Gespräch des Tages

Deutsche Börse/Nyse - Unantastbar

Der Termin war aufgrund von Gerüchten vielleicht nicht ganz freiwillig gewählt, aber er war günstig. Zumindest konnten Deutsche Börse und Nyse (Euronext) mit der Bestätigung ihrer "weit fortgeschrittenen" Gespräche der LSE und ihrer Übernahme der Börse Toronto gehörig die Show stehlen. Zwischen England und Kanada soll neben einer Bündelung des Aktien- und Derivategeschäfts ein Schwergewicht im Rohstoffhandel entstehen. Obendrein kam das deutsch-amerikanische Vorpreschen einen Tag vor dem (geplanten) Ende der laufenden Fusionsverhandlungen der außerbörslichen Handelsplätze Chi-X und Bats - und konnte damit nicht wie eine Reaktion auf deren Ausgang aussehen. Es geht also wieder rund im Stelldichein der Börsen. Dass sich die beiden alten Bekannten aus Frankfurt und New York trotz mehrerer fehlgeschlagener Techtelmechtel nicht aus den Augen verloren haben, zeigt, wie groß der Druck auf die traditionellen Handelsplatzbetreiber geworden ist. Immer stärker verlieren diese Anteile an die unregulierten "Over-the-Counter"-Märkte, die im Rahmen der MiFiD eingeführten multilateralen Alternativplätze.

Was aber wären die Konsequenzen für die beiden Finanzplätze? Die Anleger zeigten sich zunächst zustimmend, der Entwicklung der Aktienkurse von Deutscher Börse und Nyse nach zu urteilen in den USA allerdings mehr als in Deutschland. Längst hat man in der einstigen Welt-Aktienmetropole realisiert, dass der Zusammengang mit der Mehrländerbörse Euronext im Jahr 2007 ein Flopp war. Umso mehr wirft die neu angestoßene Fusionswelle die Frage auf, welche Rolle einzelne Handelsplätze in Zukunft überhaupt spielen werden. Wie sehr die Börsen zu reinen Abwicklern geworden sind, zeigt nicht zuletzt der Erfolg der privaten "Dark Pools", jener multilateralen Handelsplätze die auf rein elektronischer Basis mit einer deutlich schmaleren Kostenbasis operieren können, als es den traditionellen Handelsplätzen möglich ist.

Freilich agieren die regulierten Börsen im öffentlichen Auftrag, einen effizienten Handel zu ermöglichen. Letztendlich kommt es dabei aber weder auf die Form noch die Größe des Marktbetreibers an. Wenn es aber zu einer marktbeherrschenden Position kommen würde, ließen sich Bedenken über die Preisentwicklung geltend machen. Immerhin hätte das angedachte Konstrukt mit Eurex und Liffe ein De-facto-Monopol im europäischen Derivatemarkt. Zudem würden die Aktienmärkte in Frankfurt, Paris, Brüssel, Amsterdam und Lissabon künftig unter einer Führung stehen. Befürchtungen eines Kontrollverlusts hierzulande ließe sich zwar entgegenhalten, dass die Deutsche Börse ohnehin längst keine deutsche Börse mehr ist. Über die Hälfte ihrer Aktionäre stammt aus den USA und Großbritannien. Damit würde sich aber auch die beworbene Anteilsverteilung von 60 Prozent für die Aktionäre der Deutschen Börse und 40 Prozent für die der Nyse zugunsten angloamerikanischer Interessen verschieben. In Frankfurt müsste man also darauf achten, sich nicht wie Paris zuvor aus der Unternehmensführung weitgehend herausdrängen zu lassen.

Aber bieten globale Handelsplätze wirklich solch große Vorteile? Immerhin hat die Fusion von Nyse und Euronext gerade recht eindrucksvoll gezeigt, dass bei einem Zusammengang von Börsen eins plus eins nicht immer zwei sein muss - geschweige denn drei. Nasdaq/OMX geht es nicht viel besser. Vielleicht deshalb war man in Frankfurt und New York auch redlich bemüht, ein erneutes Scheitern der Gespräche explizit nicht auszuschließen. Außer in Aussicht gestellten Kostenvorteilen von rund 300 Millionen Euro pro Jahr, was bezogen auf den Gesamtaufwand etwa zehn Prozent entspricht und auch erst einmal realisiert werden muss, haben sich die beiden Handelsplatzbetreiber zunächst zudem sehr bedeckt gehalten. Auf welche Plattform einigt man sich? Wie lässt sich die Zusammenarbeit zwischen Frankfurt und New York gestalten - und welche Rolle spielt Paris? Auch drängt die Frage, wann unter dem neuen Dach der (auf beiden Seiten! ) überfällige Schritt in die Wachstumsmärkte in Asien und Südamerika angegangen werden kann. Und nicht zuletzt: Können die bisherigen (Teil-)Strategien der Deutschen Börse in kleinen, sich im Aufbau befindlichen Märkten wie dem Energiehandel oder dem Privatkundengeschäft fortgeführt werden?

Ein Zusammenschluss der Frankfurter und New Yorker Marktbetreiber käme dem Aufbau eines Bollwerks gleich, das mit einer Kapitalisierung von rund 18 Milliarden Euro unangreifbar wäre. Auch eine weitere Expansion ließe sich dann aus einer gestärkten Position heraus bestreiten. Eine grundsätzliche Einigung und das Placet der Aufsichtsbehörden vorausgesetzt, müssten beide Unternehmen die gewonnene Zeit und den weiteren Spielraum baldigst nutzen, auch die bislang noch nicht offensichtlichen Feinheiten der zukünftigen Strategie zu klären. Erhoffte Kostensenkungen alleine können den Durchbruch jedenfalls nicht bringen.

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