Genossenschaftsverbund 2011

Auswirkungen der veränderten Regulatorik auf das Firmenkundengeschäft der Banken

Im Zuge von Basel III/CRD IV kommt auf die Banken eine Vielzahl neuer Regulierungen zu. Diese sollen die Finanzmarktstabilität fördern und die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors in Stresssituationen verbessern. Folgende Maßnahmen sind geplant:

- Verschärfung der Kapitalanforderungen durch Erhöhung der geforderten Quoten und Verbesserung der Qualität des Kapitals der Banken;

- Einführung einer nicht risikobasierten Verschuldungsobergrenze (Leverage Ratio);

- Einführung von Kennziffern zur Sicherung der kurz- und langfristigen Liquidität.

Eine Vielzahl neuer Regulierungen

Die Verschärfung der Kapitalanforderungen wird schrittweise ab 2013 eingeführt und bis zum Jahresende 2018 abgeschlossen sein. In diesem Zeitraum soll die geforderte Gesamtkapitalquote von acht Prozent auf 10,5 Prozent1) steigen. Durch die Einräumung einer Übergangsfrist zur Aufnahme von neuem Kapital und zur Bildung von Gewinnrücklagen soll erreicht werden, dass der Bankensektor die höheren Eigenkapitalstandards ohne negative Auswirkungen auf die eigene Geschäftstätigkeit einerseits und auf die Kreditversorgung der Realwirtschaft andererseits realisieren kann.

Die erhöhten Eigenkapitalanforderungen werden durch die Einführung einer nicht risikobasierten Verschuldungsobergrenze (33-faches Kernkapital) und eine neue Risikokategorie (Risiko der übermäßigen Verschuldung) ergänzt, die durch die Leverage Ratio gemessen wird. In diesem Zusammenhang haben viele Banken bereits mit der Rückführung ihres Verschuldungsgrades begonnen.

Die Einführung neuer Liquiditätskennziffern soll zudem eine solide kurzfristige und langfristige Refinanzierungsstruktur der Banken gewährleisten. Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) berücksichtigt einen Betrachtungszeitraum von 30 Tagen und dient im Krisenfall der Sicherstellung ausreichender Liquiditätsreserven. Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) deckt einen Betrachtungszeitraum von größer einem Jahr ab und fördert langfristig belastbare und ausgewogene Refinanzierungsstrukturen.

Weitere Regulierungsvorschriften gehen über die hier skizzierten Ansätze hinaus, sodass auch in Zukunft mit einer weiteren Verschärfung zu rechnen ist. Beispielhaft seien hier genannt: Das Restrukturierungsgesetz und die sich daraus ableitende Bankenabgabe; Solvency II mit möglichen Umschichtungen in der Anlagepolitik der Versicherungsunternehmen; die Reform der europäischen Einlagensicherung oder die sich in der Diskussion befindende Finanztransaktionssteuer. Die neuen Regelungen für systemrelevante Banken, die ab 2016 eine um 1 bis 2,5 Prozentpunkte höhere Eigenkapitalquote ausweisen müssen, betreffen in Deutschland voraussichtlich die Deutsche Bank und die Commerzbank.

Massive Herausforderungen für die Geschäftsmodelle der Banken

Eigenkapital war schon immer ein teures und knappes Gut für Banken. Die strengeren Eigenkapitaldefinitionen und die umfassendere Unterlegung bestimmter Risiken mit Eigenkapital werden erhöhte Anforderungen an das aufsichtsrechtliche Eigenkapital stellen und die Eigenkapitalrentabilität der Banken weiter unter Druck setzen. Der Bedarf für die deutschen Banken wird laut Deutsche Bundesbank auf 50 Milliarden Euro geschätzt.2) Andere Berechnungen gehen von deutlich höheren Werten aus.

Um den erhöhten Eigenkapitalbedarf nach Basel III/CRD IV zu decken, müssen die Banken Gewinne thesaurieren oder Kapitalerhöhungen durchführen. Unterstellt man, dass durch die neuen Regelungen die Gewinnerwartungen der Banken unter Druck geraten, dürften sowohl die interne Kapitalbildung als auch die externe Kapitalaufnahme zukünftig schwieriger werden. In jedem Fall wird der Wettbewerb der Banken um Investoren härter.

Im Vorgriff auf die neuen Anforderungen haben bereits heute einige Institute ihre Eigenkapitalbasis durch Kapitalmaßnahmen gestärkt. Parallel zu dieser Entwicklung ist ein spürbarer Abbau der Risikoaktiva zu beobachten. Dies führt bei den Banken zu einer Erhöhung der Eigenkapitalquote.

Bis zum Beginn der Subprime-Krise Mitte 2007 und vor allem bis zur Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 war der Glaube an die nachhaltige Funktionsfähigkeit des Geldmarktes in Theorie und Praxis ungebrochen. Liquidität war jederzeit verfügbar, weil die Vertrauensbasis unter den Banken gegeben war. Mit Ausbruch der Finanzkrise ist das Thema Liquidität jedoch in den Mittelpunkt der Refinanzierungsstrategien der Banken gerückt. Der Zugang zu Refinanzierungsmärkten ist bestimmender und zugleich limitierender Faktor für die geschäftspolitische Ausrichtung der Banken.

Wettbewerb um die Kundeneinlagen

Nahezu alle europäischen Banken haben ihre Bemühungen um Kundeneinlagen verstärkt. Der Druck auf die Margen im Einlagengeschäft wird dadurch langfristig hoch bleiben. Dies dokumentiert sich in zahlreichen "Lockangeboten" im Einlagengeschäft. Konservative Geschäftsmodelle, die zuvor im Zuge der Investmentbankingeuphorie als wenig attraktiv eingestuft wurden, sind dadurch zu neuem Ansehen gelangt. Insbesondere die Geschäftsmodelle von Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben in diesem Zusammenhang eine Renaissance erfahren und wirken stabilisierend in der Krise.

Während auf der Einlagenseite der Banken (kurzfristige) Tagesgelder und Sichteinlagen stehen, werden im Kreditgeschäft mittel- und langfristige Laufzeiten gefordert (Abbildung 1). Das strukturell unterschiedliche Wachstum von Einlagen und Krediten sowie die neuen Liquiditätskennziffern erschweren zukünftig die Möglichkeiten der Banken zur Fristentransformation. Hinzu kommt, dass eine Verlängerung der Fristigkeit auf der Passivseite für viele Banken entweder zu teuer oder nicht möglich sein dürfte. Langlaufende Einlagen können nur über attraktive Einlagenzinssätze gewonnen werden, was wiederum die Zinsmarge von dieser Seite unter Druck setzt.

Banken ohne Zugang zum Einlagengeschäft mit Privatkunden müssen sich über Covered Bonds und unbesicherte Bankanleihen refinanzieren. Dies ist in anhaltenden Krisenzeiten wie diesen, in denen sich die Banken nur bedingt gegenseitig trauen, schwierig und vor allem teuer. Ein verändertes Nachfrageverhalten der Banken als Investoren bringt für viele Institute somit neue Herausforderungen auf der Passivseite mit sich.

Auch bei Versicherungen - bislang einem der größten Abnehmer langlaufender Bankanleihen - wird es durch Solvency II zu Umschichtungen der Anlagen innerhalb verschiedener Kategorien von Bankanleihen kommen. Versicherungen müssen Marktrisiken, hier die Creditspreadrisiken, zukünftig mit Eigenkapital unterlegen. Da bei längerlaufenden, unbesicherten erstrangigen Bankanleihen die Volatilität relativ hoch ist, werden diese zukünftig für Versicherer deutlich an Attraktivität verlieren.

Stärkere Nachfrage nach Covered Bonds

Versicherungen werden demnach zukünftig stärker Covered Bonds nachfragen, wobei sie auch hier eventuell die Laufzeiten verkürzen werden. Inwieweit im aktuellen Kapitalmarktumfeld Staatsanleihen nachgefragt werden, die unabhängig vom Rating der Anleihe keine Kapitalunterlegung benötigen, bleibt abzuwarten.

Exogene Faktoren bestimmen somit die Refinanzierungsmöglichkeiten und die Kosten für die Liquiditätsbereitstellung und nehmen so Einfluss auf das Geschäftsmodell der jeweiligen Bank. In Zukunft werden sich einzelne Banken verstärkt die Frage stellen müssen, in welche Geschäftsfelder sie unter Risiko-/Renditegesichtspunkten ihre Eigenkapital- und Liquiditätsressourcen lenken wollen.

Auswirkungen auf das Firmenkunden(kredit)geschäft

Die Umsetzung der neuen Regulierungsvorschriften dürfte im Kreditgeschäft einerseits zu einem Preiseffekt führen. So verteuern die höheren Kosten der Refinanzierung und des Eigenkapitals die Kreditvergabe für die Banken. Dabei hängt die Refinanzierungsseite vom Geschäftsmodell und nicht zuletzt auch vom Rating der Banken als Emittenten ab. Die neuen Kapitalanforderungen führen beispielsweise bei einem durchschnittlichen Mittelstandskredit über zehn Millionen Euro mit einer Risikogewichtung von 100 Prozent zu einer höheren Kapitalunterlegung von 250 Prozent beim harten Kernkapital, von 112,5 Prozent beim Kernkapital und von 31,25 Prozent beim Gesamtkapital.

Inwieweit die Banken ihre höheren Einstandskosten "voll" an ihre Kunden weitergeben können, hängt neben der Bonität der Kreditnehmer vom Wettbewerb unter den Banken ab. Aufgrund des intensiv umkämpften Bankenmarktes in Deutschland sind die Margen im Kreditgeschäft relativ gering. Der Wettbewerb unter den Banken zeigt sich auch am Zinsüberschuss. Verglichen mit den achtziger Jahren hat sich dieser halbiert und seit Anfang des Jahrtausends auf niedrigem Niveau stabilisiert. Gemäß Ausweis der Deutschen Bundesbank lag die Zinsspanne aller Bankengruppen in den letzten Jahren zwischen 1,09 Prozent (2008) und 1,18 Prozent (2004); im Jahr 2010 belief sie sich - analog zum Vorjahr - auf 1,14 Prozent.

Andererseits werden - neben dem beschriebenen Preiseffekt - die neuen Liquiditäts- und Eigenkapitalerfordernisse als limitierende Faktoren für die Kreditvergabe von Banken auch einen Volumeneffekt haben. Auf mittlere Sicht ist ein moderater Rückgang des Kreditangebotes um wenige Prozentpunkte nicht auszuschließen. Gesamtwirtschaftlich erscheint dies verkraftbar, zumal das Neugeschäft der einzelnen Bankengruppen trotz guter Konjunktur im Jahr 2011 teilweise deutlich unter dem Niveau vor Beginn der Finanzkrise liegt. Während insbesondere die Kreditgenossenschaften (plus 20 Prozent), aber auch Sparkassen (plus 13 Prozent), seit 2006 erfreuliche Zuwachsraten im Firmenkundenkreditgeschäft erzielt haben, verzeichneten die Landesbanken (minus vier Prozent) und vor allem die Großbanken (minus 14 Prozent) Bestandsrückgänge (Abbildung 2).3)

Selektivere Kreditvergabe?

Der Volumeneffekt kann auch zu einer selektiveren Kreditvergabe der Banken führen, bei der die Bonität der Unternehmen noch stärker in den Fokus rückt. Zudem dürften die Banken vor dem Hintergrund der Liquiditätsproblematik tendenziell die Laufzeit ihrer Kredite verkürzen. Damit bekommt die Bedeutung der Hausbankbeziehung wieder ein größeres Gewicht, vor allem für kleinere und mittelgroße Unternehmen. Unternehmen mit Kapitalmarktzugang können hingegen neben der Kreditfinanzierung auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen.

Bei den nicht kapitalmarktfähigen Unternehmen spiegelt sich die Kreditwürdigkeit und letztlich auch die Krisenresistenz und Robustheit in der Eigenkapitalquote wider. Aufgrund der Basel-III-induzierten Auswirkungen auf die Finanzierungskosten der Banken sowie der höheren Kosten der Liquiditätsvorhaltung werden sich die Kreditkonditionen bei selektiverer Kreditvergabe der Banken stärker an den Risiken der Unternehmen orientieren.

Dies bedeutet aber auch, dass sich die Banken zukünftig auf die gleichen guten Bonitäten mit entsprechender Kreditqualität konzentrieren werden. Der "Kampf" um die guten Unternehmen wird sich somit verschärfen. Schlechter bewertete Unternehmen werden mit einer spürbaren Erhöhung der Kreditkonditionen rechnen müssen. Die Differenzierung der Kundenkonditionen bei den Krediten nimmt zu.

Unternehmen mit Kapitalmarktzugang und guter Bonität steht neben einer Kreditfinanzierung auch der Kapitalmarkt offen. So haben Unternehmen beispielsweise in der Finanzmarktkrise verstärkt Schuldscheindarlehen begeben. Deren Volumina haben sich von rund 20 Milliarden Euro (in 2008) und 16 Milliarden Euro (in 2009) in der Hochphase der Schuldenkrise wieder auf rund fünf Milliarden Euro in 2010 "normalisiert".4)

Neues Handelssegment für Mittelstandsanleihen

Alternativ bietet sich diesen Unternehmen bei entsprechender Höhe des Kapitalbedarfs auch die Emission von Unternehmensanleihen an, die fundamental betrachtet im aktuellen Krisenkontext aus Investorensicht das beste Risiko-/Rendite-Profil aufweisen. Das Euro-Corporate-Bond-Marktvolumen stieg im Jahre 2009 krisenbedingt auf rund 300 Milliarden Euro und war damit fast doppelt so hoch wie in den Jahren 2008 und 2010.5)

Zudem etabliert sich an den Börsen das neue Handelssegment für Mittelstandsanleihen, die Unternehmen als Eigenemission begeben. Für viele Unternehmen, nicht zuletzt Familienunternehmen, ist es die erste Berührung mit dem Kapitalmarkt. Viele dieser Unternehmen sind von keiner der internationalen Agenturen geratet. Das Marktsegment spricht Unternehmen an, die bereit sind, einen höheren Zinssatz für die Mittelaufnahme zu zahlen. Privatanlegern ermöglicht es die direkte Zeichnung von Unternehmensanleihen in kleinen Stückelungen. Die Bewährungsprobe des Marktsegments in einem schwierigeren Kapitalmarktumfeld steht jedoch noch aus.

Banken und Aufsichtsbehörden gefordert

Die neuen rechtlichen Bestimmungen werden alle Geschäftsfelder der Banken beeinflussen. Hinzu kommen eine weitere Verschärfung der Wettbewerbssituation unter den Banken sowie ein unverminderter harter Preiskampf. Umso wichtiger wird die stringente Ausrichtung der internen Prozesse. Dabei ist eine zügige und kostenoptimierte Abwicklung des Kreditgeschäfts die Basis für ein erfolgreiches Agieren im Markt. Hierunter fällt ein "intelligentes" Management der Risikoaktiva, wie zum Beispiel die bedarfsgerechte Kreditlinienbereitstellung, der Verzicht auf die Einrichtung vielfach nicht genutzter interner Limite oder die Hereinnahme von kapitalentlastenden Sicherheiten, um das teure und knappe Gut Eigenkapital effizient einzusetzen.

Unterschiedliche Risiken der Geschäftsmodelle

Gleichwohl sind auch die Regulierungsgremien gefordert, bei ihren Entscheidungen im Bankensektor mit Augenmaß vorzugehen, um potenziell dauerhafte negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu vermeiden. Risikoarme Geschäftsmodelle von Banken, die sich auch in einem konjunkturell schwierigen Umfeld nicht aus der Fläche zurückziehen, sind tendenziell von risikoreicheren Geschäftsmodellen zu unterscheiden. Volksbanken und Raiffeisenbanken haben in allen Konjunkturzyklen den Mittelstand finanziert und damit gezeigt, dass sie den Willen haben, Unternehmen auch in schwierigen Zeiten zu unterstützen. Die Genossenschaftliche Finanzgruppe wird ihr Mittelstandsgeschäft in diesem Sinne weiter entwickeln. Unabhängig von möglichen Nachbesserungen des Regelwerks wird die DZ Bank sich intensiv um dieses wichtige strategische Geschäftsfeld kümmern, um dem Mittelstand auch weiterhin ein solides Fundament bereitzustellen.

Fußnoten

1) Inklusive Kapitalerhaltungspuffer, der ab 2016 schrittweise eingeführt wird; exklusive antizyklischem Kapitalpuffer (institutsabhängig bis 2,5 Prozent).

2) Kapitalbedarf von Gruppe-1-Banken für die Erfüllung der geforderten Mindestquoten an das harte Kernkapital bis 2018 gemäß "Finanzstabilitätsbericht 2010" der Deutschen Bundesbank und "Results of the Comprehensive Quantitative Impact Study" der BIS.

Gruppe-1-Banken sind Institute, die über ein Kernkapital von mehr als drei Milliarden Euro verfügen, international tätig sind und über ein diversifiziertes Geschäftsmodell verfügen.

3) Deutsche Bundesbank, DZ Bank Research

4) Börsenzeitung, Nr. 9, vom 14. Januar 2011, S. 4. 5)DZ Bank Research.

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