven Wettbewerbern und
wachsen deutlich langsamer als der Markt. Wie nachhaltig die
Anfangserfolge der neuen "Ankerprodukte" der S-Organisation sein
werden, wird sich auch noch zeigen müssen. Es darf allerdings im
gruppeninternen wiefremden Wettbewerb immer wieder die Frage gestellt
werden, ob sich Institute um jeden Preis um die "Rosinenpicker"
bemühen sollten, denn nachhaltige Bestandskunden mit ordentlichen
Cross-Selling-Möglichkeiten sind dies nur selten.
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Der Erfolg der Investmentbranche in den vergangenen fünf Jahren, wie
in den 45 Jahren davor natürlich auch, ist vor allem auf einer
Tatsache begründet: dem Gespür zu riechen, was der Markt mögen könnte.
Beim Branchenführer DWS beispielsweise entfielen auf neu aufgelegte
Fonds im vergangenen Jahr mit etwa 6,5 Milliarden Euro rund 73 Prozent
des gesamten Nettomittelaufkommens. Das ist ein klein wenig zu
relativieren, wohlwissend, dass die DWS durch den äußerst
erfolgreichen Vertrieb an institutionelle Anleger auch im
Publikumsgeschäft wie ein Spezialfondsanbieter zu arbeiten weiß. Doch
nicht nur bei der Deutsche-Bank-Tochter, auch bei allen übrigen
Anbietern der Investmentbranche sind eben jene Tendenzen, die aus dem
gewöhnlichen Retail, dem Private Banking und auch dem
Firmenkundengeschäft längst bekannt sind, zu beobachten: die
Standardisierung des Speziellen. Dies soll heißen: Mehr und mehr
werden die ehemals individuell für einen kleinen Kundenkreis
entwickelten Produkte auch im breiten Publikumsgeschäft eingesetzt.
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Doch auch im Bereich des Investmentsparens zeigen sich beunruhigende
Tendenzen für die Banken, nimmt ihre Bedeutung doch sichtbar ab:
Führten Kreditbanken 1994 noch 33,6 Prozent aller Depots, Sparkassen
21,5 Prozent und Genossenschaftsbanken 14,2 Prozent waren es im Jahre
2004 nur noch 27 Prozent bei den Kreditbanken, elf Prozent bei den
Sparkassen und 9,7 Prozent bei den Genos. Die großen Gewinner waren
einerseits die Landesbanken, die ihren Marktanteil von zwei auf stolze
15,4 Prozent ausweiteten und die Investmentgesellschaften selber, die
mittlerweile 36,8 Prozent der Depots im eigenen Haus führen. Dabei
sind lediglich die beiden Verbundgesellschaften Union und Deka auf die
Vermittlung der Ortsbanken bei der Depoteröffnung angewiesen. Bei den
Großbankentöchtern DWS oder DIT dagegen kann der findige Kunde direkt
investieren, ohne Deutsche oder Dresdner Bank.
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Das heißt schlicht, je mehr sich die Geldanlage auch in Deutschland
hin zu Kapitalmarkt oder doch kapitalmarktnahen Formen verschoben hat,
desto größer ist auch die Bedeutung der "alten"
Investmentgesellschaften in den "modernen" Finanzkonzernen geworden.
Sie sind kein Anhängsel des "richtigen" Bankgeschäfts mehr, sondern
eine Hauptsache desselben. Das ist durchaus zu spüren. Das gewohnte
Mutter-Tochter-Verhältnis beginnt schwesterliche Züge anzunehmen. Die
DWS als Dekabank des Blauen Hauses, die Union als Assetbank der Genos,
der Dit als die Zweitbank der Allianz-Gruppe: Die Wege in diese
Zukunft sind bereits ganz ordentlich gepflastert.
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Die Redaktion gratuliert den Jubilaren des Jahres 2006, die in diesem
Heft mit ihren Überlegungen zur Produkt- und Vertriebspolitik nach
einem halben Jahrhundert Investmentfonds in Deutschland allesamt zu
Wort kommen, herzlich zum Geburtstag. P.O.

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