Gespräch des Tages

Allianz - Abstrakt und emotionslos?

Die Grundmuster ähneln sich ebenso wie die Reaktionen in der breiten Öffentlichkeit bis hinein in die Politik. Da war beispielsweise Anfang vergangenen Jahres die große deutsche Bank, die zeitgleich mit einem glänzenden Ergebnis den Abbau von vielen Arbeitsplätzen verkündete. Da ist der große Allfinanzkonzern, der im noch laufenden Geschäftsjahr endlich wieder eine Gewinnerwartung in satter Milliardenhöhe bestätigen kann, gleichzeitig aber über drei Jahre hinweg den Abbau von 7 500 Arbeitsplätzen ankündigt. Und da ist in diesen Tagen gerade der Elektrotechnik- und Elektronikkonzern, der in jeder Kostensenkungsrunde dieser schwierigen Zeiten Arbeitsplätze abbaut, gleichzeitig aber das Salär seiner Vorstandsmitglieder deutlich aufstockt. In diesen und ähnlich gelagerten Fällen gab und gibt es hier zu Lande regelmäßig einen lauten Aufschrei. Und dann wird mehr oder weniger laut und emotional die Frage der sozialen Verantwortung diskutiert. Wie stark und nachhaltig die öffentliche Aufregung die jeweiligen Unternehmen trifft, ist zugegebenermaßen ein wenig zufallsbedingt und hängt nicht zuletzt von der sonstigen Nachrichtenlage ab. Aber gleichwohl muss sich jedes betroffene Unternehmen im Vorfeld grundsätzliche Gedanken machen, wie offensiv und auf welchen Kanälen es solche Dinge kommuniziert.

Die Allianz als eines der öffentlicher Kritik ausgesetzten Unternehmen ist in ihrer Kommunikationspolitik zweigleisig gefahren. Ob es eigener Antrieb war oder die jüngste Diskussion um die Vorstandsgehälter beim Münchner Nachbarn Siemens die Dinge in diese Richtung getrieben haben: Mitte September hat der Finanzvorstand Paul Achleitner den Konflikt zwischen Wettbewerbsfähigkeit am Kapitalmarkt und sozialer Verantwortung vergleichsweise abstrakt im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten erörtert. Und acht Tage später stellte sich Vorstandschef Michael Dieckmann der direkten Frage eines Massenblattes, warum er im Jahr des Rekordgewinns so viele Arbeitsplätze streicht?

Paul Achleitner näherte sich in seinem Statement sehr grundsätzlich dem Thema. Fünf Einzelaspekte, angefangen von Shareholder Value versus Stakeholder Value über Arbeit versus Kapital, Globalisierung versus Heimatverbundenheit sowie Unternehmer versus Manager bis hin zu Konsens versus Konflikt in Entscheidungsprozessen waren seine Ansatzpunkte zur Beurteilung der verbreiteten Tendenzen einer Kapitalismuskritik. Er verwies dabei unter anderem auf die Verpflichtungen des Managements, die Interessen von Anteilseignern und Mitarbeitern gleichgewichtig zu vertreten. Er bemängelte die offensichtlichen Versäumnisse Deutschlands, den Kapitalmarkt zur Vorsorge der Bevölkerung zu nutzen. Er verwahrte sich gegen die Einschätzung nur die Eigentümer und nicht die "angestellten" Manager seinen die wahren Verfechter der sozialen Verantwortung für die Bürger in der Region. Er hob die Vorteile einer weltweiten Arbeitsteilung hervor. Und schließlich diagnostizierte er in Deutschland eine mangelnde Konfliktfähigkeit bei Entscheidungen aller Art. Aber am Ende seiner Ausführungen räumte er dann doch selbstkritisch ein, dass befangene Zeitgenossen sein vergleichsweise abstraktes Statement als eine komplizierte Ausrede verstehen könnten, weshalb die Allianz bei guten Zahlen Arbeitsplätze abbaut.

Und so fügte er noch einige flankierende Aspekte zur Erläuterung der Handlungslinien seines Hauses an: Dass es im konkreten Fall trotz anstehender Umwandlung in eine Europa AG ein klares Bekenntnis zu Deutschland als Konzernsitz gibt, dass der Arbeitsplatzabbau angesichts der komfortablen wirtschaftlichen Lage des Konzerns derzeit besser abgefedert werden kann als in Phasen wirtschaftlicher Schwäche und dass ein Handeln jetzt notwendig ist, weil sich in der langfristig orientierten Versicherungsbranche die heute feststellbaren Marktanteilsverluste im Inland in ihrer wahren Auswirkung erst Jahre später zeigen, sind solche Argumente aus Sicht der Allianz. Wer beim Anlegerverhalten für ein antizyklisches Vorgehen wirbt, müsste eigentlich Verständnis für solche Argumentationslinien aufbringen. Noch allgemeiner lässt sich diese Denk- und Handlungsweise sicherlich unter dem volkswirtschaftlichen Blickwinkel und der betriebswirtschaftlichen Kalkulation rechtfertigen. Ob das alles aber im gesellschaftspolitischen Dialog überzeugt? In der wahren Welt, das weiß die Allianz offenbar nur zu gut, lassen sich gerade bei solchen Fragen Emotionen nicht ausblenden. Nicht zuletzt deshalb stellt sich wohl auch der Vorstandsvorsitzende der wirklich breiten Öffentlichkeit.

Auf beiden Argumentationsebenen verbleibt für die Allianz ein erhebliches Restrisiko, wie sich die Debatte um die Vereinbarkeit der Wettbewerbsfähigkeit am Kapitalmarkt und die soziale Verantwortung stimmungsmäßig auswirkt. Es ist gleichwohl wichtig und lobenswert, dass dieser gesellschaftspolitische Dialog von dem Unternehmen auf breiter Ebene geführt wird.

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