Gespräch des Tages

Bargeldversorgung - Mangelnde Erkenntnis oder Verdrängung?

"Wer heute nicht an morgen denkt, ist morgen schon von gestern". Mit diesem wahrlich wahren Ausspruch bedachte Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, die Besucher des jährlichen Empfangs des Bereichs Zahlungsverkehr. Er meinte damit keineswegs nur das Beharrungsvermögen breiter Kreise der deutschen Kreditwirtschaft in Sachen Bargeldversorgung und Bargeldlogistik - aber eben auch. Schließlich rücken der 1. Januar und der 30. April unaufhörlich und mit allen Konsequenzen näher, was den Bundesbankverantwortlichen ein wenig Sorge bereitet. Gegenwärtig hat die Bundesbank einen Anteil an der Banknotenbearbeitung beziehungsweise am Recycling von rund 65 Prozent. Trotz ihres im Bundesbankgesetz festgeschriebenen hoheitlichen Auftrags, für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im In- und Ausland zu sorgen, hat sie das Ziel, diesen Anteil auf 50 Prozent zu reduzieren.

Ab Anfang kommenden Jahres wird die Bundesbank nur noch sortenreine Münzcontainer als ausschließliches Einzahlungsmedium akzeptieren. Diese Containerlösung bedeutet, dass derjenige, der Münzen wechseln oder bereitstellen will, künftig Container mit 5,6 Tonnen Gewicht in den Bankräumlichkeiten unterbringen müsste. Vielerorts ist dies schon aus baulichen und statischen Gründen nicht möglich, ganz abgesehen von den Kosten, mit denen in allererster Linie Sparkassen und Kreditgenossenschaften konfrontiert würden. Und ab 1. Mai führt die Bundesbank schließlich gemäß des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) aus dem Jahr 2009 nur noch Konten für bei der BaFin lizensierte Werttransportunternehmen, die über den reinen Bargeldtransport hinausgehende Dienstleistungen wie das Bargeldrecycling betreiben wollen. Damit entfallen den Banken wesentliche Grundlagen ihrer Logistik, denn bislang haben lediglich vier der rund 100 in Deutschland aktiven Werttransportunternehmen die Beantragung einer solchen Zulassung signalisiert, was mit dem administrativen wie finanziellen Aufwand zusammenhängt.

Für die Kreditwirtschaft wie für den Handel und die Werttransporteure heißt es also, eigene Lösungen zu entwickeln, um Engpässe in der Bargeldversorgung und -entsorgung zu vermeiden. Doch obwohl diese Dinge eigentlich seit Langem bekannt sein müssten, herrscht derzeit eine Mischung aus Kopflosigkeit und Entrüstung. Der Handel poltert, dass man nicht ein Haus abreißen könne, ohne ein neues aufzustellen. Ein Großteil der rund 380000 Händler in Deutschland gibt bislang das eingenommene Bargeld bei der Hausbank ab. Für ein Prozent der Händler, die rund 30 Prozent des Umsatzes ausmachen, funktioniert dieses Modell aber schon heute nicht. Sie waren darauf angewiesen, zur Bundesbank zu gehen. Diese Möglichkeit wird es künftig nur zu veränderten Konditionen geben, die der Handel bislang nicht bereit ist, mitzutragen.

Die Banken beklagen die hohen Kosten, die sie den Kunden nicht weiterbelasten können, da Dienstleistungen rund um das Bargeld zum Girokonto gehören und nicht beliebig bepreist werden können. Denn für Kassenabhebung dürfen Kreditinstitute kein Geld nehmen. Der Sparkassensektor schätzt die zusätzlichen Kosten für die S-Gruppe auf rund 120 Millionen Euro und für alle Banken auf etwa 240 Millionen Euro. Die Werttransporteure, die gerne zusätzliche Aufgaben übernehmen würden, leiden noch unter dem großen Vertrauensverlust aus der Heros-Krise und zu geringen Eigenkapitalquoten.

Wie eine Lösung aussehen kann, zeigt die genossenschaftliche Finanzgruppe. Unter Federführung der DZ Bank und Beteiligung der WGZ Bank wird der seit mehreren Jahren bestehende Bargeldservice um einen bundesweiten Münzgeldservice für Handel und Banken erweitert. Für Händler mit hohem Bargeldumsatz bietet die Gruppe zur Einzahlung neben den bisherigen Möglichkeiten - die klassische Kasseneinzahlung, die Nutzung eines Nachttresors der Bank oder die Beauftragung eines Wertdienstleisters - künftig Einzahltresore beim Händler selbst. Dieser zahlt seine Einnahmen direkt in den Tresor ein und erhält dafür eine Quittung. Die Einzahlinformation wird an den Serviceprovider der Bank gesendet, die entsprechend der Kundenvereinbarung eine zeitnahe Kundengutschrift erteilen kann. Der Serviceprovider überwacht den Tresor und sorgt für notwendige Entleerungen durch einen Wertdienstleister oder veranlasst Wartungsarbeiten. Den Transport übernehmen von der DZ Bank zertifizierte lokale Wertdienstleistungspartner.

Man darf also weiter gespannt sein, wie vor allem Sparkassen, private Banken, Handel und auch Bundesbank sich in den kommenden Wochen annähern werden. Nur den Nutzen, aber nicht den Aufwand haben zu wollen, ist jedenfalls keine Lösung.

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