Gespräch des Tagess

Allfinanz - Geplatzte Träume

Banker sind schlechte Versicherungschefs, Versicherungsmanager können
keine Bank führen, und überhaupt funktioniert das Nebeneinander von
Bank und Versicherung in einem gemeinsamen Haus wenig bis überhaupt
nicht. All die Kritiker des für eine der zahlreichen Modeerscheinungen
der Finanzbranche schon zu lange propagierten Allfinanzkonzepts
scheinen Recht zu behalten die Befürworter werden angesichts der
jüngeren Entwicklungen leiser und leiser. Zwei Beispiele zeigen, dass
der ursprüngliche Allfinanzgedanke tatsächlich vor dem Aus stehen und
stattdessen in den kommenden Jahren eine Konsolidierungswelle über die
Versicherungsbranche und die Bankbranche europaweit hinwegrollen
könnte - allerdings fein säuberlich voneinander getrennt.
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Erstens der Verkauf der Winterthur an die Axa. Die Schweizer Credit
Suisse zieht damit ebenfalls, wie andere Banken vor ihr schon, die
Konsequenzen aus dem mangelhaften Nebeneinander von Bank und
Versicherung unter einem Dach. Der Preis von 12,3 Milliarden Euro
liegt sogar über den Erlösschätzungen, die bei einem angedachten
Börsengang der Versicherungstochter zu erzielen gewesen wären. Dieses
Geld soll nun umgehend in das Kerngeschäft der Credit Suisse nämlich
die Bank reinvestiert werden. Zudem, so heißt es bei den Schweizern,
hätte ein Spin-Off der Winterthur die Kapitalbasis geschwächt, ist die
Versicherungstochter doch mit vier Milliarden Euro im Kernkapital
enthalten. Mit dem Verkaufserlös kann die Kapitalbasis für künftige
Wachstumspläne gestärkt werden, und das die nicht die
Versicherungsbranche im Fokus haben werden, liegt auf der Hand. Zur
Axa dagegen passt die Winterthur gut: Es gibt wenig Überschneidungen,
im Gegenteil, die Schweizer verbessern die Position der Axa in einigen
Regionen unter anderem in Deutschland erheblich. Hinzu kommen nicht zu
unterschätzende Synergieeffekte durch die Zusammenlegung von
Tätigkeiten. Ab 2009 soll der Mehrgewinn aus dem Deal bereits sieben
Prozent je Aktie betragen.
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Zweites Beispiel für das harte Geschäft mit der Allfinanz: die erneut
tiefen und heftig umstrittenen Einschnitte bei Allianz und Dresdner.
Der Versicherungskonzern schließt im Deutschlandgeschäft unter dem
Dach der Allianz Deutschland AG (ADAG) jede zweite Niederlassung und
entlässt mehr als 5 000 Mitarbeiter. Die Dresdner Bank, so wird
mitgeteilt, integriere ihre Geschäftseinheiten stärker und schaffe
klar differenzierte Geschäftsbereiche für Privat- und Firmenkunden,
Investmentbanking und Business Services. Filialmitarbeiter sollen noch
mehr Zeit in der Kundenbetreuung verbringen, die Zahl der Standorte
für das Mittelstandsgeschäft und das Private Banking wird mehr als
verdreifacht und durch die Integration des Investmentbanking in die
Dresdner Bank sollen Konzerne und Institutionelle bei ihren
Kapitalmarktaktivitäten aus einer Hand betreut werden. Das kostet
immerhin noch einmal knapp 2 500 Angestellte bis 2008 den Job.
Auffällig: Kein Wort in der ganzen Pressemitteilung über die
Zusammenarbeit mit der Mutter Allianz, mit einer kleinen Ausnahme, man
möchte über die Allianzvertreter neue Kunden generieren.
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Das alles geschieht vor dem Hintergrund der durchaus sinnvollen
Europaorientierung des Allianz-Konzerns: Die Verschmelzung mit der
italienischen Ras und die Umgründung zu einer Societas Europaea sind
sicherlich nachvollziehbare Schritte. Doch leider geschehen die
Einschnitte bei Allianz und Dresdner zumindest von außen betrachtet
wieder mal getrennt voneinander. Der Versicherungskonzern wird
verschlankt und die Bank neu sortiert, was beides für sich genommen
sicherlich richtig und auch notwendig ist trotz Rekordgewinnen in den
vergangenen Jahren. Doch sind Maßnahmen, die auf eine engere
Verzahnung des Geschäftsmodells, auf eine gemeinsame Steuerung und das
noch konsequentere Ausnutzen von Vertriebsmöglichkeiten hinauslaufen
weit und breit nicht zu erkennen.
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Dass Allfinanz auf einer anderen Ebene funktioniert, zeigen die
überaus rührigen Finanzvertriebe wie DVAG, MLP und AWD. Sie vermitteln
gleichermaßen erfolgreich Bank- und Versicherungsprodukte. Der Grund
ist einfach: Hier findet keine Kannibalisierung statt. Dem
AWD-Verkäufer ist gleich, ob er die 100 Euro Kunden-Erspartes in einer
Lebensversicherung oder einem Fonds anlegt. Seine Provision bleibt
dieselbe. Anders bei den Versicherungsgenerälen oder den
Filialmitarbeitern in den Bankzweigstellen: Sie haben ein ureigenes
Interesse, das eigene Haus zu fördern, so dass nie ein
gleichberechtigter Vertrieb beider Produktsparten erfolgen kann.
Nebeneinander also ja, miteinander nein - das scheint die Allfinanz
der Zukunft.

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