Gespräch des Tages

Auskunfteien - Ungenutztes Potenzial?

Dass im nahezu undurchschaubaren Dickicht der internationalen Finanzwelt unentdeckte oder zumindest wenig beachtete (systemische) Klumpenrisiken einen ganz wesentlichen Teil zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen haben, ist eine der frühen "Lektionen" bei der Analyse der Verwerfungen. Nur wie weit reicht diese Erkenntnis? In den großen Kredithäusern der zumeist westlichen Finanzwelt hat man zunächst sorgsam an den Risikomanagementsystemen geschraubt und gedreht, um die Exposures auch in Ausnahmefällen (besser) unter Kontrolle zu haben.

Weiterer Konsens ist die Zweckmäßigkeit, ein wenn auch (vorerst) nicht internationales, dann wenigstens nationale Frühwarnsysteme zu etablieren. Könnten Auskunfteien vor Fehlentwicklungen im Kreditgeschäft warnen? Dazu die Überlegung: Angenommen, es gäbe eine Datenbank, die (recht) detaillierte Angaben zu Kreditengagements enthält und mögliche Überschuldungen dokumentiert. Kreditregister ähnlicher Art existieren bereits in Frankreich, Italien oder Spanien - in Deutschland gibt es sie lediglich für Groß- und Millionenkredite. Weiter angenommen, man würde diese Datenbank nach allen Künsten des "Data Mining" anonymisiert nach Klumpenrisiken und möglichen Fehlentwicklungen durchforsten können. Dann ließen sich theoretisch Brandherde im Kreditgeschäft rechtzeitiger feststellen, als das bislang möglich ist. Sie ließen sich vielleicht nicht sehr konkret identifizieren, und auch entsprechende Gegenmaßnahmen würden nicht direkt geboten. Aber in einer komplexen Finanzwelt würde ein zusätzliches, volkswirtschaftliches Signal sicher nicht schaden.

Um nun diese theoretische Überlegung in die reale Welt zu projizieren, braucht es zudem weniger, als man zunächst annehmen mag. Denn Datenbanken mit allerlei Kreditinformationen gibt es längst. Auskunfteien in 27 Ländern, allein im ACCIS-Verband (Association of Consumer Credit Information Supplies), haben sie gesammelt. In vielen Fällen, wie etwa Schufa in Deutschland oder CDIA in den USA, handelt es sich um private Organisationen. In anderen Ländern sind es die staatlichen Kontrollinstanzen selbst, welche die Informationen sammeln und zum Teil auch unter systemischen Aspekten beurteilen. Zum Beispiel unverantwortliche Vergabepraktiken, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise angewandt wurden, wollen die Credit Bureaus in ihren Datenbeständen erkennen können.

Umso mehr muss es verwundern, dass es in bedeutenden Märkten wie den USA bislang keinerlei Kontakt zwischen der Fed und den Auskunfteien des Landes gibt und in Deutschland nur zögerliche "erste Gespräche" zwischen BaFin/Bundesbank und Schufa stattfinden. Um die Informationen der Auskunfteien tatsächlich nutzen zu können, müssten freilich noch Fragen zum Datenschutz geklärt und andere mögliche Wegengen geprüft werden - etwa eine (notwendige) Meldepflicht. Und auch die Schufa wird vielleicht noch stärker als in der Vergangenheit unangenehme Fragen hinsichtlich mangelnder Transparenz, fehlerhaften Datenbeständen, Missbrauchsmöglichkeiten und dem befürchteten Aufbau einer (privatwirtschaftlichen) Zentraldatei beantworten müssen. Angesichts des volkswirtschaftlichen Schadens, den Finanzkrisen anrichten können, gilt es dennoch, alle verfügbaren Möglichkeiten zur Prävention und Früherkennung auch zu prüfen - und wo sinnvoll - zu nutzen.

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