BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2020

EBA-KONSULTATION ZU KREDITVERGABESTANDARDS: EINE KRITISCHE WÜRDIGUNG

Jürgen Müller, Foto: foto morgana

Im Rahmen des Mitte 2017 vom Europäischen Rat vorgestellten Aktionsplans wurde die European Banking Authority (EBA) unter anderem auch mit der Erarbeitung von Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung beauftragt. Anlass dafür waren nicht zuletzt die hohen Bestände an Non-Performing Loans (NPL) in Teilen europäischer Bankbilanzen. Das vordergründige Ziel des unter dem Titel "Draft Guidelines on loan origination and monitoring" vorgelegten Konsultationspapiers ist es deshalb, die finanzielle Stabilität und Widerstandsfähigkeit des europäischen Banken- und Finanzsystems weiter zu stärken. Ein sicher ehrbares Anliegen, nichtsdestotrotz droht die EBA dabei an der ein oder anderen Stelle doch deutlich übers Ziel hinauszuschießen, wie die Ausführungen im vorliegenden Beitrag zeigen. Red.

Mit dem vorliegenden Konsultationspapier "Draft Guidelines on loan origination and monitoring" aus dem Juni 2019 werden von der EBA die aufsichtlichen Erwartungen an die Kreditvergabe an Verbraucher und gewerblichen Kreditnehmer ausgehend von der strategischen Einordnung des Kreditgeschäfts in die Gesamtbankstrategie über die Kreditgenehmigung und -weiterbearbeitung bis hin zur Überwachung skizziert. Ausgangspunkt des Konsultationspapiers ist der Auftrag des Europäischen Rates im Rahmen des Aktionsplanes (Juli 2017) zur Begrenzung künftiger Risiken im Kreditgeschäft.

Proportionalität in Gefahr

Damit werden neben den NPL-Guidelines der EBA und EZB die Regularien zum Beispiel aus der Verbraucher-/Wohnimmobilienkreditrichtlinie in der Auslegung ergänzt und erläutert sowie erstmals gewerbliche Kreditnehmer in den Vergabe- und Überwachungsprozess mit einbezogen. Der gesamte Zyklus einer Kreditvergabe ausgehend vom "Risikoappetit" bis zur Kreditvergabe, Bepreisung, Hereinnahme von Sicherheiten (Immobilien und Mobilien) sowie die Kreditweiterbearbeitung und Überwachung ist Gegenstand der Erörterung.

Hierbei werden in Teilen die Standards der bisherigen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) von der europäischen Aufsicht verschärft, indem neue Sachverhalte geschaffen und Mindeststandards definiert werden sollen. Den bewährten MaRisk-Regelungen in Bezug auf die Proportionalität wird nur in Teilen Rechnung getragen, sodass abzuwarten bleibt, wie die BaFin die Vorgaben der EBA umsetzen wird.

Zusätzlich liegt aktuell auf nationaler Ebene ein Entwurf des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) für eine "Verordnung zur Durchführung von Datenerhebungen durch die Deutsche Bundesbank zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Finanzstabilitätsgesetz" (Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung, FinStabDEV) vor. Hierin werden umfangreiche neue Daten- und Meldeanforderungen im Hinblick auf Wohnimmobilien und Verbraucher gefordert, die auch in Teilen den Inhalten der EBA-Konsultation entsprechen.

Erheblicher Eingriff in die freien Gestaltungsspielräume

Nach der allgemeinen Einführung und Begründung ist die künftige Leitlinie in folgende Abschnitte eingeteilt:

- Governance-Anforderungen:

Klarstellung des internen Governance- und Kontrollrahmens für die Kreditgewährung und die Kreditentscheidung auf der Grundlage der Anforderungen der EBA-Leitlinien zur internen Governance.

- Kreditvergabe:

Anforderungen an die Informations- und Datenerhebung von Kreditnehmern, Dokumentation und an die Kreditwürdigkeitsprüfung der Kreditnehmer.

- Preisgestaltung:

Aufsichtsrechtlichen Erwartungen für die risikobasierte Preisgestaltung von Krediten.

- Kreditsicherheiten (Immobilien und Mobilien):

Anforderungen an die Bewertung von unbeweglichen/beweglichen Kreditsicherheiten (ohne finanzielle Sicherheiten) zum Zeitpunkt der Kreditgewährung und die laufende Überwachung.

- Überwachungsrahmenwerk:

Laufende Überwachung des Kreditrisikos inklusive der Risikofrüherkennung.

Die Abschnitte nehmen Bezug auf drei Anlagen. Diese sind nicht als Beispiele aufgeführt, sondern sind als Mindeststandards definiert. Damit einher geht ein erheblicher Eingriff in die bisher je nach Institutsgröße und Komplexität der Geschäfte freien Gestaltungsspielräume der Institute. Anlage 1 definiert dabei Kriterien für die Kreditgewährung an Verbraucher und gewerbliche Kreditnehmer inklusive Gewerbeimmobilien und Schiffsfinanzierung.

Detaillierte Anforderungen in den Bereichen Governance ...

Anlage 2 beschäftigt sich mit der Einholung von Unterlagen und deren Verifizierung mit speziellen Ausführungen zu Immobilienentwicklung, Schiffsfinanzierung und Projekt- und Infrastrukturfinanzierung, während Anlage 3 die Kennzahlen für die Kreditgewährung und die Kreditüberwachung umfasst.

Mit Blick auf die konkreten Inhalte impliziert der Abschnitt zu den Governance-Anforderungen unter anderem, dass die Institute ausdifferenzierte Konzepte für die Festlegung des Risikoappetits und daraus abgeleitet für die Risikostrategie, schriftliche fixierte Ordnung und die darauf aufbauenden Prozesse und die Überwachung vorzuhalten haben. Hierbei sind verstärkt rückwärtsbetrachtende Ableitungen mit in die Zukunft gerichteten Perspektiven zugrunde zu legen.

Es soll ein funktionsfähiges internes Kontrollsystem vorliegen und nach derzeitigem Stand der Konsultation ist ein Zwei-Voten-Verfahren (entgegen MaRisk im nicht risikorelevanten Geschäft) unter Einbindung der Marktfolgen sowie ein "Three Lines of Defence"-Modell vorgesehen. Das Institut hat für ausreichend Ressourcen und Mitarbeiter zu sorgen. Es werden qualifizierte Mitarbeiter vorausgesetzt, die regelmäßig und insbesondere zum Beispiel bei Gesetzesänderungen geschult werden.

... und Kreditvergabe

Hinsichtlich der Kreditvergabe sind die Institute aufgefordert, detaillierte Anforderungen an die Kreditvergabestandards inklusive Unterlagen und Informationen zu entwickeln und hierbei ein Set an Kennzahlen für Verbraucher und gewerbliche Kreditnehmer vorzuhalten. Die heute in § 18 und 18 a) KWG beziehungsweise in 505 a) bis 505 e) BGB gemachten Ausführungen werden über das Konsultationspapier ausgeweitet. Die Prüfungspflichten zwischen dem Allgemein-Verbraucherdarlehen (AVD) und dem Immobiliar-Verbraucherdarlehen (IVD) werden angenähert. Für gewerbliche Kreditnehmer und speziellen Finanzierungen wie Gewerbeimmobilien oder die Immobilienentwicklung werden Standards definiert.

Das heute in den MaRisk stark verankerte Proportionalitätsprinzip und der hohe Gestaltungsspielraum der Institute unterliegt Einschränkungen. Im Vordergrund steht stets die Kapitaldienstfähigkeit beziehungsweise der Cashflow und es werden umfängliche Sensitivitätsanalysen erwartet. Eine Kreditvergabe rein auf Basis von Sicherheiten wird bei gewerblichen Kreditnehmern ausgeschlossen. Im Bereich der Immobilienentwicklung werden in Teilbereichen "Experten/Sachverständige" gefordert (Kosten/Verkaufspreise). Unklar ist, ob das in Deutschland im nicht risikorelevanten Geschäft praktizierte Ein-Voten-Verfahren in der bekannten Form weiterhin Bestand haben wird.

Die Konsultation sieht darüber hinaus eine stärkere Fokussierung für die Preisgestaltung auf Basis des einzelnen Kredites vor. Es werden zum Beispiel Komponenten wie Kapitalkosten, Refinanzierung, Einzelstückkosten sowie Ausfallwahrscheinlichkeiten genannt. Die Berechnung soll etwa über einen EVA-Rechner (Economic Value Added) erfolgen.

Immobilien und mobile Sicherheiten

Beim Thema Kreditsicherheit wird erwartet, dass jede hereingenommene Sicherheit einem nachvollziehbaren und validen Bewertungsprozess unterzogen wird. Es sind adäquate Gutachten von sachverständigen Mitarbeitern, die unabhängig vom Vergabeprozess sind, zu erstellen. Bei mobilen Sicherheiten sind angemessene und belastbare Modelle vorstellbar. Bei Immobilien steht unverändert der sachverständige Wertermittler im Vordergrund und die Bewertung hat nach nationalen oder internationalen Standards über den Markt- oder Beleihungswert gemäß CRR zu erfolgen.

Für die Immobilienbewertung verfestigt sich, dass eine Gutachterrotation nach der zweiten Bewertung erforderlich sein und die bisher gängigen Preismodelle mit Abrechnung nach Objektwert nicht mehr vorgesehen wird (siehe auch NPL-Leitfäden EBA/EZB).

Die bisher gut eingeführte Parameterüberprüfung bei der Immobilienüberwachung soll durch ereignisbasierte Trigger wie zum Beispiel Kreditqualität nach IFRS 9 oder der Turnus zum Beispiel durch den vorhandenen Beleihungsauslauf (LTV) ergänzt werden. Die eingesetzten und etablierten Marktschwankungskonzepte sind differenzierter auf Instituts ebene einzusetzen, was heute bereits Standard sein sollte.

Gegenüber den aktuellen MaRisk ist der Abschnitt "Überwachungsrahmenwerk" deutlich ausdifferenzierter gestaltet. Es werden institutsspezifische Kennzahlen zur Steuerung der Risiken und Einbeziehung in die künftige Strategieausrichtung erwartet. An die Überwachung der Einzelrisiken (Höhe und Turnus), als auch der Portfolios und die Berichterstattung werden komplexe Anforderungen gestellt.

Gut eingespieltes MaRisk-Regime muss erhalten bleiben

Die Deutsche Kreditwirtschaft hat in einer umfangreichen Stellungnahme der EBA die Bedenken zum Konsultationspapier mitgeteilt und teilweise eigene Formulierungsvorschläge unterbreitet. Eine Umsetzung wird frühestens zum 30. Juni 2022, und nicht wie von der EBA vorgeschlagen zum 30. Juni 2020, gefordert. Es wird erwartet, dass die BaFin das Konsultationspapier über die neue MaRisk - neben den offenen nationalen Regelungen zu den NPL-Guidelines - umsetzen wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die EBA die Proportionalität verstärkt integriert und das gut eingespielte Regime der MaRisk mit Öffnungsklauseln und hoher Gestaltungsmöglichkeit der institutsindividuellen Prozessgestaltung und Kreditweiterbearbeitung weitestgehend auch künftig Bestand haben wird.

DER AUTOR JÜRGEN MÜLLER Leitender Berater, vdpConsulting AG, Hamburg
Jürgen Müller , Leitender Berater, vdpConsulting AG, Hamburg
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