PERSONALMANAGEMENT

WEIBLICHE FÜHRUNGSKRÄFTE IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT - EINE BESTANDSAUFNAHME

Katrin Williams, Foto: Studio Line Leipzig

"Mehr Frauen in Vorstandsetagen bereichern die Wirtschaft und haben eine wichtige Vorbildfunktion, die auch in die übrigen Bereiche der Unternehmen ausstrahlt", so der Kommentar der ehemaligen Bundesjustiz- und -familienministerin Christine Lambrecht zum Inkrafttreten des zweiten Führungspositionengesetzes (FüPoGII) im August 2021. Tatsächlich sind die positiven Auswirkungen heterogener Führungsteams inzwischen auch wissenschaftlich gut belegt, doch in vielen Branchen ist diesbezüglich noch ein sehr weiter Weg zu gehen. Auch die Immobilienbranche hat hier erheblichen Nachholbedarf, wie der nachfolgende Beitrag zeigt. Red.

Gleichberechtigung und Chancengleichheit in der Immobilienwirtschaft sind Themen, die die Branche und die Gemüter stärker bewegen denn je. Aber sind wir schon am Ziel oder erst auf halber Strecke? Darüber gehen die Meinungen in der aktuellen Diskussion weit auseinander - und somit auch über die Frage, welcher Handlungsbedarf angebracht ist.

Umso wichtiger ist es deshalb, eine empirische Datengrundlage als Bestandsaufnahme für die weitere Diskussion zu schaffen. Denn nur so können wir gemeinsam Erkenntnisse gewinnen, die die Realität abbilden. In unserer aktuellen Studie "Weibliche Führungskräfte in der Immobilienwirtschaft - eine Bestandsaufnahme" ist unser Verein "Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V." deshalb den Fragen nachgegangen: Wie weit ist die Gleichberechtigung in der Immobilienwirtschaft fort - geschritten? In welchen Teilbranchen und Segmenten gelingt Frauen der Aufstieg leichter? Und nicht zuletzt: Was sollte getan werden, um auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit voranzuschreiten?

Dazu haben wir in unserer Studie den Anteil weiblicher Führungskräfte in den mittleren und oberen Leitungsebenen von 66 700 Immobilienunternehmen auswerten lassen. Zudem wurde der Frauenanteil in den Führungspositionen von rund 220 Verbänden und Institutionen, in Politik und Verwaltung sowie der Anteil von weiblichen Studierenden und Absolventinnen in immobilienwirtschaftlichen Studiengängen analysiert.

Gläserne Decke noch immer Realität

Das ernüchternde Fazit: Die Bestandsaufnahme offenbart ein eklatantes Ungleichgewicht, das sich nicht wegdiskutieren lässt. Nur jede fünfte Führungsposition in der Immobilienwirtschaft wird von einer Frau wahrgenommen. Auf der mittleren Führungsebene ist das Verhältnis mit einem Frauenanteil von 36 Prozent zwar noch etwas ausgeglichener. Doch auf dem Weg zum Topmanagement erfolgt der Einbruch - über alle Teilbranchen hinweg: Hier liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte im Durchschnitt nur noch bei 11 Prozent, auf C-Level-Positionen bei 13 Prozent. Die Zahlen zeigen: Die gläserne Decke ist noch immer Realität.

Zu den Teilbranchen, in denen Frauen der Aufstieg am ehesten gelingt, gehört das Facility Management: Hier liegt der Frauenanteil in den Leitungsebenen mit 27 Prozent am stärksten über dem Branchendurchschnitt von 20 Prozent. Sowohl im mittleren Management (44 Prozent) als auch im Topmanagement (16 Prozent) des Facility Managements sind mehr Frauen vertreten als im Branchendurchschnitt.

Auch die Unternehmen im Grundstücksund Wohnungswesen verzeichnen mit 24 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Anteil weiblicher Führungskräfte in den Leitungsebenen. Im Topmanagement und in den Vorständen sind mit jeweils 17 Prozent die meisten Frauen vertreten. Das Schlusslicht bilden Architektur- und Ingenieurbüros mit einem Frauenanteil von 17 Prozent in Führungspositionen und lediglich 8 Prozent im Topmanagement. Den vorletzten Platz der untersuchten Teilbranchen nimmt das Baugewerbe ein: Hier werden nur 18 Prozent der Führungspositionen von Frauen wahrgenommen, im Topmanagement sind es 9 Prozent. Auf der C-Level-Ebene herrscht in Finanzunternehmen das stärkste Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen: Nur 7 Prozent der Vorstände sind weiblich.

Doch nicht nur in Immobilienunternehmen, sondern auch in den wissenschaftlichen Instituten der Immobilienbranche ist der Weg zur Geschlechterparität auf Leitungsebene noch weit: Hier wird nur jede vierte Topposition von einer Frau wahrgenommen. In den Führungspositionen der Verbände ist das Ungleichgewicht mit einem Frauenanteil von 17 Prozent noch ausgeprägter. In den 73 für die Studie geprüften Ministerien und nachgelagerten Behörden, die sich mit immobilienwirtschaftlichen Themen befassen, werden hingegen 41 Prozent der leitenden Funktionen von Frauen wahrgenommen.

Der Blick auf den Nachwuchs in immobilienwirtschaftlichen Studiengängen an den Universitäten und Fachhochschulen macht hingegen Mut. Laut unserer Auswertung sind unter rund 97 200 Studierenden an Hochschulen 42 Prozent der Studierenden in immobilienwirtschaftlichen Fächern weiblich, der Absolventinnen-Anteil beträgt 45 Prozent. Hier wird deutlich: Die Immobilienwirtschaft verfügt über hochqualifizierte, weibliche Nachwuchskräfte. Die gilt es jetzt zu gewinnen und für Führungspositionen fit zu machen! Denn unbestritten ist, dass sich Unternehmen mit homogenen Führungsteams auch selbst schaden: Sie berauben sich vieler Fähigkeiten, über die hochqualifizierte Immobilienexpertinnen verfügen.

Profitabler und innovativer dank heterogener Führungsteams

Führungskompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Mitarbeitermotivation und -bindung sowie Change Management werden immer wichtiger, um die strukturellen Veränderungen und die wachsenden Herausforderungen zu meistern, vor denen die Immobilienwirtschaft steht. Diese Fähigkeiten finden sich erwiesenermaßen häufiger im Führungsverhalten von Frauen wieder - neben der fachlichen Kompetenz, wohlgemerkt. So ist durch mehrere Studien belegt, dass es gemischtgeschlechtlichen Führungsteams besser gelingt, nachhaltige Erfolge für ihr Unternehmen zu erzielen und Risiken zu senken.

Die Boston Consulting Group etwa hat bei einer Analyse der Top 100 börsennotierten Unternehmen in Deutschland homogene und diverse Führungsteams verglichen. Letztere haben eine 9 Prozent höhere Gewinnmarge und einen 20 Prozent höheren Umsatzanteil erzielt. Fehlende Vielfalt in der Unternehmensführung ist also nicht nur eine moralische, sondern vor allem auch eine betriebswirtschaftliche Frage: Hier wird Potenzial im Hinblick auf Profitabilität und Innovationskraft verschenkt.

Vereinzelte, als sogenanntes Feigenblatt besetzte Frauen in Führungsteams sind dabei nicht ausreichend. So wird der positive Einfluss von geschlechtergemischten Führungsteams auf die Unternehmensleistung laut Untersuchungen erst ab einem Frauenanteil von rund 30 Prozent erreicht. Nicht zuletzt schädigen Unternehmen mit einem geringen oder nicht vorhandenen Frauenanteil an der Spitze ihr Image als attraktive Arbeitgeber, die Frauen adäquate Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Angesichts des Fachkräftemangels ist dies ein handfester Wettbewerbsnachteil.

Die Ergebnisse unserer Studie sprechen eine deutliche Sprache - und erfordern entsprechende Handlungsschritte. Die dürfen nicht kosmetischer Natur sein, sondern müssen auf vielen Ebenen und von vielfältigen Akteuren initiiert werden: von Unternehmen, der Politik, von Bildungseinrichtungen und Branchenverbänden. Dies gilt insbesondere für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das DIW hat hierzu sehr ernüchternde Zahlen veröffentlicht: Demnach bringen Frauen mit kleinen Kindern ungefähr dreimal so viel Zeit für die Kinderbetreuung und dreimal so viel Zeit für Haushaltsarbeit auf wie ihre Partner. Ein wichtiger Ansatz für mehr Ausgeglichenheit könnte eine Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld sein. Vor allem aber brauchen wir noch immer ein deutlich besseres Betreuungsangebot.

Auch innerhalb von Unternehmen gilt es, die Vereinbarkeit von Karriere- und Kinderplanung zu optimieren, etwa durch flexible Arbeitszeiten undformen wie verstärkte Teilzeit- und Tandemmodelle. Durch sichtbare Vorbilder können tradierte Rollenbilder durchbrochen und die Weichen für einen Mentalitäts- und Kulturwandel im Unternehmen gestellt werden. Dieser muss jedoch validiert werden können. So ist das Aufsetzen einer Diversity-Strategie im Unternehmen, die im Vorstand verantwortet wird, unabdingbar. Und die muss glasklare Zielvorgaben für alle Führungsebenen beinhalten!

Frauenanteil in Führungspositionen der Immobilienwirtschaft (in Prozent) Quelle: Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V.
Frauenanteil in Führungspositionen der Immobilienwirtschaft (in Prozent) Quelle: Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V.

Mentoring-Programm und Nachwuchs-Förderpreis

Als einen Schlüsselfaktor für mehr Chancengleichheit und Gleichberechtigung sehen die "Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V." zudem den Zugang zu Netz werken und unterstützenden Strukturen an, die für einen informellen Austausch genutzt werden können. Diese sind gerade zum Karrierestart für junge ambitionierte Frauen essenziell. Mentoring-Programme können diesen den notwendigen Rückenwind für den Berufsweg geben und lehren, wie man die eigenen Fähigkeiten sichtbar machen kann. So entstehen Kontakte und Vorbilder, die ein Berufsleben lang tragen können.

Das ist auch Ziel des Mentoring-Programms, das die Immofrauen gemeinsam mit der European Business School (EBZ) unter der Schirmherrschaft der nordrheinwestfälischen Bauministerin Ina Scharrenbach durchführen. Hier erhalten die Mentees breitgefächerte Hilfestellung und Einblicke in die ungeschriebenen Regeln beim Aufstieg in der Arbeitswelt. Denn das sind Erfahrungswerte, die in keiner Ausbildung und in keinem Studium gelehrt werden können - und die entscheidenden Weichen für den Karriereweg stellen.

Darüber hinaus schreibt der Verein jährlich den nach der Vereinsgründerin benannten Ingeborg-Warschke-Nachwuchsförderpreis aus: Im Wettbewerb unter der diesjährigen Schirmherrschaft von Bundesbauministerin Klara Geywitz zeichnen die Immofrauen herausragende Abschlussarbeiten von Absolventinnen immobilienwirtschaftlicher Studiengänge aus. Auch hier ist das Ziel, den hochqualifizierten, weiblichen Nachwuchs schon so früh wie möglich zu fördern und in der Branche sichtbar zu machen.

Deutlich wird: Für mehr Frauen in Führungspositionen, mehr Chancengleichheit und Gleichberechtigung bedarf es nicht der "einen", sondern eines ganzen Bündels an Maßnahmen. Die Immobilienwirtschaft braucht einen tiefgreifenden Mentalitäts- und Kulturwandel, damit die Unternehmen ihr Potenzial ausschöpfen können. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen und des Fachkräftemangels kann es sich die Branche nicht leisten, dass dieses Potenzial auf dem Weg an die Spitze verloren geht. Mit unserer Studie möchten wir den Weg aufzeigen, der noch vor uns liegt. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen!

Die Studie "Weibliche Führungskräfte in der Immobilienwirtschaft - eine Bestandsaufnahme" des Vereins "Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V." steht hier zum Download bereit.
Katrin Williams , Vorsitzende des Vorstands , Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V., Frankfurt am Main

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