Leitartikel

Wichtiger Etappenerfolg

Geschafft. Als EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia dieser Tage die Staatshilfen für die Hypo Real Estate (HRE) genehmigen konnte, war sogar dem Brüsseler Marktwächter die Erleichterung anzumerken. Immerhin konnte so eines der bedeutendsten und äußerst komplexen Beihilfeverfahren im europäischen Bankensektor abgeschlossen werden. Dem Spanier, dem das Gezerre mit renitenten Krisenbanken und nationale Interessen verbissen verteidigenden Politikern nicht fremd ist, lobte sogar ausdrücklich die "konstruktive Weise", mit der das Verfahren zum Abschluss gebracht werden konnte. Solche Worte sind selten zu hören, wenn es um die Rettung von Europas Banken geht. Tatsächlich ist der verbale Schulterklopfer des Kommissars für die im HRE-Fall Beteiligten auch ein wohl gesetzter Schwinger, mit dem jene staatlich gestützten Institute und öffentlichen Institutionen abgewatscht werden, die auf Zeit spielen oder es am Konsenswillen mangeln lassen. So schleppt sich das Verfahren um die Staatshilfen für die Bayern-LB sehr zum Verdruss des Kommissars dahin, statt einer längst überfälligen Lösung zuzustreben.

Wohlan, die HRE weiß sich artig zu bedanken und schmeichelt den Wettbewerbshütern, indem sie ihnen einen fairen Umgang mit der Bank attestiert. Auch im Bundesfinanzministerium und bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ist die Freude spürbar. Anerkennung verdient das bislang Geleistete allemal, vor allem die Geschwindigkeit, mit der Deutschlands größter Immobilien- und Staatsfinanzierer auf ein neues Gleis gesetzt wurde. Für die sich insgesamt auf rund 175 Milliarden Euro belaufenden staatlichen Hilfen, welche die Bank in Anspruch nahm, hatte die EU als Kompensation den Abbau der Bilanz um 85 Prozent verlangt. Von etwa 420 Milliarden Euro IFRS-Konzernbilanzsumme zum Ende des als Basis genommenen Jahres 2008 sind Ende März 2011 in der strategischen Kernbank, der Deutschen Pfandbriefbank (pbb), nur noch 102 Milliarden Euro übrig geblieben. Darin enthalten waren noch 35 Milliarden Euro Budgetfinanzierungen für staatliche Stellen, die jedoch wegen des untersagten Neugeschäfts langsam abschmelzen. Der "Schnitt" beinhaltet im Wesentlichen die Auslagerung von nicht strategischen Geschäften und Verlustbringern von bis zu 210 Milliarden Euro auf die öffentlich-rechtliche Abwicklungsgesellschaft FMS Wertmanagement.

Trotzdem bezweifelte die Kommission anfangs, dass unter den von ihr formulierten Auflagen die Rest-HRE überhaupt überleben könnte: Die Geschäftstätigkeit sollte auf die Immobilienfinanzierung und die zweckgebundene öffentliche Investitionsfinanzierung beschränkt sein. Gleichzeitig wird das Wachstum der zinstragenden Vermögenswerte begrenzt, um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen, die aus der faktischen Staatsgarantie der Bank resultieren könnten. Zudem darf der Depfa-Teilkonzern kein Neugeschäft schreiben. Auch die Vereinbarung über das Servicing des Portfolios der FMS Wertmanagement, für das die Deutsche Pfandbriefbank Gebühren vereinnahmt, muss bis Ende September 2013 auslaufen. Für diejenigen, die angesichts dieser Rosskur schon auf eine Komplettabwicklung der Bank gehofft hatten, müssen die jüngsten Geschäftszahlen ernüchternd wirken. Seit dem dritten Quartal 2010 ist das Institut profitabel - auch im zweiten Quartal 2011. Das hat die EU-Beamten überzeugt. Dass zudem die Deutsche Pfandbriefbank und ihr Management wieder selbstbewusst am Markt auftreten, zeigt sich auch im ausgerufenen Neugeschäftsziel. Immerhin bis zu acht Milliarden Euro - größtenteils Immobilienfinanzierungen - haben sich die Rand-Münchener für 2011 vorgenommen. Im Jahr 2013 werden rund zehn Milliarden Euro angestrebt. Das will ihren Wettbewerbern nicht schmecken - speziell denjenigen nicht, in deren Büchern noch hässliche Altlasten kleben.

Für den Bund und das HRE-Management stellt sich jetzt die Frage, wie die Bank mittelfristig reprivatisiert werden soll. Dies könnte sich als äußerst zähes Problem erweisen, denn wer will in absehbarer Zeit eine Pfandbriefbank kaufen? Schon in den "goldenen Immobilienjahren" vor der Finanzmarktkrise waren Interessenten rar gesät, jetzt sind sie es erst recht. Auch für die Corealcredit Bank, den Rest der einstigen AHBR, sucht Lone Star seit Jahren einen Abnehmer. Die HSH Nordbank ist ebenfalls zu reprivatisieren. Mit der Eurohypo, die bis 2014 abzugeben ist, steht ein weiterer Immobilienfinanzierer im Schaufenster. Inzwischen sollten aber die EU-Wettbewerbshüter am Beispiel Westimmo erkannt haben, dass sich der Verkauf zu einem fixen Termin nicht erzwingen lässt, weil dann vermeintliche Interessenten auf eine Zwangsveräußerung zu unterirdischen Preisen spekulieren. Für den Vorstand und den Eigentümer der HRE bleibt daher auch nach dem Segen aus Brüssel noch viel Vergangenheitsbewältigung zu leisten. Es ist ein wichtiger Etappenerfolg, aber noch kein Zieleinlauf.

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