Spezialfonds

Wohnungsspezialfonds nur eine Modeerscheinung?

Wohnimmobilien sind im Trend. Diese Aussage gilt nicht nur für Privatanleger. Auch institutionelle Investoren haben diese Assetklasse wiederentdeckt. In den neunziger Jahren waren insbesondere Versicherungen schon einmal in hohem Maße in Wohnimmobilien investiert. Zu Beginn des Jahrtausends trennten sie sich jedoch von ihren Beständen. Nun schlägt das Pendel zurück. Zwar wird, wie das aktuelle Trendbarometer "Immobilienanlagen der Assekuranz" von Ernst & Young Real Estate zeigt, der Immobilienbestand deutscher Versicherer nach wie vor von Büroimmobilien dominiert. 56 Prozent des Immobilienvermögens sind derzeit in diese Nutzungsart investiert. Wohnimmobilien haben der Studie zufolge aktuell nur einen Anteil von elf Prozent. Dies wird sich jedoch künftig ändern: In diesem Jahr planen 75 Prozent der befragten Versicherungen, Wohnimmobilien zu erwerben. Nur 38 Prozent hingegen beabsichtigen, Wohnimmobilien in diesem Jahr zu veräußern. Der Wohnimmobilienbestand der Assekuranz wird demnach wachsen.

Bedeutung von Wohnimmobilien in den Portfolios

Den Großteil ihres Immobilienvermögens halten deutsche Versicherungen noch im Direktbestand. Der Trend zeigt aber in eine andere Richtung: In diesem Jahr planen 63 Prozent der von Ernst & Young befragten Assekuranzen, in deutsche Spezialfonds zu investieren. Gleichzeitig wollen sich 69 Prozent der Befragten von Direktbeständen trennen. Fügt man den Trend zur Wohnimmobilie und den zur indirekten Anlage zusammen, so ergibt sich ein großes Potenzial für Anbieter von Wohnimmobilien-Spezialfonds. Hinzu kommt, dass Wohnimmobilien neben Versicherungen derzeit auch bei anderen institutionellen Investoren wie beispielsweise Pensionskassen oder Family Offices beliebt sind.

Derzeit gibt es mindestens neun Wohn-immobilien-Spezialfonds, die institutionellen Investoren die indirekte Wohnimmobilienanlage anbieten. Diese Spezialfonds werden in den kommenden Jahren mehrere Milliarden in deutsche Wohnungen investieren.

Warum sind Wohnimmobilien aktuell bei deutschen Versicherern und anderen institutionellen Investoren so begehrt? Institutionelle stellen sich auf eine lang anhaltende Niedrigzinsphase ein. Dies hat insbesondere für Lebensversicherer enorme Relevanz. Da deutsche Lebensversicherungen zu über 80 Prozent in Anleihen investiert sind, kommen sie in Schwierigkeiten, wenn das Zinsniveau dauerhaft unter die den Versicherten zugesicherte Mindestverzinsung fällt. Dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bereits Ende 2009 erstmals Lebensversicherern Stresstest vorschrieb, die von sehr niedrigen Zinsen bis 2018 ausgingen, zeigt, wie ernst die Situation ist. Bislang simulierten die Stresstests lediglich drastische Einbrüche am Aktien- und Rentenmarkt. Mit einer Erhöhung der Immobilienquote ließe sich die Abhängigkeit von Zinstiteln reduzieren. Dies ist ein wichtiger Grund, weshalb deutsche Versicherer dem Trendbaromter von Ernst & Young zufolge planen, ihre Immobilienquote in diesem Jahr von 6,1 Prozent auf 6,4 Prozent zu erhöhen.

Von der Erhöhung der Immobilienquote werden Wohnimmobilien überproportional profitieren. Der Grund: Viele institutionelle Investoren haben in den vergangenen Jahren schlechte Erfahrungen mit Büroimmobilien gemacht. Nach Angaben des Analysehauses IPD Investment Property Databank erzielten Investoren in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren mit Büroimmobilien nur eine Rendite von 2,6 Prozent. Anders Wohnimmobilien: Sie konnten in der Vergangenheit mit stabilen und hohen Renditen überzeugen. Dies ist für manche Investoren eine überraschende Erkenntnis, galt die Wohnimmobilie doch lange Zeit als eher renditeschwach. Laut IPD betrug die Gesamtrendite von Wohnimmobilien in den vergangenen zehn Jahren 4,4 Prozent. Wohnimmobilien erzielten demnach eine fast 70 Prozent höhere Verzinsung des eingesetzten Kapitals als Büroimmobilien.

Risikoarm

Hinzu kommt, dass Wohnimmobilien eine deutlich geringere Volatilität aufweisen. Die Nachfrage nach Büroimmobilien hängt stark von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ab. Steigt beispielsweise die Arbeitslosigkeit an, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die Flächennachfrage nach Büroimmobilien. Gewohnt wird hingegen immer, sodass Wohnimmobilien einer relativ gleichbleibenden Nachfrage unterliegen. Wohnimmobilieninvestments liefern daher nahezu schwankungsfreie Erträge, die Stabilität in das Portfolio eines Investors bringen. Auch für die kommenden Jahre ist zu erwarten, dass institutionelle Investoren Büroimmobilien eher meiden werden, da sie im Zuge der globalen Wirtschaftskrise weiter steigende Leerstände und sinkende Mieten befürchten.

Für die meisten institutionellen Investoren hat der Erhalt des Anlagekapitals oberste Priorität. Dazu gehört auch ein angemessener Schutz vor Inflation. Gewöhnliche Anleihen, die derzeit zumindest bei den Assekuranzen den mit Abstand größten Anteil am Anlagevermögen ausmachen, können diesen Schutz nicht bieten. Steigt die Inflation in den nächsten Jahren nur um wenige Prozentpunkte, wird die Realverzinsung von heute emittierten Anleihen negativ. Bei Investitionen in Gewerbeimmobilien können indexierte Mietverträge inflationäre Tendenzen ausgleichen. In diesen Fällen steigt mit der Inflation auch der Mieterlös und dementsprechend der nominale Wert von Gewerbeimmobilien.

Allerdings sind in Deutschland längst nicht alle Mietverträge indexiert, sodass Gewerbeimmobilien keinen ausreichenden Schutz vor Inflation bieten können. Eine Studie von Bulwien-Gesa kommt zu dem Ergebnis, dass über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren Wohnimmobilien einen deutlich besseren Schutz vor Inflation als Gewerbeimmobilien boten. Vor allem aktiv gemanagte Wohnungsbestände an wirtschaftsstarken Standorten (Metropolen, Oberzentren und deren Speckgürtel) wiesen der Studie zufolge einen hohen Inflationsschutz auf.

Ein weiterer Grund, weshalb Wohnimmobilien gerade jetzt im Fokus institutioneller Anleger stehen, sind die guten mittel- und langfristigen Perspektiven diese Anlageklasse. Trotz Bevölkerungsrückgang steigt die Zahl der Haushalte in Deutschland an. Der Grund: Die Anzahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte nimmt deutlich zu. Das Eduard Pestel Institut prognostiziert für die kommenden 15 Jahre einen Gesamtbedarf an Wohnraum von etwa 300000 bis 400000 Wohneinheiten pro Jahr. Auf der anderen Seite befindet sich die Bautätigkeit im Wohnbereich auf einem historischen Tiefpunkt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2009 nur rund 155000 neue Wohnbaugenehmigungen erteilt. In den vergangenen 15 Jahren ging die Zahl der genehmigten Bauanträge damit um rund 75 Prozent zurück.

Europaweit liegt Deutschland auf dem letzten Platz beim Wohnungsneubau. Nur 1,7 Wohnungen je 1000 Einwohner wurden im vergangenen Jahr gebaut, während es beim Spitzenreiter Schweiz mit 6,3 Wohnungen je 1000 Einwohner mehr als viermal so viele sind. Auch Frankreich und Österreich mit 4,9 beziehungsweise 4,7 Wohnungsneubauten pro 1000 Einwohner liegen deutlich über dem deutschen Wert. Die geringe Neubautätigkeit und der steigende Wohnraumbedarf versprechen vor allem in Metropolregionen, dynamischen Ballungszentren und etablierten Mittelstädten mit guter Wirtschafts- und Infrastruktur eine positive Entwicklung der Miet- und Kaufpreise. Es verwundert daher nicht, dass die Mehrzahl der derzeit aktiven Spezialfonds vor allem in den wirtschaftlichen Ballungszentren München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Köln/Bonn und Hamburg investieren will. Die neuen Bundesländer und strukturschwache Regionen in den alten Bundesländern werden dagegen überwiegend gemieden.

Vorteil Spezialfonds

Es gibt für institutionelle Investoren derzeit also eine Vielzahl von Gründen, um in Wohnimmobilien zu investieren. Was aber sind die Argumente, die für ein indirektes Investment mittels Spezialfonds sprechen? Viele Institutionelle ziehen derzeit indirekte Anlagevehikel einem Direktinvestment vor, da sie die Verwaltungsintensität von Wohnimmobilien umgehen wollen. Aufgrund der Kleinteiligkeit in der Mieterstruktur ist die Verwaltung wesentlich personalintensiver als bei Gewerbeimmobilien. Bei Investitionen in einen Spezialfonds ist es Aufgabe des Fondsmanagement, diese aufwendige Verwaltungsaufgabe zu erledigen beziehungsweise deren Erledigung zu organisieren. Investoren müssen daher keine Mitarbeiter und dementsprechend hohe Fixkostenblöcke vorhalten, um die Bewirtschaftung der Wohnimmobilien sicherzustellen. Das Fondsmanagement wiederum beauftragt häufig externe Dienstleister, die auf die Verwaltung von Wohnungsbeständen spezialisiert sind.

Auf diese Weise wird aus der Kleinteiligkeit der meisten Wohnungsbestände eher eine Chance als eine Belastung für den Investor. Schließlich ermöglicht die Kleinteiligkeit der Wohnungsbestände auch eine breite Risikodiversifikation. Büroimmobilien werden häufig von wenigen oder gar nur einem Mieter genutzt. Der unerwartete Ausfall eines Mieters kann die finanzielle Situation des Vermieters daher stark beeinträchtigen. Anders die Wohnimmobilie: Das Ausfallrisiko eines Mieters relativiert sich angesichts der großen Anzahl von Mietparteien bei Wohnimmobilien.

Ein anderer Grund, der vor allem für Lebensversicherungen eine bedeutende Rolle spielt, ist die Möglichkeit, bei indirekten Investments vom Leverage-Effekt zu profitieren. Investieren Lebensversicherer direkt in Immobilien, dürfen sie dafür kein Fremdkapital aufnehmen. Bei Wohnimmobilien-Spezialfonds ist die Aufnahme von bis zu 50 Prozent Fremdkapital hingegen erlaubt - die Nutzung des Leverage-Effekts somit möglich. Gerade das aktuell niedrige Zinsniveau setzt hohe Anreize, diesen Renditekick zu nutzen.

Nachhaltiger Trend

Das Image der Wohnimmobilie hat sich komplett gewandelt. Sie gilt nicht mehr als renditeschwaches, sondern als sicheres und renditestarkes Investment. Außerdem sind die Zukunftsperspektiven von Wohnimmobilieninvestments aufgrund des Anstiegs der Haushalte und der geringen Neubautätigkeit attraktiv. Der Trend, in Wohnimmobilien zu investieren, vereint sich mit dem Trend zur indirekten Anlage. Gründe, die für die indirekte Anlage über einen Immobilienspezialfonds sprechen, sind vor allem das personalintensive Management der Wohnimmobilien und zumindest für Lebensversicherer - die Nutzung des Leverage-Effekts. Derzeit sind mindestens neun Anbieter von Wohnungsspezialfonds am Markt. Tendenz steigend. Es ist ein Trend und keine Modeerscheinung.

Jürgen F. Kelber , Geschäftsführender Gesellschafter , Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X