Den Exit nicht überstürzen

Die Investorennachfrage auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt ist ungebrochen hoch. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein solcher Boom neben Enthusiasten auch Skeptiker auf den Plan ruft. Der etwas flachere Anstieg der Mieten und Kaufpreise zum Ende des vergangenen Jahres kommt letzteren gerade recht. Schon werden Stimmen nach dem geordneten Rückzug aus dem Wohnungsmarkt lauter, frei nach dem Motto: Gewinne mitnehmen und das Renditeglück woanders suchen. Ein solcher Schritt ist verfehlt. Denn mit einem Exit aus ihren Wohninvestments verabschieden sich Investoren von vergleichsweise sicheren und auskömmlichen Renditen, die ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den kommenden fünf oder zehn Jahren noch zufließen. Die Exit-Verfechter stellen fälschlicherweise die Stabilität des deutschen Wohnungsmarktes in Frage. Im vergangenen Jahr haben neben den Ankaufsfaktoren für Core-Wohnpakete auch die Kaufpreise im Bestand und im Neubau kräftig zugelegt. Auch die Mieten entwickelten sich stabil: Die ortsüblichen Vergleichsmieten legten laut Immobilienverband IVD mit 1,3 Prozent etwas mehr zu als im Vorjahr. Für das durchschnittliche Wachstum der Neuvertragsmieten bei mittlerem Wohnwert meldete der IVD ein Plus von etwa 4,9 Prozent.

Einen deutlichen Verfall der Miet- und Kaufpreise kann man ausschließen. Ein wichtiger Grund sind die Baukosten für Wohngebäude: Sie machen den weiteren Aufwärtstrend bei den Miet- und Kaufpreisen unausweichlich. Die Neubaukosten sind im vergangenen Jahr mit einem Plus von zwei Prozent zwar etwas weniger stark gestiegen als noch 2012 mit 2,4 Prozent und 2011 mit 2,9 Prozent. Doch steigende energetische Anforderungen und die Konkurrenz um die raren innerstädtischen Bauflächen insbesondere in den Metropolen werden die Preise weiter in die Höhe treiben.

Generell empfiehlt es sich, Wohnimmobilien zu halten, sollten finanzielle Engpässe einen Verkauf nicht zwingend erforderlich machen. Außergewöhnliche Marktsituationen in exponierten Lagen einiger Metropolen wie München, in denen Käufer bereit sind, das 35-fache oder noch mehr für eine Wohnimmobilie zu zahlen, bilden dabei sicherlich Ausnahmen. Potenzielle Verkäufer sollten in diesem Umfeld durchaus über einen Exit nachdenken, statt weiter an Bruttorenditen von zwei bis drei Prozent festzuhalten.

Das durch einen Verkauf freigesetzte Kapital könnten Investoren dann beispielsweise in Immobilien in regionalen Zentren abseits der Metropolen oder in weniger begehrten Lagen der Top-Standorte investieren. In vielen Fällen scheinen sich die Rendite-Risiko-Profile der sogenannten B-Standorte weitaus positiver zu entwickeln als die der Top-7-Standorte: Einer Studie von Wüest & Partner zufolge ist der Renditeabstand der Top-Standorte auf die B-Städte zwischen 2006 und 2013 von 150 auf 260 Basispunkte angewachsen. Der Investitionsentscheidung in Richtung regionale Zentren oder B-Lagen sollten allerdings gezielte Standortprüfungen und detaillierte Analysen des Wachstumspotenzials vorausgehen.

Jenen Investoren, die mit dem Gedanken eines Exits spielen, bieten sich grundsätzlich nur wenige Möglichkeiten, die erzielten Erlöse vernünftig und zu vergleichbaren Konditionen zu reinvestieren. Andere Immobiliennutzungsarten sind sicherlich eine Überlegung wert, doch muss auch das nötige Know-how vorhanden sein. Zudem wollen viele Investoren weiter an ihrer Metropolen-Strategie festhalten - die hohen Kaufpreise der dortigen Gewerbegebäude mindern jedoch die möglichen Erträge. Auch wer allein auf die Exitüberschüsse aus der Wohnimmobilie setzt und sein Geld nach dem Verkauf lediglich in die Schublade oder in Bundesanleihen steckt, begeht einen schweren Fehler. Die - wenngleich vermeintlich geringe - Rendite, die Investoren mit einer bereits in ihrem Portfolio befindlichen Wohnimmobilie über die kommenden Jahre mit sehr großer Wahrscheinlichkeit weiter erwirtschaften, kann durch kaum eine andere Anlageform mit vergleichbarem Risiko realisiert werden. Erträge, die eine Wohnimmobilie heute erwirtschaftet, sind mittelfristig gesichert. Wer die Wertschöpfung jetzt durch einen Verkauf kappt, sollte sich vorher ganz genau überlegen, ob eine Reinvestition in andere Anlageformen mit den Erträgen mithalten kann.

Björn Holzwarth, Mitglied des Direktoriums, Bankhaus Ellwanger & Geiger KG und Geschäftsführer, Ellwanger & Geiger Real Estate, Stuttgart

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