Aufsätze

Banken in der Verantwortung für die Volkswirtschaft

Zündstoff gibt es eine ganze Menge. Die jüngste Finanzkrise, auch nordamerikanische Hypothekenkrise oder Subprime-Krise, hat offen zu Tage gefördert, wie mancherorts mit Verantwortung umgegangen wird: Wer geht verantwortungsvoll mit seinen Instrumenten um, wer versucht in aller Vorsicht, Risiken und Chancen auszuloten, und wer lässt schließlich alle Verantwortung fahren und führt seine Bank so, als ob er am Roulette-Tisch säße? Eine solche Möglichkeit wird gerade die Bankenaufsicht nicht gerne hören, ist es doch ihre Aufgabe, so etwas zu verhindern.

Betriebswirtschaftliche Zuständigkeit

Und der deutsche Finanzminister hat mit seiner Kritik ins Schwarze getroffen: "Es gibt Bankvorstände, die der Komplexität dessen, was sie tun, nicht gewachsen sind", sagte er in einem Interview mit der Financial Times Deutschland. Er kritisierte, dass einige Manager in der Bankenszene die Bodenhaftung verloren hätten. Zwar helfen polemische Verallgemeinerungen nicht unbedingt bei der Lösung der aktuellen Probleme, aber man mag die Verärgerung des Finanzministers in gewisser Weise auch verstehen, wird er doch von zwei Seiten in die Zange genommen: einerseits als direkter (KfW-) oder indirekter (IKB-)Eigentümer von Instituten, deren Gewinne schrumpfen, andererseits als Kassenwart der Nation, der durch die Verluste der Kreditwirtschaft möglicherweise im Milli-arden-Euro-Bereich anzusetzende Steuermindereinnahmen haben wird. Banker werden mit dieser Kritik jedoch zunächst in ihrer betriebswirtschaftlichen Zuständigkeit gepackt.

Natürlich haben Banken aber auch gesellschaftliche Verantwortung, das heißt eine Verantwortung, die über die Aufgabe der Gewinnerzielung für ihre Eigentümer, die Zufriedenheit ihrer Kundschaft und die Erhaltung sicherer Arbeitsplätze für die Mitarbeiter hinausgeht. Sie ist schwer zu definieren und es ist kaum möglich, zu werten, ob diese Verantwortung richtig und in ausreichendem Maß wahrgenommen wird. Gerade in Krisen wird das deutlich.

Jede Volkswirtschaft kann sich glücklich schätzen, wenn ihr das Bankensystem die benötigten Kreditmittel in notwendigem Umfang und zu günstigen Preisen zur Verfügung stellt. Und hier liegt auch die besondere Verantwortung der Banken für die Gesellschaft: Im internationalen Wettbewerb der Volkswirtschaften sind diejenigen Länder besonders gut positioniert, welche durch ihre Finanzsysteme die nötigen Liquiditätsspielräume zu vergleichsweise niedrigen Kosten eingeräumt bekommen.

Große "Tickets" für die anderen

In ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht vom November 2007 attestiert die Deutsche Bundesbank dem deutschen Banken- und Finanzsystem, dass es in der aktuellen Krise "seine Stabilität und Funktionsfähigkeit auch unter deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen unter Beweis gestellt" hat. Und "über die Finanzierungsseite dürften Investitionskonjunktur und wirtschaftliche Expansion in Deutschland demnach nicht übermäßig belastet werden." Das sind recht gute Noten. Aber warum wurde der deutsche Finanzmarkt überhaupt von dieser nordamerikanischen Krise so betroffen? Spanische Banken zum Beispiel, deren Heimatmarkt vergleichsweise hohe Wachstumsraten und hohe Kreditnachfragen aufzuweisen hat, sind es deutlich weniger. Sie hatten offenbar auch weniger nach "Kundenersatzgeschäft" suchen müssen, um ihre Liquiditätsspielräume ertragsorientiert ausschöpfen zu können.

Multinationale Unternehmen wissen, dass sie sich jederzeit an global ausgerichtete Banken oder die Kapitalmärkte wenden können, um ihren Finanzierungshunger zu stillen. Aber eine gewisse Sonderstellung haben auch dabei immer jene Banken, die im Mutterland eines solchen Unternehmens beheimatet sind. Deutschland hat hier in seiner Bankenstruktur weitgehend versagt, und es ist gegenüber wichtigen Konkurrenzländern zurückgefallen. Denn mit dem Wachstum und der Bedeutung deutscher Unternehmen auf dem Weltmarkt haben die deutschen Kreditinstitute nicht Schritt halten können. Der deutsche Bankenmarkt ist weiterhin zersplittert und zu kleinteilig. Und selbst die größten Banken unseres Landes können im internationalen Vergleich bezüglich Größe und (Börsen-)Gewicht kaum mithalten. Das heißt allerdings nicht, dass sie schwach wären, wenig erfolgreich oder nicht zukunftsfähig. Nein, das heißt nur, dass sie auf dem globalen Markt die "großen Tickets" anderen überlassen müssen. Und das bedeutet Verlust von Ertragspotenzial für die Banken.

Muss es denn erst wieder zur Krise kommen, dass nahe liegende Einsichten zu den notwendigen Schritten führen? Für Deutschland könnte es sich als richtig erweisen, die Fusion von Landesbanken zu größeren Einheiten voran zu treiben - vertikal und horizontal. Aber es scheint auch sinnvoll, den ganzen Bereich der öffent-lich-rechtlichen Kreditinstitute - sofern nicht hoheitliche Aufgaben erfüllt werden - nach und nach zu privatisieren. Das würde den öffentlichen Kassen gut tun, und der Finanzminister wäre sicher, dass er - oder seine Kollegen bis hin zum Stadtkämmerer - nicht mehr für Fehler von Bankvorständen "ohne Bodenhaftung" geradestehen muss.

Wertschöpfung und Arbeitsplätze

Wo liegen die grundlegenden Aufgaben- und Verantwortungsbereiche der Banken und ihrer Vorstände? Es sind Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Nachdem das jahrzehntelang übergewichtete Thema "Macht der Banken" in der Versenkung verschwunden ist, wo es hingehört, bleibt festzuhalten, dass der deutsche Finanzdienstleistungssektor mit seiner Wertschöpfung einen wichtigen Beitrag zum Sozialprodukt leistet. In den Ländern Europas mag dieser Anteil zwischen fünf Prozent und 15 Prozent schwanken, aber überall ist die Bedeutung erheblich. Diesen Sektor, der in der Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft von großer Bedeutung ist, weiter voranzubringen, ist für jede Volkswirtschaft ein zentraler Punkt.

Als Arbeitgeber gelten Banken in Deutschland bereits als relativ fortschrittlich. Sicherheit der Arbeitsplätze und Lohnniveau sind beispielhaft, selbst wenn heute das beamtenähnliche Beschäftigungsverhältnis der Vergangenheit längst nicht mehr gültig ist. Die Rationalisierungsanstrengungen der letzten Jahre haben auch deutlich gemacht, dass die Arbeitsplätze nicht mit einer Garantie ausgestattet sind. Teilzeitangebote sowie Chancengleichheit für Frauen und Männer im Beruf sind jedoch in dieser Branche weiter mustergültig. Und die Ausbildung junger Leute, teils über den eigenen Bedarf hinaus, zeigt eine hohe Zukunftsorientierung.

Aber es gibt auch eine Verantwortung der Gesellschaft für die Banken ihres Landes. Durch Aufsicht und Regeln, durch Liquidität oder Rigidität, vorwärtsgerichtete Forschung oder gezügelte Anpassung setzen Staaten, Regierungen und Zentralbanken die Standards, in denen sich das Bankwesen entfalten kann - oder eben auch nicht. Hier gibt es in Deutschland durchaus noch Handlungsbedarf.

Stärkung des Finanzplatzes

Die Stärkung des Finanzplatzes haben sich ja offenbar alle Parteien auf die Fahne geschrieben. Das Problem ist, Klarheit über den Weg zu finden und das für richtig Erkannte dann auch zügig umzusetzen. Hier hat die deutsche Politik - und zwar auf Landes- wie auf Bundesebene - nicht nur aktuell, sondern seit Jahrzehnten offenbar "systemimmanente Verzögerer", die es immer wieder schaffen, den Motor Finanzwirtschaft zu bremsen, beziehungsweise ihm nicht so viel Sprit zu geben, wie er bräuchte, um einen Spitzenplatz in der Welt zu erreichen. Und wenn dann noch die Angst vor unliebsamen ausländischen Finanzinvestoren dazu kommt, kann das nur kontraproduktiv sein.

Das System der Bankenaufsicht in Deutschland, die Dualität von BaFin und Bundesbank, hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, auch wenn die konkrete Arbeitsteilung zwischen beiden Häusern noch verbessert werden muss, um Doppelarbeit zu vermeiden. Entscheidend ist, dass die derzeit in Abstimmung befindliche Aufsichtsrichtlinie dazu beiträgt, die Qualität der Aufsichtsstrukturen weiter zu verbessern. Dazu gehört neben der Veränderung der Leistungsstruktur der BaFin auch, dass die Mitarbeiter bestens ausgebildet sind und entsprechend bezahlt werden können.

Das führt zum letzten Punkt der gesellschaftlichen Verantwortung für den Finanzplatz: Die Ausbildung. Das fängt an beim Wirtschaftskunde-Unterricht in den Schulen, berührt aber auch die weiterführenden Bildungseinrichtungen bis hin zu den Universitäten. Die Kreditinstitute und ihre Verbände haben hier in Eigenregie manches auf die Beine gestellt. Erwähnenswert ist die aus der alten Bankakademie hervorgegangene Hochschule für Bankwirtschaft, die inzwischen sogar das Promotionsrecht erhalten hat. Aber nur wenige Universitäten erreichen in der Finanzwissenschaft international beachtetes Niveau. Das "House of Finance" an der Frankfurter Universität ist ein positives Beispiel, wie Staat, Lehre und Finanzbranche zusammenwirken können, um die notwendige Basis für eine weitere, vielleicht sogar dynamischere Entwicklung des deutschen Finanzwesens zu legen.

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