Immobilien im öffentlichen Interesse

Wohnungsbau vor dem Neustart?

Der Wohnungsbau in Deutschland hat zweimal sieben magere Jahre hinter sich. Parallel dazu ist auch die Wohnungsbauförderung massiv eingeschränkt worden. Die Streichung der degressiven AfA und der Eigenheimzulage ist das sichtbarste Zeichen dafür. In der Öffentlichkeit entstand fast der Eindruck, Neubau werde eigentlich gar nicht mehr gebraucht. Zumindest verbal hat die neue Bundesregierung hier endlich einen Kontrapunkt gesetzt. Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft werden in ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung gewürdigt. Und es heißt klar: "Insbesondere in Ballungsräumen ist zusätzlicher Wohnungsneubau erforderlich". Genauso eindeutig ist das Bekenntnis zur Erhöhung der Wohneigentumsquote.

Weit höherer Bedarf

Recht hat die Politik damit. Denn längst ist der Wohnungsbau in Deutschland von den tatsächlichen Bedarfszahlen weit entfernt. Dafür gibt es mindestens drei starke Indizien:

- Bereits der schlichte Blick über die Grenzen in Europa zeigt, dass wir hierzulande mit 2,0 neuen Wohnungen pro 1 000 Einwohner am Tabellenende liegen. Mit Ausnahme Dänemarks ist die Bauintensität in allen direkten Anrainerstaaten mindestens doppelt so hoch wie in Deutschland. An der Spitze kommt Frankreich fast auf den dreifachen Wert (nämlich 5,6). Aber auch beim nördlichen Nachbarn entstehen 2009 - bezogen auf die Bevölkerung - immerhin 65 Prozent mehr neue Wohnungen.

- Die LBS haben Anfang des Jahres alle wohnungswirtschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland befragt, wie sie den jährlichen Neubaubedarf bis 2025 einschätzen. Ergebnis: Die Mehrheit sieht ihn in der Größenordnung von 270 000 bis 350 000 Einheiten - also um rund 50 bis 100 Prozent höher als das aktuelle Neubauniveau.

- Dies deckt sich mit der aktuellen Wohnflächenprognose des Berliner Forschungsinstituts Empirica für den Zeitraum bis 2030, die vor kurzem veröffentlicht wurde. Die Forscher sehen in den nächsten 20 Jahren insgesamt ein Flächenwachstum von 14 Prozent. Rechnerisch bedeutet das einen jährlichen Neubau in der Größenordnung von 300 000 Wohneinheiten, wenn es nicht zu Problemen kommen soll. Die Gründe dafür sind klar: Die Zahl der Haushalte nimmt noch viele Jahre zu. Und sie werden kleiner, aber sie wollen deshalb nicht bescheidener wohnen. Im Gegenteil, die allermeisten Menschen möchten immer länger in ihrem Haus beziehungsweise in ihrer Wohnung bleiben. Vor allem nimmt der Anteil der Menschen in eigenen vier Wänden zu.

Beginnender Umschwung

Die "fundamentalen" Faktoren scheinen jetzt erstmals auch wieder im Markt zu greifen. Denn fast unbemerkt hat sich im Jahresverlauf 2009 eine erste Erholung vollzogen. Während die Genehmigungen anfangs gegenüber dem Vorjahr noch zurückblieben, stand im dritten Quartal bereits ein Plus von 6,6 Prozent zu Buche. Für das letzte Quartal schätzen wir den Anstieg sogar auf 13 Prozent.

Aufs Jahr gerechnet wäre das ein geringfügiger Zuwachs von knapp einem Prozent: 176 000 genehmigte Wohneinheiten gegenüber 174 600 im Jahr 2008. Nach wie vor ist der Neubau in erster Linie durch Maßnahmen zur Wohneigentumsbildung geprägt: Über die Hälfte der Genehmigungen entfällt auf Eigenheime. Inklusive Eigentumswohnungen sind es sogar fast 70 Prozent.

Die LBS-Prognose geht davon aus, dass im Jahre 2010 bereits rund 195 000 Wohneinheiten genehmigt werden. Das sind elf Prozent mehr als in diesem Jahr und der höchste Wert seit vier Jahren. Damit stimmt erstmals wieder wenigstens die Richtung - auch wenn die Lücke zum Bedarf noch beträchtlich bleibt.

Starke Kaufsignale

Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass gerade jetzt außergewöhnliche günstige wirtschaftliche Ausgangsbedingungen bestehen:

Wer sichere Anlageformen sucht, der ist bei der Wohnimmobilie zurzeit besonders gut aufgehoben. Qualitativ gute Immobilien sind wertstabil und werfen auch eine ordentliche "Rendite" ab, nicht nur bei Renditeobjekten, sondern auch beim selbstgenutzten Wohneigentum, und zwar in Höhe der ersparten Miete. Dieser Vorteil ist umso attraktiver, je unsicherer andere Anlagen werden, aber auch je geringere Zinsen diese aktuell versprechen.

Im Gegensatz zu Deutschland waren in vielen Nachbarländern Preissteigerungsraten von 100 oder 150 Prozent im Jahrzehnt von 1995 bis 2005/2006 an der Tagesordnung; das ist seitdem auch nur teilweise korrigiert worden. Bei uns sind dagegen die Preise seit Mitte der neunziger Jahre praktisch gleich geblieben. Das heißt zugleich: Auf rückläufige Preise hierzulande zu spekulieren, könnte sich als fatal erweisen. Wenn, dann dürften die deutschen Wohnimmobilienpreise eher anziehen als nachlassen.

Hinzu kommt, dass Ähnliches jetzt auch über die Finanzierungsbedingungen zu sagen ist. Hauskäufer finden ein großes privates Kreditangebot vor; von einer Kreditklemme kann zumindest hier keine Rede sein. Außerdem ist das Zinsniveau historisch niedrig. Finanzierungsraten sind häufig schon zu Beginn nicht teurer als Mieten für vergleichbare Objekte. Sie belasten in den meisten Fällen das Haushaltseinkommen nicht mit mehr als 20 oder 25 Prozent. Die Bezahlbarkeit von Immobilien ist jetzt besser denn je. Vom Nutzen in späteren Jahren, wenn die Belastung sinkt, während man als Mieter mit weiter steigenden Kosten konfrontiert würde, ganz zu schweigen.

Dass die Menschen das im Kern wissen, hält die Nachfrage lebendig. Das ist auch an den Vermittlungsergebnissen der LBS-Immobiliengesellschaften abzulesen. In den ersten neun Monaten haben sie erneut deutlich mehr gebrauchte Eigenheime und Eigentumswohnungen an Interessenten vermitteln können. Insgesamt beträgt das Plus gegenüber dem Vorjahr über zehn Prozent. So wichtig es ist, die Wohnungsbestände zu modernisieren und energetisch zu sanieren - ein "Entweder oder" auf Kosten des Neubaus wäre ein Irrweg. Noch ist das Angebot an guten Objekten zwar relativ breit. Und es ist, abgesehen von den teuren Ballungsräumen, auch recht günstig. Künftig wird die Auswahl für Erwerber in Deutschland jedoch tendenziell schwieriger werden. Wenn der Neubau nicht bald deutlich reagiert, dann sind die Folgen über kurz oder lang unausweichlich: nämlich steigende Mieten und steigende Immobilienpreise. In vielen wirtschaftsstarken Metropolen und in ihrem Umland sind entsprechende Signale bereits heute wahrnehmbar.

Politische Impulse wichtig

Das ist in den letzten Monaten auch wieder ins Blickfeld der Verbände und der Politik gerückt, wie nicht zuletzt die eingangs erwähnten "Programmsätze" der Koalitionsvereinbarung zeigen. Manche beklagen, dass die Bundesregierung nicht neue flächendeckende Förderinstrumente ausgerufen hat. Wer nüchtern und realistisch an das Thema herangeht, der musste da sicher angesichts der begrenzten Spielräume der öffentlichen Hand von vornherein skeptischer sein.

Das heißt aber nicht, dass die öffentliche Hand untätig sein soll. Was Not tut, sind gezielte, wirksame Anreize. Wobei es wirksam ist, auf potenzielle private Bauherren zu setzen. Davon gibt es sehr viel mehr, als man denkt. Und bei ihnen muss man auch nicht viel Geld ausloben. Die Menschen brauchen "nur" klare Signale der Ermutigung, wenn es in diesen als risikoreich empfundenen Zeiten an eine Investition wie die Schaffung eigener vier Wände geht.

Dabei geht es keineswegs um einen Aufruf zu leichtfertigen Entscheidungen. Wie wertvoll es war, dass in Deutschland eine solide Wohnungsbaukultur herrscht, mit ausreichend Eigenkapital und Festzinsdarlehen, nicht zuletzt über den Bausparvertrag, hat uns der Vergleich mit den "Subprime"-Darlehen in den USA, aber auch in Großbritannien drastisch vor Augen geführt.

Nein - es geht darum, denjenigen Zuversicht zu vermitteln, die zur Zeit einfach zu ängstlich sind und die richtige Entscheidung dann vielleicht verpassen. Die LBS wissen, wie viele Kunden eigentlich zur Finanzierung in der Lage wären und nur noch zu zögerlich sind. Nicht wenige auch jetzt noch, nachdem die allergrößten Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung, um Arbeitsplätze und Einkommensperspektiven abzuklingen scheinen.

Deshalb war es auch gut, dass der Staat mit dem neuen "Wohn-Riester" seit einem Jahr ein zusätzliches Signal gesetzt hat. Dessen Entlastungswirkung wird vielfach unterschätzt: Die Zulagen für eine vierköpfige Familie senken immerhin die Finanzierungslast für einen Kredit von 150 000 Euro um einen halben Prozentpunkt, und dies für Jahrzehnte.

Hinzu kommt als neuer Akzent, dass ab dem 1. Januar 2010 vorhandene Riester-Guthaben ohne die bis her hinderliche Mindestschwelle von 10 000 Euro als Eigenkapital für den Eigentumser "Eigenheimrente" zusätzliche Impulse geben. Und richtig ist es sicher auch, wenn die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt hat, dieses Instrument noch zu vereinfachen. Mehr wird vom Bund konkret nicht angekündigt. Ansonsten liegt es - je nach der regionalen Wohnungsmarkt-Situation - auch in der Kompetenz der Länder und Städte, für kaufwillige Familien die Hürden möglichst niedrig zu halten. Nach der Aufgabenverteilung im Rahmen der Föderalismusreform sind die Länder mehr denn je aufgerufen, mit öffentlichen Mitteln familien-, sozial- und städtebaupolitisch gezielt zu helfen.

Und die Kommunen wissen im Grunde um ihre Möglichkeiten, Interessenten den Weg zu den eigenen vier Wänden zu ebnen, insbesondere durch den Zugang zu günstigem Bauland. Städte, die in diesem Bereich aktiv sind, sichern ihre Zukunft - gerade auch als Wohnstandort. Sie schaffen zugleich gute Bedingungen für Kinder, tun etwas gegen die Altersarmut von morgen und sie unterstützen nicht zuletzt das örtliche Bauhandwerk. Viele gute Gründe also, vor Ort die Initiative zu ergreifen und den Wohnungsbau nachfragegerecht voranzubringen.

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