Marktperspektiven

Die Zukunft des Warenhauses

Über die Chancen des traditionellen Kaufhauses ist in der jüngsten Vergangenheit viel spekuliert worden - meist mit dem Tenor, dass das Warenhaus tot sei. Shoppingcenter hätten das bessere Konzept, würden eine größere Magnetfunktion ausüben und somit das Warenhaus mittelfristig vom Markt verdrängen. Jedes Geschäft im Einkaufszentrum sei ein Spezialist und biete entsprechend marktgerechtere Waren als Kaufhäuser, die als Generalisten gelten. Der Mix von Läden, Gastronomie und Dienstleistungen biete im Shoppingcenter mehr Einkaufserlebnis als im verstaubt anmutenden Kaufhaus. Das alles sind berechtigte Argumente.

Vorbild Großbritannien

Dennoch muss das Warenhaus deshalb noch längst nicht tot sein. Neue Flächenkonzepte, eine Überarbeitung der Sortimentsstruktur, mehr Flexibilität beim Mitarbeitereinsatz sowie eine Anpassung der Verkaufsräume an die Anforderungen des demografischen Wandels - zahlreiche Chancen bestehen, um die Warenhäuser fit für die Zukunft zu machen. Der Marktanteil der Warenhäuser am Einzelhandelsumsatz, der seit dem Jahr 2000 einem kontinuierlichen Abwärtstrend unterliegt und von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für das laufende Jahr auf 2,3 Prozent geschätzt wird, kann jedoch nur gestoppt werden, wenn marktgerechte Kaufhauskonzepte rasch und konsequent umgesetzt werden.

Ein Blick nach Großbritannien zeigt: Hier haben sich drei Warenhauskonzepte als Ergänzung zum modernen Shoppingcenter erfolgreich behauptet. Allen drei Konzepten gemeinsam ist ein hohes Maß an Spezialisierung.

- Marks & Spencer steht stellvertretend für eines dieser drei Konzepte. Hier wird auf Eigenprodukte im Food- und Bekleidungsbereich gesetzt. Dies ist am Markt entsprechend bekannt.

- Das zweite Erfolgsbeispiel sind Häuser, die auf eine extrem gute Beratung setzen. Dies ist zwar personal- und damit kostenintensiv, trotzdem wird eine aggressive Preispolitik mit Niedrigpreisgarantie betrieben. Wird in einem bestimmten Umkreis um ein solches Kaufhaus eine Ware preiswerter angeboten, erhalten die Kunden die Differenz erstattet. Dem hohen Aufwand zum Trotz werden ähnliche Konzepte bereits in Ansätzen von deutschen Elektronikunternehmen verfolgt.

- Das dritte erfolgreiche Konzept in Großbritannien sind Häuser, die ihre Flächen wiederum an dritte Unternehmen und Marken untervermieten. Dieser Ansatz war bereits bei Karstadt in Deutschland zu beobachten, wurde jedoch nicht beharrlich genug verfolgt. Auf den britischen Inseln wurde die Untervermietung hingegen zum übergeordneten Prinzip erhoben. In diesen Fällen erinnert das Konzept äußerlich weiterhin an die traditionelle Institution Warenhaus, im Innern jedoch ähnelt das Shop-in-Shop-Konzept eher einem Shoppingcenter - allerdings ohne abgegrenzte Ladeneinheiten, sondern in einer offenen Grundrissgestaltung.

Darüber hinaus haben englische Kaufhäuser - so beispielsweise John Lewis - den internationalen Versand entdeckt. Die Waren aus Großbritannien erreichen Deutschland schnell und zuverlässig sowie preisgünstig.

Generationenfreundlichkeit

Das Beispiel Großbritannien macht deutlich, dass Warenhäuser durchaus weiterhin eine Chance haben. Es sind allerdings klare Konzepte gefragt, die den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Hierzu zählt beispielsweise das Konzept der Generationenfreundlichkeit. Seit 2010 vergibt der Handelsverband Deutschland (HDE) das Siegel "Generationenfreundliches Einkaufen" und prämiert damit Fachgeschäfte, Verbrauchermärkte oder eben auch Warenhäuser, die den Einkauf für den Kunden unbeschwerlich und barrierearm gestalten.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der damit verbundenen Überalterung in Deutschland sind eine übersichtlichere Warenpräsentation, breite Gänge, die durch die Verkaufsräume führen, mit Sitz-, Abstell- und Ruhemöglichkeiten maßgeblicher denn je für den künftigen Geschäftserfolg. Denn in absoluten Zahlen ausgedrückt wird die Altersgruppe der unter 65-Jährigen bis 2030 um 8,5 Millionen Personen abnehmen, wohingegen die Gruppe der über 65-Jährigen, insbesondere aber die der über 80-Jährigen, massiv wachsen. 2050 wird über ein Drittel der Bevölkerung 65 Jahre und älter sein.

Deutsche Warenhauskonzerne wie Kaufhof und Karstadt sind gut damit beraten, die Umrüstung der Filialen rechtzeitig voranzutreiben. Als erstes Geschäft in Deutschland erhielt die Filiale Galeria Kaufhof am Berliner Alexanderplatz das Qualitätszeichen - der Konkurrent Karstadt besitzt mittlerweile bereits zwei generationenfreundliche Filialen, ebenfalls in Berlin, in seinem Portfolio. Neben der Berücksichtigung von Altersstrukturen und den damit in Zusammenhang stehenden Modernisierungsinvestitionen in das Filialnetz gibt es eine Vielzahl weiterer Stellschrauben, die Kaufhäuser wieder zum Kundenmagneten und Magnetmieter machen (könnten). Allen voran steht eine deutlich stärkere Fokussierung auf Zielgruppen und ausgewählte Sortimente.

Dem Vorbild Großbritanniens folgend sieht die Strategie des seit Jahresbeginn amtierenden Karstadt-Chefs Andrew Jennings - ein Brite - beispielsweise eine Dreiteilung des Unternehmens vor. Im Markt sollen sich die Premiumhäuser in Berlin (KaDeWe), Hamburg (Alsterhaus) und München (Oberpollinger), die Sportfilialisten und die übrigen Warenhäuser als eigenständige Firmen besser positionieren können. Hinzu kommt, dass Eigenmarken gestärkt und exklusive Modelinien eingeführt werden sollen. So stellte der New Yorker Designer Walter Baker im Sommer 2011 sein Label vor, dessen Kleider in Deutschland ausschließlich über die Warenhauskette Karstadt vertrieben werden.

Exklusivität des Angebots

Die Zukunft der deutschen Warenhäuser liegt zudem in der richtigen Personalführung. So wie es am Beispiel Karstadt derzeit zu beobachten ist, kommt der Regionalisierung eine immer wichtigere Rolle zu. Regionalisierung im filialisierten Einzelhandel bedeutet, dass die Filialleiter vor Ort mehr Eigenständigkeit bei der Sortimentsgestaltung zugesprochen bekommen. Somit können die Leiter ihre Häuser besser auf die regional ansässige Kundschaft einstellen und entsprechende Sortimentsschwerpunkte einführen. Diese umfassen dann zum Beispiel die Bereiche Mode, Schönheit und Schmuck. Auch eine Spezialisierung auf Outdoorartikel oder eine sogenannte "Living"-Ausrichtung mit der gesamten Bandbreite an Haushaltsartikeln ist denkbar.

Als Schlüssel zu mehr Wettbewerbsfähigkeit gilt auch - wie von Jennings ins Feld gebracht - die Flexibilisierung des Mitarbeitereinsatzes. In den Warenhäusern soll sich demnach die Zuteilung der Mitarbeiter stärker am Kundenaufkommen ausrichten. Dafür sind eine Spezialisierung und eine leistungsbezogenere Bezahlung der Verkaufsteams sowie ein insgesamt höherer Servicestandard ausschlaggebend.

Neue Präsentationsformen

Um nicht zum Auslaufmodell unter den Betriebsformen im Einzelhandel zu werden, tun Warenhäuser gut daran, sich - anders als in der Vergangenheit - ständig neu zu erfinden. Ein "Laborkaufhaus" wie es von Karstadt für seinen Düsseldorfer Standort vorgesehen ist, kann im Vorhaben, neue Kundengruppen erobern zu wollen und zu müssen, einen Meilenstein darstellen. Im Düsseldorfer "Laborkaufhaus" sollen neue Wege der Warenpräsentation nach dem Motto "Handel ist Wandel" getestet werden. Künftig werden möglicherweise nicht mehr Regalreihen mit bestimmten Produkten, sortiert nach Produktart und Preis, für die Kaufentscheidung bestimmend sein, sondern vielmehr Erlebniswelten, in denen die Produkte im Umfeld gezeigt werden. Statt dass Töpfe, Pfannen und Messer im Regal liegen, bereitet zum Beispiel ein Koch in einer aufgebauten Küche Speisen zu, benutzt die Artikel und präsentiert diese. Solange neue Ideen dieser Art umgesetzt werden, wird das Warenhaus auch in den kommenden Jahrzehnten eine sinnvolle und weiterhin vom Konsumenten nachgefragte Betriebsform sein.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X