Schwerpunkt Finanzstabilität

35 Jahre Regulierung - eine Bilanz mit Ausblick

Staatliche Eingriffe zum Zweck der Regulierung wurden schon seit dem 17. Jahrhundert bei Börsengeschäften vorgenommen. Dies war häufig eine Folge von Krisen. 1931 wurde als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise eine allgemeine Bankenaufsicht eingeführt. Seitdem wurden die Regularien erweitert und überarbeitet, ergänzt und verfeinert. Ein Überblick über die regulatorischen Änderungen in der deutschen Gesetzgebung im Kontext wirtschaftshistorischer Ereignisse seit der Neufassung des Kreditwesengesetzes zeigt den Verlauf. Die siebziger Jahre Das neu gefasste und im Januar 1962 in Kraft getretene Gesetz über das Kreditwesen (KWG) stand bereits zu Beginn der siebziger Jahre unter erheblichem Reformdruck. Neue Finanzierungsmethoden und Geschäftsbereiche der Kreditinstitute sowie ein verschärfter Wettbewerb im Kreditgewerbe im Zusammenhang mit der Aufhebung der Zinsverordnung und des Wettbewerbsabkommens drängten den Gesetzgeber zu einer Überprüfung bestehender Regularien. Bis Mitte des Jahrzehnts mussten insgesamt 21 Kreditbanken einen Vergleich oder Konkurs beantragen, wodurch zusätzlich ein schwindendes Vertrauen der Öffentlichkeit in die Funktionsfähigkeit der deutschen Kreditwirtschaft zu beobachten war. Die größte Regulierungswelle verursachte 1974 der Zusammenbruch der Kölner Privatbank Herstatt. Die Herstatt-Pleite war damals ein Schock für die Finanzwelt. Die zeitweise zweitgrößte Privatbank war 1955 gegründet worden und in den sechziger Jahren sehr erfolgreich gewesen. Eine weitgehend unkontrollierte, exzessive Devisenmarktspekulation auf einen nach der Ölkrise und der Freigabe der Wechselkurse steigenden Dollar war die Ursache für die größte Bankenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte. Am Ende stand ein Verlust von 1,2 Milliarden D-Mark einer Eigenkapitalbasis von zirka 77 Millionen D-Mark gegenüber. Aus regulatorischer Sicht löste dies gravierende Veränderungen aus. Über den durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) neu geschaffenen GrundsatzIa wurden Devisenmarktgeschäfte der Banken erheblich eingeschränkt. Die sogenannte Liquiditäts-Konsortialbank gewährte bonitätsmäßig einwandfreien Kreditinstituten Liquiditätshilfe in Krisenzeiten. Durch die Einrichtung des Einlagensicherungsfonds versuchte der Bundesverband deutscher Banken, das Vertrauen der Sparer wiederherzustellen. Schließlich reagierte der Gesetzgeber, indem er die Änderung des KWG initiierte (2. KWG-Novelle). Mit den verschärften Großkreditvorschriften (unter anderem Absenkung der Großkreditgrenze von bisher 100 Prozent auf 75 Prozent des haftenden Eigenkapitals) wurde insbesondere der Tatsache Rechnung getragen, dass in 17 der besagten 21 Konkurs- oder Vergleichsfälle ein unmittelbarer Zusammenhang mit uneinbringlich gewordenen Großkrediten bestand. Darüber hinaus wurden mit der 2. KWG-Novelle Sonderprüfungen durch die Aufsicht ohne besonderen Anlass zulässig. Ebenfalls eingeführt wurde das sogenannte Vieraugenprinzip, wonach die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nur dann erteilt wird, wenn mindestens zwei Geschäftsführer das Kreditinstitut leiten. Gleichzeitig wurden die Meldepflichten der Banken erweitert und bei Insolvenzgefahr war die Aufsicht nunmehr befugt, dem betreffenden Institut alle Arten von Zahlungen zu verbieten und damit ein Moratorium anzuordnen. Die achtziger Jahre Eine deutliche Zunahme der internationalen Verflechtung der Finanzmärkte kennzeichnete die europäische Bankenlandschaft zu Beginn der achtziger Jahre. Während noch Ende 1977 lediglich 35 Banken in anderen Staaten im Mehrheitsbesitz deutscher Kreditinstitute standen, waren es Ende 1982 bereits 61 Banken, mit dem Schwerpunkt der deutschen Auslandspräsenz am Finanzplatz Luxemburg. Im Zusammenhang mit inflationären Tendenzen und erheblichen Konjunktureinbrüchen als Folgen der zweiten Ölpreiskrise veränderte sich die Risikosituation der Branche. Außerdem nutzten die Institute die noch bis Mitte/Ende der siebziger Jahre vorhandene Niedrigzinsphase, indem sie langfristige, niedrig verzinsliche Darlehen nicht fristenkongruent refinanzierten. Als das Zinsniveau dann rasch anstieg, gerieten einige der Institute in eine beträchtliche Schieflage. Die Hochzinsphase zu Beginn der achtziger Jahre war für einige Institute existenzbedrohend. Um zukünftig solche Schieflagen zu vermeiden, führte die Aufsicht für sämtliche Banken verpflichtend Zinsbindungsbilanzen ein. Neben den Zinsänderungsrisiken stiegen in der Hochzinsphase insbesondere auch die Länder- und Währungsrisiken. Allerdings hatte das Wachstum der Eigenkapitalbasis international tätiger Banken oftmals nicht mit der Ausweitung des Bankgeschäfts Schritt gehalten. Im Gegenteil, in einigen Fällen wurde über ausländische Tochterunternehmen das zu unterlegende Eigenkapital sogar mehrfach ausgenutzt. So betrug beispielsweise das durchschnittliche Kreditvolumen der insgesamt 30 Luxemburger Tochterbanken das 27,7-fache des haftenden Eigenkapitals (hEK). Nach Grundsatz I lag die zulässige Obergrenze bei dem 18-fachen des hEK. Damit stand beträchtlichen "Kreditpyramiden" nur ein geringes Eigenkapital gegenüber. Kreditpyramiden Für besonderes Aufsehen sorgte erneut eine Schieflage in Verbindung mit ausgefallenen Großkrediten: Die Hamburger Privatbank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. hatte dem Baumaschinen-Konzern Esch Kredite über das Achtfache des Bankkapitals gewährt, welche sich im Jahr 1983 als uneinbringlich erwiesen. Nur mit Hilfe der Liquiditäts-Konsortialbank, des Einlagensicherungsfonds der Banken und der Bereitschaft der wesentlichen Gläubiger, ihre Forderungen in Eigenkapital umzuwandeln, konnten die Auswirkungen der zweiten großen Bankenpleite nach Herstatt abgemildert werden. Der Gesetzgeber nahm sich dieser Problemstellung an, indem er im Rahmen der 3. KWG-Novelle im Jahr 1985 unter anderem abermals die Großkreditgrenze auf nunmehr 50 Prozent des hEK absenkte. Über die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis wurde zudem versucht, mittels eines bankaufsichtlichen Konsolidierungsverfahrens die Kreditpyramiden und somit eine mehrfache Nutzung des haftenden Eigenkapitals zu verhindern. Die verschärften Großkreditvorschriften waren demzufolge auch auf Ebene der Institutsgruppe einzuhalten. Eine strenge Definition der haftenden Eigenmittel sollte überdies die Qualität der Kapitalbasis verbessern. Zum Ende der achtziger Jahre und mit der Wiedervereinigung erlebte die deutsche Immobilien- und Baubranche einen beträchtlichen Aufschwung. Insbesondere staatliche Programme, wie zum Beispiel das sogenannte Berlinförderungsgesetz, sorgten für zusätzliche Stimulation. Dabei wurde der Immobilienbau gefördert, indem Sonderabschreibungen zulässig waren, welche in den ersten Jahren der Investition hohe Verluste und somit eine deutlich verminderte Steuerlast nach sich zogen. Negative Erfahrungen mit diesem Anreizsystem und dieser Stimulierung der Wirtschaft hatten die Banken schon in den siebziger Jahren mit den sogenannten Bauherrenmodellen gemacht. Die deutsche Bauwirtschaft, erlebte nach einer langen Stagnationsphase ab 1986 eine starke Belebung, und zwar auf der Grundlage privaten Wirtschafts- und Wohnungsbaues bei gleichzeitig zurückhaltender Nachfrage durch die öffentliche Hand. Die damit angeheizte Preisentwicklung am Immobilienmarkt fand schließlich ihren Höhepunkt im "Aufbau Ost". Die neunziger Jahre Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 entwickelte sich im deutschen Baugewerbe eine im internationalen Vergleich antizyklische Sonderkonjunktur, die auf dem erheblichen Nachholbedarf an Wirtschafts-, Wohnungs- und öffentlichem Infrastrukturbau in den neuen Ländern basierte und durch staatliche Mittel (Sonderabschreibungen) massiv gefördert wurde. Dort wurde über mehrere Jahre die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich von der Bautätigkeit getragen. Mit der Zeit zeigte sich, dass derartige Förderungs- und Steuersparmodelle für die Investoren oftmals mit erheblichen Verlusten verbunden waren, nicht zuletzt, weil hohe Konzeptionskosten mitfinanziert wurden und sich die Objekte selbst vielfach als wenig ertragreich erwiesen. Deutliche Rückgänge der Immobilienpreise und schwindende Einkünfte bei den Kreditnehmern führten zu erheblichen Ausfällen bei den Kreditinstituten. Die neunziger Jahre standen insbesondere im Zeichen einer weiteren Harmonisierung des europäischen Bankaufsichtsrechts und dem damit angestrebten Abbau von regulatorisch bedingten Wettbewerbsverzerrungen. So zielte die 4. Novelle des KWG aus dem Jahr 1992 in erster Linie darauf ab, die Zweite Bankrechtskonsolidierungsrichtlinie sowie die Eigenmittelrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft in deutsches Recht umzusetzen. Mit dem über die Bankrechtskonsolidierungsrichtlinie eingeführten "Europäischen Pass" bedürfen Kreditinstitute, die in anderen EG-Mitgliedsstaaten zugelassen sind, für ihr Geschäft in Deutschland keine gesonderte Zulassung mehr. Für die Aufsicht über grenzüberschreitende Tätigkeiten ist demzufolge die Behörde des Herkunftsstaates zuständig (Leitprinzip der Herkunftslandkontrolle). Veränderungen der Definition des haftenden Eigenkapitals Über die Eigenmittelrichtlinie (Umsetzung von Basel I) erfuhr die Definition des haftenden Eigenkapitals erhebliche Veränderungen. Zukünftig war zwischen dem Kernkapital und dem Ergänzungskapital erster und zweiter Klasse zu unterscheiden. Das Kernkapital umfasst im Wesentlichen eingezahltes Kapital und offene Rücklagen, während das Ergänzungskapital aus versteuerten stillen Reserven, Genussrechten und kumulativen Vorzugsaktien besteht. Ebenfalls zum Ergänzungskapital sind nachrangige Verbindlichkeiten zu zählen. Insgesamt darf das Ergänzungskapital maximal bis zur Höhe des Kernkapitals angerechnet werden. Die 4. KWG-Novelle war darüber hinaus entscheidend geprägt vom Skandal im Zusammenhang mit den Machenschaften der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) zu Beginn der neunziger Jahre. Diese wurde 1991 durch die Bank of England offiziell geschlossen, nachdem Geldwäsche, Bestechung, Waffenhandel und Terrorismusfinanzierung offengelegt werden konnten. Um die Verflechtungen des Kapitals besser zu überblicken, erweiterte der Gesetzgeber die Anzeigepflichten der Institutsgruppen. Zudem ist dem Problem der Freizügigkeit innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes begegnet worden, indem die Novelle verschärfte Eigentümerkontrollen und Erlaubnisverfahren vorsah. Dabei stand die Zuverlässigkeit der Anteilseigner im Mittelpunkt. Die EG-Richtlinien über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis sowie über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten veranlassten den nationalen Gesetzgeber, bereits zwei Jahre später die 5. Novelle des KWG zu verabschieden. Neben einem weiteren Schritt zur Harmonisierung europäischer Bankenregulierungen standen die Nichtbanken im Konsolidierungskreis im Fokus. Bisher ließ sich die bankaufsichtliche Zusammenfassung vermeiden, indem anstelle eines Kreditinstituts eine Nichtbank als Holdinggesellschaft an die Spitze einer Gruppe von Kreditinstituten gestellt wurde, wobei sich das Risikoprofil einer solchen Gruppe nicht von dem einer Kreditinstitutsgruppe unterscheidet. Die Großkreditrichtlinie verschärfte darüber hinaus abermals die Aufsichtsregeln für Großkredite. So lag die Großkrediteinzelobergrenze nunmehr bei 25 Prozent des hEK beziehungsweise 20 Prozent des hEK bei Großkrediten an Konzernunternehmen. Insgesamt durfte die Summe aller Großkredite maximal das Achtfache des hEK betragen. Die neuen Großkreditvorschriften waren auch auf konsolidierter Basis einzuhalten. Weitere EG-Richtlinien, insbesondere die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, die Kapitaladäquanzrichtlinie sowie die sogenannte BCCI-Folgerichtlinie, wurden 1998 in der 6. KWG-Novelle umgesetzt. Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie enthielt Mindestbedingungen für die Zulassung und Beaufsichtigung von Unternehmen, die gewerbsmäßig Wertpapierdienstleistungen erbringen. Hierdurch wurden sowohl die Regelungen des Europäischen Passes als auch das Herkunftslandprinzip auf derartige Unternehmen erweitert. Abgrenzung von Handels- und Anlagebuch Ergänzend reguliert die Kapitaladäquanzrichtlinie die Beaufsichtigung von Risiken, die bei Geschäften mit Finanzinstrumenten entstehen. Insgesamt wurde die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten vereinheitlicht. Mit Umsetzung der BCCI-Folgerichtlinie sollte als weitere Konsequenz des BCCI-Skandals die Aufsicht über Finanzunternehmen verbessert werden. Eine einschneidende Veränderung ergab sich durch die über die Kapitaladäquanzrichtlinie übernommene Abgrenzung von Handelsbuch und Anlagebuch. Dabei ist das entscheidende Kriterium für die Zuordnung einer Position zum Handelsbuch der auf einen Handelserfolg ausgerichtete Geschäftszweck. Das Anlagebuch ist demnach eine Restgröße für Positionen, die nicht unter das Handelsbuch fallen. Mit dem Handelsbuch folgte der Aufseher den geänderten Gegebenheiten bei den Banken. Immer mehr Banken bauten in den neunziger Jahren ihre Investmentban-king-Aktivitäten aus. Große Handelsabteilungen (zum Teil auch in ausländischen Niederlassungen) sollten zusätzliche Ertragsquellen aus dem Handel mit Zins- und Aktiengeschäften inklusive Derivaten generieren. Es bestand insgesamt das Erfordernis, für Universalbanken einerseits und Wertpapierhäuser andererseits, ein einheitliches Regelwerk zu schaffen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Mit der Erweiterung des aufsichtlichen Regelwerks wurde den Banken erstmals erlaubt, nach Genehmigung durch die Aufsicht ihre eigenen Marktrisikomodelle zur Bestimmung ihrer Eigenmittelerfordernisse heranzuziehen. Jedoch eröffneten die neuen Handelsbuchregeln auch diverse Möglichkeiten zur aufsichtlichen Arbitrage. Zwar müssen bei Handelsbuchpositionen die Marktrisiken (Zins- und Aktienkursrisiko) mit Eigenkapital unterlegt werden, anders als im Anlagebuch sind hier aber sogenannte Nettopositionen zu bilden, wodurch die regulatorischen Kapitalanforderungen deutlich reduziert werden konnten. Die Schwachstellen von Basel I waren Ende der neunziger Jahre ein wesentlicher Treiber dafür, dass sich der Baseler Ausschuss mit einer grundlegenden Überarbeitung des Regelwerks befasste. Die Kritik der Banken an Basel I betraf die nicht risikoadäquat erfassten Kreditrisiken. Die Aufseher hatten zudem erkannt, dass Basel I weder die mit der Kreditverbriefung verbundenen Risiken noch die komplexen Finanzinstrumente sachgerecht behandelte. Auch sollte die umfangreiche regulatorische Arbitrage eingedämmt werden. Ein neues Rahmenwerk für die angemessene Eigenkapitalunterlegung stand daher ab 1999 zur Konsultation und sollte den Baseler Akkord von 1988 ("Basel I") ablösen. Der Weg zu Basel II In Form eines Drei-Säulen-Modells, mit Mindesteigenkapitalanforderungen als Säule 1, dem aufsichtlichen Überprüfungsprozess als Säule 2 und einer erweiterten Offenlegung zur Stärkung der Marktdisziplin als dritte Säule, wurde der neue Baseler Akkord ("Basel II") im Jahr 2006 im Rahmen der sogenannten Capital Requirement Directive (CRD) durch die EU verabschiedet und schließlich 2007 in nationales Recht umgesetzt. Die Spezifizierung der technischen Einzelheiten wurde dabei im Rahmen der Solvabilitätsverordnung (SolvV), der Liquiditätsverordnung (LiqV), der Groß- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV) sowie den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) vorgenommen. Im Fokus der Neuerungen stand vor allem die risikoadäquate Eigenmittelunterlegung. Während Basel I durch grobe Abstufungen zu Fehlallokationen des regulatorischen Kapitals führen konnte, soll der neue Akkord die Eigenkapitalunterlegung stärker am tatsächlichen Risiko ausrichten, wobei bonitätsmäßige Klassifizierungen im Standardansatz anhand externer Ratings vorzunehmen sind. Weitere Veränderungen betrafen die regulatorische Behandlung von Verbriefungen. Die Abweichung des bankaufsichtlichen Kreditrisikos vom tatsächlichen Risiko hatte dazu beigetragen, dass die Marktteilnehmer Verbriefungstechniken als Methode zur Optimierung ihrer internen Kapitalsteuerung entwickelten. Im Ergebnis kam es durch ABS-Transaktionen häufig zu einer signifikanten Absenkung der regulatorischen Kapitalanforderungen, ohne dass in jedem Fall auch das Kreditrisiko einer Bank entsprechend zurückgegangen war. Durch Basel II mussten zukünftig die Eigenkapitalanforderungen für Investoren von Verbriefungen anhand externer Ratings (im Standardansatz) berechnet werden, während die Unterlegung der Originatoren vom Grad des Risikotransfers abhängig gemacht wurde. Die erstmalige Berücksichtigung operationeller Risiken bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen trug der wachsenden IT-Abhängigkeit im Bankensektor, der gestiegenen Komplexität von Produkten und Prozessen sowie den Outsourcing-Maßnahmen Rechnung. Damit wurde unter anderem auf spektakuläre Fälle, in denen das Ausmaß des betrieblichen Risikos im Finanzwesen zum Tragen kam, reagiert. So zum Beispiel im Fall der britischen Barings-Bank, die 1995 zusammenbrach, nachdem sich ein einzelner Händler durch riskante Spekulationsgeschäfte für einen Verlust von insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar verantwortlich zeigte. Spekulationsblasen Auch im Fall der New Economy wurde die Bedeutung der Finanzkennzahlen in den Bilanzen deutlich unterschätzt. Auf dem Höhepunkt der New Economy platzte im März 2001 die Spekulationsblase bei den Dotcom-Unternehmen. Viele junge Unternehmen hatten die Zukunftsaussichten von Internet, Handys und PCs genutzt, um an die Börse zu gehen. Die Unternehmen expandierten mit der verfügbaren Liquidität und kauften andere Unternehmen auf. Investmentfonds bewarben und verstärkten die Spekulationsblase und den Neuen Markt. Ohne von den Unternehmensbewertungen und Jahresabschlüssen Kenntnis zu nehmen, stiegen die Gewinnerwartungen, die nicht erfüllt werden konnten. Die ersten Insolvenzen wurden angemeldet, fingierte Umsätze tauchten auf und die Händler, gefolgt von den Kleinanlegern, verkauften ihre Anteile. Die daraus folgende Rezession in den USA wurde mit einer Niedrigzinspolitik bekämpft. Dies sorgte erneute für eine Spekulationsblase: die am Immobilienmarkt. Die Banken verbrieften Kreditforderungen, um an neues Kapital für weitere Kredite zu kommen. Das Kreditrisiko wurde mit den Verbriefungen an beispielsweise Hypothekenbanken und Versicherungen weitergegeben. Die Risiken von Hypothekenkrediten wurden in Zweckgesellschaften eingebracht und als forderungsbesichertes Wertpapier (MBS) mit möglichst gutem Rating weiterverkauft. Um in Verbriefungen zu investieren, mussten Finanzinstitutionen weniger Eigenkapital vorhalten als bei einer direkten Kreditvergabe. Die Verbriefungen wurden noch weiter genutzt, indem die MBS-Tranchen wiederum in Zweckgesellschaften eingebracht und als Collateralized Debt Obligation (CDO) erneut verbrieft und geratet wurden. Europäische Banken konnten durch die CDOs am Verbriefungsgeschäft teilhaben. Liquiditätsrisiko im Blick Zusätzlich war es möglich, Aktiva mit kürzerer Frist rollierend zu refinanzieren. Mit dieser Fristentransformation ging die Gefahr der Anschlussfinanzierung einher. Um dem Liquiditätsrisiko zu entrinnen, mussten Banken Garantien in Form von Liquiditätslinien bereitstellen. Dafür wurde häufig eine Laufzeit knapp unter einem Jahr gewählt, weil dann nach Basel II keine Eigenkapitalanforderungen bestanden. Als ein Regulierungsdefizit kann neben der unkritischen Übernahme externer Ratings die Zulassung der exorbitanten Fristentransformation angesehen werden. Die zweite Säule von Basel II hat es nicht geschafft, übermäßige Fristentransformation zu unterbinden. Als die Anleger in der Finanzkrise risikoavers wurden, die fälligen Commercial Papers nicht mehr kauften und die Refinanzierung der Banken stockte, trat ein in den letzten Jahrzehnten vernachlässigtes Risiko in den Vordergrund: das Liquiditätsrisiko. Die Ursachen und Folgen der weltweiten Finanzkrise wurden in zahlreichen Studien und Papieren aufgearbeitet. Neben einigen "Notfallpaketen" von den Gesetzgebern (wie zum Beispiel das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Oktober 2008) sind auch Initiativen aus Basel und Brüssel bezüglich neuer regulatorischer Anforderungen in Änderungen und Entwürfen zum KWG und ihren anhängenden Verordnungen eingeflossen. Weitere Verschärfung Im Zentrum der Ursachenforschung und somit auch im Zentrum der Änderungsvorschläge steht die regulatorische Behandlung von Verbriefungen und Wiederverbriefungen. Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass Wiederverbriefungen ein höheres Risikoprofil vorweisen als einfache Verbriefungen, von den Aufsehern wurden aber bisher beide Positionen gleichbehandelt. Mit den Änderungsentwürfen zum KWG sollen die Risikogewichte für Wiederverbriefungen gegenüber Verbriefungen nun deutlich angehoben werden. Zudem obliegen dem Investor von (Wie-der-)Verbriefungen in Zukunft deutlich höhere operationelle Anforderungen (Due Diligence). So darf er beispielsweise nur dann Verbriefungspositionen halten, wenn der Originator einen wesentlichen Anteil am Verbriefungsportfolio kontinuierlich zurückbehält. Ebenfalls sind Informationen über die Reputation des Originators sowie die Durchführung von Risikoanalysen und Stresstests erforderlich. Die Zuordnung von Verbriefungen in das Handelsbuch soll in Zukunft stärker hinterfragt werden. Erweiterung qualitativer und quantitativer Offenlegungspflichten Hinsichtlich der Großkreditvorschriften für Kreditinstitute sind den einzelnen Entwürfen zufolge abermals deutliche Verschärfungen zu erwarten. So sollen beispielsweise die Kriterien zur Bildung einer Kreditnehmereinheit erweitert werden. Gleiche (Re-)Finanzierungsquellen oder einseitige finanzielle Abhängigkeiten können in Zukunft die Bildung von Kreditnehmereinheiten nach sich ziehen. Zudem werden Interbankenforderungen zukünftig voll auf die Großkrediteinzelobergrenze angerechnet, die privilegierte Stellung bei Laufzeiten unter einem Jahr entfällt. Schließlich wird neben der umfassenden Erweiterung qualitativer und quantitativer Offenlegungspflichten eine Verbesserung der Qualität des regulatorischen Eigenkapitals angestrebt. Entsprechende Maßnahmen konzentrieren sich auf qualitäts- beziehungsweise prinzipienorientierte Anrechnungskriterien sowie strengere Anrechnungsgrenzen für Hybridkapital. Der Baseler Ausschuss schlägt darüber hinaus die Einführung von Kennzahlen zur Überwachung kurz- und langfristiger Liquidität, die Implementierung einer nichtrisikobasierten Leverage Ratio sowie die Bildung antizyklischer Kapitalpuffer vor. Die Eigenkapitalausstattung sollte nicht nur an der momentanen Situation des Kreditinstitutes orientiert sein, sondern sich an einen konjunkturunabhängigen Verlauf ausrichten. Eine optimale Regulierung könnte große systemische Risiken frühzeitig erkennen lassen. Außerdem muss aufgrund der weltweiten Verflechtungen der Finanzwelt auch die Aufsicht international zusammenarbeiten, große Ansprüche, die von einer formalen Regulierung kaum zu erfüllen sind. Rückbesinnung und Qualitätsverbesserung Insgesamt zeigen die Ausführungen, dass regulatorische Änderungen oftmals als kurz- und mittelfristige Reaktionen auf Krisen und Schieflagen im Finanzsystem erfolgten. Daneben ist seit Mitte der neunziger Jahre die beabsichtigte Harmonisierung internationaler beziehungsweise EU-weiter Aufsichtsregelungen im Zusammenhang mit der europäischen Integration und der Globalisierung der Geld- und Kapitalmärkte eine wesentliche Ursache für die zunehmende Regulierung gewesen. Die hohe Dynamik von Produkten und Prozessen im Bankgewerbe hat die Gesetzgeber zudem gezwungen, Vorschriften ständig zu hinterfragen. Mit der neuen internationalen Freizügigkeit standen darüber hinaus regulatorisch bedingte Wettbewerbsverzerrungen im Fokus, denen mit einzelnen deregulierenden Maßnahmen begegnet wurde. Die Hintergründe der Gesetzesänderungen sind somit vielfältig und letztlich politisch geprägt, offensichtlich war eine Beaufsichtigung von Banken und Finanzdienstleistungsinstituten jedoch nicht imstande, die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit zu verhindern. Im Gegenteil, mit überladenen Detailregelungen ergaben sich für die Marktteilnehmer zahlreiche Anreize zur Identifizierung neuer Arbitrage-Möglichkeiten. Hierzu zählt auch die Regulierungs-Arbitrage zwischen den USA (Basel I) und den Ländern, die Basel II eingeführt haben. Mehr Regulierung, selbst wenn sie weltweit umgesetzt würde, wird zu höherer Komplexität der Geschäfte führen und damit künftige Fehlentwicklungen begünstigen. Besser wäre es aus den letzen 35 Jahren seit der Herstatt-Krise zu lernen und die Qualität der Aufsicht zu verbessern. Zusammen mit einer Rückbesinnung der Marktteilnehmer auf ihre originären Aufgaben (hierzu gehört auch die Selbsteinschätzung der Risiken), sollte es gelingen, dem Finanzsystem die notwendige Stabilität zu geben.

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