Im Gespräch

"Es werden komplett neue Berufsbilder entstehen und Neueinstellungen entsprechender Experten notwendig"

Martin Schenk

Der Facility-Management-Markt wird in den kommenden Jahren nicht wachsen. Für Unternehmen kommt es in dem Verdrängungswettbewerb vielmehr darauf an, den veränderten Kundenwünschen sowohl mit Blick auf die zunehmende Automatisierung der Prozesse und die Digitalisierung nachkommen zu können. Das treibt die Konsolidierung des deutschen Marktes weiter voran. Hier sieht der Autor große Häuser im Vorteil. Für sein eigenes Unternehmen erkennt er in allen Bereichen Wachstumschancen, er hält aber auch nach weiteren Übernahmen die Augen offen. In der klassischen Gebäudetechnik wird sich seiner Meinung nach die physische Präsenz vor Ort ein Stück weit vom Know-how abkoppeln - zwar seien Mitabreiter auch künftig vor Ort, die eigentliche Wartung finde aber zunehmend aus der Ferne statt. Eine große Rolle spielen dabei die derzeit in einem Pilotprojekt getesteten Datenbrillen. Die Beschaffung geeigneter Mitarbeiter sei eine große Herausforderung. Red.

I&F Herr Schenk, wie wird sich der Markt für Facility Services nach Ihrer Einschätzung in den kommenden Jahren verändern?

Die FM-Branche steht derzeit vor massiven Veränderungen ihrer Märkte. Internationale Unternehmen investieren in Deutschland oder in deutsche Unternehmen und bringen ihre Dienstleister oder die für sie gewohnten Erwartungen an Dienstleister mit. Das Gebäudemanagement wird deswegen zunehmend von strategischen und opportunistischen Investoren als internationales Geschäftsfeld entdeckt. Das treibt die Konsolidierung des deutschen Marktes weiter voran und stellt uns vor die Herausforderung, in unserer eigenen Entwicklung an Geschwindigkeit zuzulegen. Ein weiterer Treiber ist die fortschreitende Automatisierung und vor allem die Digitalisierung. Auch darin sehen wir weitere Konsolidierungstendenzen, die für uns gleichzeitig Möglichkeiten des externen Wachstums bedeuten können.

I&F Der Facility-Management-Markt wächst aber schon lange nicht mehr, Wachstum kann also nur durch die Umverteilung von Marktanteilen oder durch Akquisitionen zustande kommen: Wie schätzen Sie die Wettbewerbssituation derzeit ein?

Das ist richtig. Nach Banken und Telekommunikationsunternehmen gab es in den letzten Jahren in anderen Branchen kaum Outsourcing von FM-Leistungen. Somit konkurrieren Dienstleister um immer dieselben Aufträge in einem stagnierenden Markt. Der wird auf absehbare Zeit auch nicht wachsen.

Teilweise beobachten gegenläufig wir sogar Insourcing-Prozesse. Deswegen wird sich die Anbieterseite weiter in zwei wesentliche Gruppen konsolidieren: die großen, überregional agierenden Multidienstleister, zu denen wir gehören, und kleinere Spezialisten.

I&F Laut einer aktuellen Lünendonk-Studie erwarten Kunden eine immer höhere Eigenleistungsquote von ihren Facility-Management-Anbietern: Wird das Konsequenzen für den Markt haben, weil nicht jedes Unternehmen seine Leistungsbreite und -tiefe entsprechend ausbauen kann?

Ja, insbesondere wenn die Leistungen überregional und auf ganze Portfolios bezogen angefragt werden. Auch davon werden die großen, flächendeckenden Multidienstleister profitieren.

I&F Wie reagiert Ihr Haus auf diese Entwicklung?

Je größer und je anspruchsvoller die zu bewirtschafteten Portfolios werden, desto mehr haben wir die Chance, über eine hohe Automatisierung der Prozesssteuerung effizienter zu werden und dem Kunden zugleich mehr Transparenz in der Leistungserbringung zu bieten. Grundvoraussetzung dafür ist der strategische Umgang mit den Daten, die wir über die Gebäude und deren Anlagen sammeln, aber noch viel zu wenig strategisch nutzen. Eine leistungsfähige IT und deren ständige Weiterentwicklung ist deshalb für uns schon lange ein Muss. Wir verfügen über unglaublich umfangreiche Gebäudedaten, die bislang allerdings häufig in sehr heterogener Form vorliegen. Ziel muss es sein, diese Daten im Sinne einer "predictable maintenance" nutzbar, also zu "Smart Data" zu machen. So können wir zum Beispiel die Kosten der Bewirtschaftung über zehn Jahre hinweg präzise prognostizieren und daraus ein belastbares Preismodell entwickeln oder dem Kunden zielgerichtet bei seiner Investitionsstrategie für technische Anlagen beraten.

I&F Eine der großen Stärken der Strabag PFS ist ihre breite Präsenz vor Ort. Wird diese künftig noch die gleiche Bedeutung haben oder im Zuge von stärkerer zentraler Steuerung abnehmen?

Die physische Präsenz vor Ort wird sich im Zuge der Digitalisierung unseres Geschäfts ein Stück weit vom Know-how abkoppeln - unsere Leute werden vor Ort wissen, was zu tun ist, weil sie zentral informiert und gesteuert werden. Die eigentliche Wartung findet aber zunehmend aus der Ferne statt. Über kurz oder lang erwarte ich in der Gebäudetechnik zudem das, was für Autowerkstätten bereits seit Langem Alltag ist: Komponenten werden nicht mehr gewartet, sondern ausgetauscht.

I&F Die Strabag PFS hat jüngst die DIW übernommen, sind weitere Zukäufe geplant oder liegt der Fokus auf organischem Wachstum?

Beides hat für uns denselben Stellenwert, wobei Wachstum für uns kein Selbstzweck ist. Bestandskunden zu halten und mit Bestandskunden zu wachsen ist für uns ebenso wichtig, wie neue Kunden zu gewinnen oder anorganisch zu wachsen. Für mögliche Zukäufe sondieren wir ständig den Markt, seit neuestem über einen eigens hierfür eingerichteten Bereich Corporate Development und M&A. Allerdings achten wir sehr darauf, dass potenziell zu übernehmende Unternehmen zu uns passen, entweder als Markt- oder als Leistungsergänzung. Und sie müssen profitabel sein. Sanierungsfälle interessieren uns nicht.

I&F In welchen Unternehmensbereichen sehen Sie das größte Potenzial für Wachstum?

Unsere Wachstumsoptionen sind vielfältig: Nach der erfolgreichen Integration der DIW in die Strabag PFS Unternehmensgruppe wollen wir im Industrieservice wachsen, uns zudem insbesondere in Ballungsgebieten um Spezial-Know-how ergänzen. Im Real-Estate-Bereich ist das Management für Wohnungsportfolios weiter ausbaufähig. Übergreifend sehen wir Chancen für weiteres Wachstum im Crossmarketing und Cross Selling innerhalb der Unternehmensgruppe und innerhalb des Strabag Konzerns. Zudem halten wir immer Ausschau nach neuen Technologien, die uns hinsichtlich unserer Prozessoptimierung oder Weiterentwicklung neuer Geschäftsmodelle voranbringen können.

I&F Welche Bedeutung hat das Auslandsgeschäft heute, welche wird es in einigen Jahren haben?

Wir werden auch international wachsen. Dort, wo wir bereits präsent sind, kurzfristig insbesondere in Polen, der Slowakei und Tschechien. Ansonsten verfolgen wir eine opportunistische Strategie, das heißt, wir folgen Bestandskunden immer dann ins Ausland, wenn wir Dank den bestehenden Strukturen des Strabag-Konzerns relativ leicht Personal akquirieren und schnell eine schlagkräftige Organisation aufbauen können.

I&F Sie haben auf der Expo Real zu einer Panel-Diskussion geladen. "Immobiliendienstleistung 2030 - wie digital wird die Zukunft" hieß es da. Was waren zentrale Erkenntnisse aus den Gesprächen?

Generell wünschen unsere Kunden die Bereitstellung von steuerungsrelevanten Immobiliendaten, um die Auslastung der Gebäude und deren Facilities besser planen zu können. Außerdem stellen sie uns vor die Aufgabe, Nutzer mit zeitgemäßen Applikationen zu bedienen, etwa mit Belegungsapps für Büroarbeitsplätze oder für das Parkplatzmanagement.

Beides Anforderungen, die Immobiliendienstleister besonders gut erfüllen können. Denn wir sind nah dran an den Gebäuden und den Nutzern und verfügen über das spezifische Know-how, um solche neue, auf Daten basierende Services aufzubauen und somit dauerhaft mit der Immobilie selbst und den Nutzern und Eigentümern in Kontakt zu bleiben.

I&F Wie wird sich die Zusammenarbeit zwischen Facility Manager und Auftraggeber verändern? Welche Herausforderung stellt die neue Entwicklung auch für die Auftraggeber dar?

Der Immobilienmanager der Zukunft wird strategischer Berater mit Ergebnisverantwortung sein, der Objekte und Portfolios ganzheitlich zum Festpreis managt. Eine solche Vergabepraxis erhöht für uns als Dienstleister das Kalkulationsrisiko. Für die Auftraggeber wird bei solchen Modellen Transparenz über die erbrachten Dienstleistungen noch wichtiger. Er wird deswegen in Zukunft auf gemeinsamen, webbasierten Plattformen in Echtzeit in unser Auftragsmanagement schauen können. Damit ändert sich die Art und Weise des Controllings und unser Reporting komplett. Aber auch hierfür ist "Smart Data" die Schlüsselvoraussetzung.

I&F Welche Herausforderungen resultieren aus der Digitalisierung für Facility-Management-Unternehmen im Allgemeinen und Strabag im Besonderen?

Die Investitionen in Zukunftstechnologien stellen gerade Immobiliendienstleister im Hinblick auf Ressourcen und Knowhow vor sehr große Herausforderungen. Deswegen stimmen wir uns eng mit unseren Auftraggebern ab und erarbeiten in gemeinsamen Piloten und Projekten kundenspezifische Lösungen, um Fehlentwicklungen und damit Fehlinvestitionen möglichst zu vermeiden. Neben Geld für Investitionen müssen Immobiliendienstleister in Zukunft noch deutlich mehr Expertise für diese individuellen und hochtechnisierten Prozesse mitbringen.

Es werden komplett neue Berufsbilder entstehen und Neueinstellungen entsprechender Experten notwendig werden. Betrachtet man die erwartet hohe Nachfrage nach entsprechenden Mitarbeiterprofilen, wird dies für alle Anbieter mit die größte Herausforderung werden.

I&F Welche Effizienzgewinne sind realistisch aus diesen Entwicklungen zu erwarten?

Auf längere Sicht werden repetitive und automatisierte Aufgaben insbesondere in der Verwaltung und im Overhead entfallen. Schon heute gestalten wir bei einer Reihe von Kunden unsere Auftragssteuerung und die Disposition durch den Einsatz von Software deutlich schlanker und effizienter und wollen dieses "Integrated Order Management" in immer weiteren Ausbaustufen ab 2017 auf alle Accounts ausrollen. Generell entwickeln wir uns dynamisch in die Richtung "zentrale Steuerung, dezentrale Leistungserbringung". Die dadurch gewonnenen Effizienzgewinne in der Zentrale brauchen wir allein schon deshalb, um die ständig steigenden Lohnkosten bei gleichbleibenden Preisen abfedern zu können.

I&F In welcher Form setzt Strabag PFS heute schon konkret auf neue Technologien?

Wir haben mit Kunden diverse Pilotprojekte gestartet, bei denen wir zum Beispiel den Einsatz von Datenbrillen durch unsere technischen Servicekräfte testen. Bei der Überprüfung von Funktürmen und Dächern setzen wir bereits heute Drohnen ein. In der Gebäudeverwaltung und im technischen Property Management haben wir die Pilotphase bereits hinter uns gelassen und setzen bei Teilportfolios unter anderem selbstlernende linguistische Software ein und sind so dabei, wesentliche Arbeitsschritte zu automatisieren und insgesamt die Datenbasis und die Nutzungsmöglichkeiten der Daten erheblich zu erweitern.

I&F Gibt es bei dem Piloten mit Datenbrillen schon erste Erkenntnisse zur Tauglichkeit und der Umsetzbarkeit?

Die Datenbrillen werden mittelfristig zum Einsatz kommen. Unsere Servicekräfte können so künftig Instandhaltungsanleitungen für Anlagen abrufen und haben beim Arbeiten beide Hände frei. Zudem können die Arbeiten gefilmt werden, was die Dokumentation, aber auch Abnahmeprozesse, beispielsweise von kleineren Umbaumaßnahmen, erleichtert. Ein weiterer Vorteil ist, dass über die Echtzeitübertragung, Spezialisten zu Rate gezogen werden können, die nicht vor Ort sind, sondern den Vorgang von irgendwo auf der Welt aus mitverfolgen und coachen. Die physische Präsenz vor Ort wird sich in Zukunft also ein Stück weit vom technischen Know-how abkoppeln.

I&F Die Strabag PFS hat das Geschäftsjahr 2015 mit einer Gesamtleistung von 1116 Millionen Euro abgeschlossen. Wie entwickelt sich das laufende Geschäftsjahr, wird die Milliarde wieder übertroffen?

Das ist das Ziel.

Zur Person Martin Schenk Vorsitzender der Geschäftsführung, STRABAG Property and Facility Services GmbH, Frankfurt am Main
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