Aktuelle Trends in der Wohnungsbaufinanzierung

Werteorientierung und genossenschaftliches Bausparen

Wer sich im weltweiten Netz nach Schwäbisch Hall umsieht, stößt nicht als erstes auf die Beschreibung dieser eindrucksvollen Stadt an der Kocher im Internet. Er stößt als erstes auf Schwäbisch Hall Bausparen. Ihm begegnet sogleich die suggestive Einladung an junge Leute: "Sie unterschrieben keinen Bausparvertrag. Sie unterschreiben Ihre Unabhängigkeitserklärung." Deutlicher kann man den Zusammenhang zwischen Bausparen und der Wertorientierung von heute nicht unterstreichen. An eines der größten Dokumente der Moderne, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776, wird angeknüpft und verdeutlicht: Bausparen ist ein Mittel dazu, den Traum der Moderne im persönlichen Leben zu verwirklichen: Unabhängigkeit, Autonomie, Freiheit.

"Wie soll eine kommende Generation weiterleben?"

Schwäbisch Hall hat freilich auch noch andere Seiten. Mir ist diese Stadt vor allem deshalb vertraut, weil die Familie Bonhoeffer über viele Generationen hier lebte und wirkte; viele Bonhoeffers hatten im kommunalen wie im kirchlichen Leben Schwäbisch Halls Schlüsselfunktionen inne. Dietrich Bonhoeffer, der Theologe und Märtyrer, der Widerstandskämpfer in der Konspiration gegen die Hitler-Diktatur, kann, obwohl in Breslau geboren und in Berlin aufgewachsen, als ein Kind Schwäbisch Halls bezeichnet werden. Als er des Hochverrats bezichtigt wurde, berief er sich auf die Bürgerrechte dieser Stadt, aus denen er die Pflicht zur politischen Verantwortung ableitete. Der gewaltige Porträtkopf, geschaffen von dem Bildhauer Alfred Hrdlicka, steht - auf Initiative der Volksbank Schwäbisch Hall - auf dem Platz, der nun Bonhoeffers Namen trägt.

Dietrich Bonhoeffer formulierte die Fragen, auf die es im menschlichen Leben entscheidend ankommt. Eine seiner Fragen heißt so: "Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll." An der Jahreswende 1942/43 hat Dietrich Bonhoeffer, aus einer Schwäbisch Haller Familie stammend, diese Frage formuliert. Das war ungefähr zu der Zeit, zu der sich die Bausparkasse Schwäbisch Hall hier ansiedelte. Schon dieses Zusammentreffen ist für mich ein Grund, meine heutigen Überlegungen an Dietrich Bonhoeffer zu orientieren: "Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll."

Die Frage nach der Werteorientierung unseres Handelns erhält dadurch eine besondere Zuspitzung. Sie wird eindeutig auf die Zukunft hin orientiert: Was trägt Dein heutiges Handeln zur Zukunft gelingenden Lebens bei? Nicht nur um eine Unabhängigkeitserklärung geht es, sondern auch um eine Erklärung der Solidarität: Ich weiß mich mitverantwortlich für die Zukunft des gemeinsamen Lebens, für den Zusammenhalt von Familie und Gesellschaft, für die Nachhaltigkeit unseres gemeinsamen Tuns.

Eine Solidaritätserklärung war schon die Bildung von Genossenschaften im 19. Jahrhundert, in der Zeit von Raiffeisen und Schultze-Delitzsch. Füreinander einzustehen galt als unentbehrliche Grundlage für die Selbstständigkeit der Einzelnen. Wenn man so hohe Worte verwenden will, kann man sagen: Im Genossenschaftswesen verbinden sich eine Unabhängigkeitserklärung und eine Solidaritätserklärung miteinander. Es steht für die Verbindung zwischen Eigenständigkeit und sozialer Verantwortung.

Eigenständigkeit und soziale Verantwortung

Im genossenschaftlichen Bausparen kommt das zum Ausdruck. So bündelt sich für mich das Thema des heutigen Tages - "Werteorientierung und genossenschaftliches Bausparen" - in dieser Frage des Theologen und Märtyrers aus einer Schwäbisch Haller Familie: "Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll." Sie ermutigt uns dazu, dass wir uns auch heute - in einer pluralistischen Zeit, in der nach der Auffassung vieler die Beliebigkeit herrscht - um ein klares Wertegerüst bemühen, aus Fehlern lernen und die Verantwortung für die Zukunft ins Zentrum rücken. Was kann das genossenschaftliche Bausparen dazu beitragen? Wem ein Beleg dafür fehlte, dass die Bildung von Wohneigentum und die Begleitung von Sparern, die Immobilien erwerben wollen, auf ein klares Wertegerüst angewiesen ist, der erhielt diesen Beleg mit kaum zu überbietender Deutlichkeit in der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009. Denn zu den Ursachen dieser Krise gehörte eine von der Regierung der USA ausgehende leichtfertige Förderung der Bildung von Wohneigentum. Staatlich geförderte Kredite wurden Menschen angedient, denen von ihrer Vermögens- und Verdienstlage her die Voraussetzungen dafür fehlten.

Den Mensch in den Mittelpunkt stellen

Als die wackeligen Hypotheken dann auch noch in problematischen Finanzprodukten verbrieft wurden, waren wichtige Zutaten für ein gefährliches Gebräu beisammen. Finanzinstitute, die sich durch das Interesse an möglichst spektakulären Profitraten zum Genuss dieses Gebräus verleiten ließen, merkten zu spät, dass es unbekömmlich war. Und die Sparer, die dazu verführt worden waren, mehr zu investieren, als sie sich leisten konnten, trugen den Schaden davon. Die Blase, in die sie hineingezogen worden waren, platzte. Die Verführung dazu, über die eigenen Verhältnisse zu leben, erwies sich als ein Verhängnis. Eine Lebensform des puren Egoismus, die als das angemessene Lebensmodell für das 21. Jahrhundert dargestellt worden war, erwies sich als ethisch haltlos und ökonomisch unvernünftig.

Die Immobilien- und Finanzmarktkrise enthielt die Lehre in sich, dass nicht das Geld, sondern der Mensch im Mittelpunkt der Wirtschaft steht. Wenn die Wirtschaft um des Menschen und nicht der Mensch um der Wirtschaft willen da ist, darf man das Geld nicht vergötzen; man muss zwischen Gott und dem Geld unterscheiden. Die Finanzmarktkrise erinnert uns insofern an die Wahrheit in der Warnung Jesu, dass man nicht Gott dienen kann und dem Mammon.

Die Finanzmarktkrise von 2008/09, eine der größten Wirtschaftskrisen der letzten einhundert Jahre, hatte unmittelbar mit dem Thema zu tun, dem die Bausparkasse Schwäbisch Hall gewidmet ist. Gerade angesichts der Herausforderungen, die mit den Krisenentwicklungen der letzten Jahre verbunden sind, bewährt sich die Verwurzelung der Bausparkasse in der genossenschaftlichen Tradition der Volksund Raiffeisenbanken. Denn diese genossenschaftliche Tradition enthält die Möglichkeit in sich, vom Menschen her zu denken und das Geld als Mittel für gemeinschaftliche Vorhaben anzusehen, die den Menschen dienen. Diese Betrachtungsweise ist heute bedroht. Damit sie nicht verloren geht, ist es gut, dass das Finanzwesen in Deutschland auf mehreren Säulen steht. Neben den Privatbanken und den öffentlich-rechtlich verfassten Sparkassen sind die genossenschaftlichen Geldinstitute eine wichtige, ja gerade in unserer Gegenwart unentbehrliche Säule des Finanzwesens. Dass die Volks- und Raiffeisenbanken - wie auch die zur selben Gruppe gehörenden Kirchenbanken - als einzige Gruppe die Finanzkrise durchgestanden haben, ohne auf staatliche Stützungsmaßnahmen angewiesen zu sein, verdient in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben zu werden.

Zu dieser Tradition gehört eine Reihe von Werthaltungen, die gerade im Blick auf die Bildung von Wohnungseigentum von großer Bedeutung sind. Besonders hervorheben will ich die Verantwortung für den Sozialraum, in dem eine genossenschaftliche Bank tätig ist. Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship gehören sozusagen zum genetischen Code genossenschaftlichen Wirtschaftens. Sie liegen auch im wohlverstandenen Eigeninteresse. Wer ein Unternehmen mit mehr als 3 000 Mitarbeitenden im Innendienst in einer Region wie Hohenlohe erfolgreich führen will, muss dafür die notwendigen Voraussetzungen schaffen - ganz besonders in den Bereichen von Bildung, Ausbildung und Hochschulbildung. Er muss für die Mitarbeitenden Arbeitsund auch Lebensbedingungen schaffen, die genug Anziehungskraft haben, um in dieser Region zu bleiben oder in sie zu kommen. Wenn dabei die Auszeichnung für "certified excellence in employee conditions" verliehen wird, ist das ein Grund zur Freude; wünschenswert ist allein, dass für diese Auszeichnung auch eine griffige deutsche Übersetzung gefunden wird.

Eine genossenschaftliche Bank ist eine von den Menschen einer Region getragene und für diese Menschen verantwortliche Bank. Die Verantwortung für die Menschen bestimmt den verantwortlichen Umgang mit deren Geld und mit den von ihnen benötigten Dienstleistungen. Deshalb haben die genossenschaftlichen Banken angesichts der Verselbstständigung der Finanzindustrie daran festgehalten, dass die Bankdienstleistungen gegenüber ihren Mitgliedern und Kunden ihre vorrangige Aufgabe bilden und nicht die Investmenttätigkeit als Finanzinstitut.

Der verantwortliche Umgang mit Geld hat noch eine andere Seite, die ich hervorheben will. Die Begrenzung und Kalkulierbarkeit von Risiken zählt ebenso dazu wie die Werterhaltung der Anteile aller genossenschaftlich miteinander verbundenen Anteilseigner. Die Transparenz der Beratung schließt ein, vor kühnen Träumen und überzogenen Investitionen zu warnen, selbst wenn das im ersten Moment Enttäuschungen hervorrufen wird. Doch auf dieser Grundlage wird der Wunsch, Wohneigentum zu erwerben, das eigene Haus zu errichten und für das eigene Alter vorzusorgen, als wertvoll gewürdigt und gefördert.

Auf diesem Weg wurde in der inzwischen neunzigjährigen Geschichte des Bausparens Beeindruckendes geleistet. Diese Geschichte beginnt in Deutschland in den Jahren der Weimarer Republik. Die christlichen Wurzeln des Bausparens sind unverkennbar, wie sich besonders an den Partnerorganisationen der Bausparkasse Schwäbisch Hall zeigt: der Leonberger Bausparkasse mit ihrem pietistischen und der Bausparkasse Wüstenrot mit ihrem methodistischen Hintergrund. Der insbesondere in der protestantischen Tradition fest verankerte Gedanke, dass Fleiß sich lohnt, aber sein Ertrag nicht in kurzfristigen Konsum, sondern in langfristige Werte umgesetzt wird, hat hier eine markante Gestalt angenommen. In der bekannten schwäbischen Formel "Schaffe, spare, Häusle baue" hat das einen geradezu überzeitlichen Ausdruck gefunden.

Selbst bestimmte Lebensgestaltung

Dabei führt die zweite Zeile des Liedes "schaffe, spare, Häusle baue und net nach de Mädle schaue" eher in die Irre. Zutreffender ist es, das "Häusle baue" mit der Familiengründung im Zusammenhang zu sehen, wie es eine andere Fortsetzung dieser Zeile, nun freilich in einer pointiert nüchternen Fassung sagt: "Schaffe, spare, Häusle baue, Kinder kriege, putze und verrecke." So jedenfalls wurde mir als Tübinger Student die schwäbische Lebensart und Lebensweisheit nahe gebracht. Was diese Worte nüchtern, ja sogar mit einem gehörigen Schuss Sarkasmus schildern, spiegelt in Wahrheit die Erfahrung, dass sich Eigeninitiative und selbst bestimmte Lebensgestaltung in kaum etwas anderem so nachdrücklich und nachhaltig zeigen wie in selbst geschaffenem oder erworbenem Wohnraum. Und mehr noch: Eigeninitiative und selbstbestimmte Lebensgestaltung verbinden sich zugleich mit der Verantwortung für andere, nämlich mit der Bereitschaft, einen Lebensraum für Kinder zu schaffen, die aufwachsen, ihren eigenen Bereich finden und sich entfalten können.

Gewiss darf man diese Möglichkeit der Lebensgestaltung nicht überbewerten. Auch Menschen, die in Mietwohnungen leben, führen ein selbstbestimmtes Leben, lassen es in aller Regel nicht an Eigeninitiative nicht fehlen und schaffen Lebensraum für ihre Kinder. Oft liegt es nicht nur am eigenen Verdienst - im doppelten Sinn des Wortes -, wenn Menschen die Chance haben, im "Eigenen" zu wohnen. Die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse, die sich mit verschiedenen Berufsfeldern und Berufsbiografien verbinden, haben auch viel Willkürliches an sich.

Wohneigentumsquote und gesellschaftliche Stabilität

Die Zahl der Menschen wächst, die sich nicht ein eigenes Haus leisten können, obwohl sie sich anstrengen und ihr Bestes geben. In der Frage, wer sich Wohneigentum leisten kann, melden sich elementare Gerechtigkeitsprobleme. Das Bausparen kann diese Probleme lindern; es ist nicht dazu im Stande, diese Probleme aufzulösen.

Es lässt sich auch nicht behaupten, dass eine hohe Wohneigentumsquote in jedem Fall ein Nachweis gesellschaftlicher Stabilität ist; das Beispiel Griechenlands hat uns in den letzten Jahren gezeigt, dass gegenüber einer solchen Behauptung Vorsicht geboten ist. Dennoch enthält das Wort vom "Schaffe, spare, Häusle baue" einen Hinweis auf eine Lebensform, die Eigeninitiative, Selbstbestimmung und Verantwortung für andere miteinander verknüpft.

Die Erinnerung daran, dass im Schwäbischen dem Bausparen sogar literarische Denkmäler gesetzt wurden, soll nicht zu der Vorstellung verführen, dass man nur in Württemberg auf die Idee gekommen sei, dieses löbliche Vorhaben durch besondere Bausparkassen zu fördern. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall nämlich ist ja, genau betrachtet, keineswegs ein schwäbisches Gewächs. Vielmehr wurde das Vorgängerunternehmen "Deutscher Bausparer AG" im Mai 1931, also in den wirtschaftlich kritischen Endjahren der Weimarer Republik, in Köln im Umfeld der Volksbanken und unter dem unmittelbaren Einfluss des rheinischen Genossenschafts- und Handwerkswesens gegründet.

In einer Zeit der Wirtschafts- und Geldentwertungskrise, in der zahlreiche Banken ihre Schalter schließen mussten, erwiesen sich das genossenschaftlich getragene Bausparwesen wie die Genossenschaftsbanken selbst als ein stabiler Faktor, der die Wirtschaftskrise überstand. Sitz der Bausparkasse wurde in den Folgejahren die Dorotheenstraße in Berlin. Angesichts der Kriegsereignisse wurde sie zum 1. Februar 1944 nach Schwäbisch Hall verlegt. Ich habe gestern unter wesentlich komfortableren Bedingungen den Weg zurückgelegt, den die Bausparkasse im Jahr 1944 genommen hat. Sie feiern deshalb in diesem Jahr das siebzigjährige Jubiläum des Standorts in Hohenlohe, dem die Bausparkasse seit der Endphase des Zweiten Weltkriegs die Treue hielt.

Wichtige Säulen des Generationenvertrags

Die Phase des Wiederaufbaus im Westen Deutschlands wurde zugleich zu einer Blütezeit des Bausparens. Die Älteren hier im Saal, zu denen ich mich auch selbst zähle, wissen alle davon zu berichten, wie sich aus den dramatischen Engpässen der Wohnraumbewirtschaftung nach Krieg und Vertreibung schrittweise neue Möglichkeiten eines selbstbestimmten Wohnens entwickelten. Das Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre fand auch in der Schaffung von Eigenheimen Ausdruck, die dem neu gewachsenen Wohlstand Dauer verliehen. Die Finanzierung dieser Eigenheime mit den Mitteln des Bausparens ermöglichte es dem Staat zugleich, sich verstärkt auf die großen Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus zu konzentrieren und damit für eine wohnungswirtschaftliche Balance unter Gesichtspunkten der Gerechtigkeit zu sorgen.

Aber auch von den Fällen könnte ich aus dem Bereich der eigenen Familie berichten, in denen die Eltern zwar Bausparverträge besaßen, aber die angesparten Mittel erst in der Generation der Kinder zur Bildung von Wohneigentum führten. Wo das gelang, entstanden dann auch Möglichkeiten dafür, den Kauf oder die Errichtung von Eigenheimen in einer weiteren Generation zu erleichtern oder zu unterstützen. Mir stehen Beispiele einer solchen Solidarität über die Generationen hinweg vor Augen, die beispielhaft zeigen, was eine Familie ist - nämlich eine Gemeinschaft zwischen den Generationen. Familie ist eben nicht nur dort, wo Kinder noch bei ihren Eltern wohnen, sondern ebenso dort, wo Eltern ihren Kindern dabei helfen, einen eigenen Hausstand zu gründen - und dann auch wieder dort, wo Kinder ihre alt gewordenen Eltern bei sich aufnehmen - wenn sie dafür die Möglichkeit haben oder schaffen können.

Wenn man heute feststellen kann, dass das Bausparen fest etabliert ist, so lässt sich dem mit Nachdruck hinzufügen, dass das Bausparen und die Bildung von Wohneigentum zu den wichtigsten Säulen des Generationenvertrags geworden sind - und zwar nicht nur eines gesellschaftlich verankerten und politisch abgestützten Generationenvertrags, sondern ebenso eines in den Familien praktizierten Generationenvertrags.

Wenn wir vom Wertebezug des Bausparens reden, dann ist also insbesondere die große Bedeutung der Familie hervorzuheben: Der Beitrag, den die ältere Generation dazu leistet, dass die Jüngeren in einem eigenen Haus Heimat finden können, ist dabei genauso hervorzuheben wie die Tatsache, dass nach dem Krieg viele Menschen nach der Phase einer tiefreichenden Entwurzelung durch Umbruch und Vertreibung mit der Chance des Neuanfangs auch eine neue Heimat gefunden haben. In der westdeutschen Gesellschaft, in der Millionen von Heimatvertriebenen neuen Boden unter den Füßen finden mussten, erwiesen sich die Bildung von Wohneigentum und der soziale Wohnungsbau als unentbehrliche, folgenreich wirksame Mittel der Integration.

Ein Zuhause finden

Es reicht eben nicht, die Wohnsituation der Menschen nur funktional unter dem Gesichtspunkt anzusehen, ob sie ein Dach über dem Kopf haben und ihre Grundbedürfnisse des Schlafens, Essens, Lernens und Sicherholens erfüllen können. Es geht vielmehr ebenso darum, dass Menschen ein Zuhause finden, Familien gründen, Gemeinschaft bilden, ihre Identität ausbilden und sich in die Gesellschaft integrieren können. Um dieser Werte willen erweist sich das Bausparen als unentbehrliche Hilfe für die Lebensgeschichte von Einzelnen und Familien und als ebenso unentbehrlicher Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Diese Aufgaben haben sich in den letzten Jahrzehnten auf neue Weise und in beeindruckendem Umfang gestellt. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands zeigte sich ein großer Nachholbedarf der Wohnungsversorgung und -modernisierung im Osten Deutschlands. Die Wohneigentumsquote wurde innerhalb von zwei Jahrzehnten im Osten Deutschlands von 19 auf 35 Prozent gesteigert und damit bereits nah an die gesamtdeutsche Quote von 40 Prozent herangeführt. Das Instrument des Bausparens wurde zugleich in osteuropäische Länder exportiert; unter maßgeblicher Beteiligung der Bausparkasse Schwäbisch Hall wurde das Bausparen im Jahr 2004 auch in China eingeführt. Vietnam und Chile sind andere Beispiele für Möglichkeiten der internationalen Kooperation, von denen man vor wenigen Jahren noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte.

Wohnen als Integrationshilfe

An die nachgeholte Modernisierung im Osten Deutschlands schloss sich die Aufgabe an, die Integration von Zuwanderern zu gestalten. Erneut ist das Wohnen dabei eine Schlüsselaufgabe. Ob eine Gesellschaft integriert oder desintegriert ist, zeigt sich auch an ihrer räumlichen Struktur. Ob sich Parallelgesellschaften bilden, lässt sich am leichtesten daran ablesen, ob Gruppen unterschiedlicher Herkunft sich absondern oder zueinander finden.

In den letzten Jahren beobachten wir neue Formen von Abschottung in urbanen Milieus, die auch durch die Preissteigerungen in bestimmten Stadtteilen und die Verwahrlosung in anderen verursacht werden. Die Gegensätze der Wohnsituation sind nicht nur die Folge, sondern oft auch die Ursache verstärkter sozialer Gegensätze. Diese Beobachtung wird heute in verstärktem Maß auch auf internationaler Ebene gemacht.

Ein neuer Forschungszweig spricht in diesem Zusammenhang vom Problem "räumlicher Gerechtigkeit" (spatial justice) beziehungsweise "räumlicher Ungerechtigkeit" (spatial injustice). Südafrika, ein Land, das mir sehr am Herzen liegt, demonstriert durch die räumlichen Bedingungen, unter denen die Menschen leben, wie man auch nach zwanzig Jahren Demokratie an Lebensbedingungen festhalten kann, die mit einer offenen und integrierten Gesellschaft nicht vereinbar sind: Townships, in denen Menschen auf engstem Raum und unter armseligen Bedingungen leben, auf der einen Seite, und gated communities mit üppigstem Raumangebot für Ehepaare, deren Kinder schon längst aus dem Haus sind, auf der anderen Seite.

Von solchen Folgewirkungen der Apartheid sind wir natürlich weit entfernt. Doch die Aufgabe, die unterschiedlichen Gruppen in unserer Gesellschaft zu integrieren, steht dennoch auch uns in erheblichem Umfang erst noch bevor. Der Wohlstand einer Gesellschaft bemisst sich jedoch nicht nur am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, sondern auch im Verhältnis zwischen Reichtum und Armut sowie an der Frage, ob sich die Gruppen unterschiedlicher Herkunft und Lebenssituation angenommen und integriert sind. Diese Wohlstandsfrage hat ganz entscheidend mit der Wohnsituation zu tun.

Noch in ganz anderer Hinsicht ist die Frage, wie unsere Gesellschaft mit den Aufgaben des Wohnens und Bauens umgeht, eine Schlüsselfrage für verantwortliche Zukunftsgestaltung. Denn zum einen stellt sich die Aufgabe, räumliche Bedingungen für eine alternde Gesellschaft zu schaffen; zum anderen stehen wir vor der Herausforderung, auch in der Gestaltung privater Wohnbedingungen der Pflicht zur Nachhaltigkeit Genüge zu tun.

Unterjüngung als Herausforderung

Der demografische Wandel ist also der eine Gesichtspunkt, der in diesem Zusammenhang hervorzuheben ist. Dafür hat sich der Begriff der "Überalterung" eingebürgert. Ich halte diesen Begriff für töricht und falsch. Nicht eine Überalterung ist unser Problem, sondern eine Unterjüngung. Insofern bleibt es eine vordringliche Aufgabe, Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern zu schaffen. Aber selbst wenn, was ich dringend wünsche, die Geburtenrate in Deutschland wieder steigen sollte, bleibt es auch richtig, dass wir einen doppelten Alterungsprozess unserer Gesellschaft erleben.

Der Anteil der älteren Menschen wächst; und sie werden im Durchschnitt immer älter. Das wirft Probleme auf, die heute nicht im Zentrum unserer Überlegungen stehen - zum Beispiel die Frage nach dem angemessenen Rentenalter. Aber es wirft auch die Frage nach altersgerechten Wohnbedingungen auf.

Altergerechtes Wohnen - eine Zukunftsaufgabe

Die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben zu können; aber sind diese vier Wände so gestaltet, dass Menschen mit altersbedingten Einschränkungen sich in ihnen bewegen und für ihr Leben noch selbst Verantwortung übernehmen können?

Dafür zu sorgen, gehört zu den wichtigen Aufgaben - sowohl im Blick auf den Wunsch der älteren Menschen, so weit wie möglich und so lange wie möglich selbstbestimmt zu leben, als auch im Blick darauf, dass unsere Gesellschaft die Aufgaben der Pflege, die auf sie zukommen, allenfalls dann bewältigen kann, wenn sie diesem Wunsch nach selbstbestimmtem Leben so weit wie möglich nachkommt. Altersgerechte Wohnungen, Altershöfe, Mehrgenerationenhäuser werden zu den großen Aufgaben der Zukunft gehören. Häuser sind nur dann ein Element der Alterssicherung, wenn sie rechtzeitig altersgerecht gestaltet worden sind.

Die Nachhaltigkeit des Bauens ist der andere Aspekt. Die Energiewende, die wir uns vorgenommen haben, muss auch im privaten Wohnungsbau - ebenso wie im Bereich der Mietwohnungen - ankommen. Ein Drittel der Kohlendioxidemissionen, für die wir in Deutschland Verantwortung tragen, stammt aus dem Bereich des privaten Wohnens. Ein Drittel des Beitrags, den wir zu einer klimaverträglichen Lebensform beitragen können, liegt in diesem Bereich. Bisher ist die Debatte über die Energiewende viel zu stark auf den Wechsel der Energieträger, die Speicherung elektrischer Energie und ihren Transport über weite Strecken konzentriert.

Das sind wichtige Themen. Doch ebenso dringlich ist die Aufgabe, eine höhere Energieeffizienz zu erreichen, also die gewünschte Energiedienstleistung mit geringerem Energieeinsatz zu erreichen. Niedrigenergiehäuser sind dafür genauso wichtig wie die Nutzung alternativer Energiequellen. Effizientere Heizsysteme haben dafür eine ebenso große Bedeutung wie bessere Isolierung. Die Verringerung des Ressourcenverbrauchs und die Beschränkung der durch unsere Zivilisation ausgelösten ökologischen Belastungen auf das regenerationsfähige Maß sind große Aufgaben mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Bauen von Häusern und auf deren Modernisierung. Die Effizienzsteigerung wird nach meiner festen Überzeugung der wichtigste Aspekt der vor uns liegenden technologischen Innovationen sein - wie im Verkehr so auch im Bereich der Gebäude.

Wir haben uns angewöhnt, die Wertorientierung unseres Handelns von staatlicher Rahmensetzung und staatlichen Vorgaben zu erwarten. Doch genauso wichtig ist es, dass die Kräfte der Gesellschaft und die Eigeninitiative der Einzelnen sich an Werten ausrichten, die gemeinsames Leben ermöglichen und die Lebensbedingungen künftiger Generationen berücksichtigen. Unser Durchgang durch einige Stationen genossenschaftlichen Bausparens hat uns gezeigt, dass hier eine wichtige Quelle und ein wichtiger Bewährungsraum für grundlegende Wertentscheidungen zu sehen sind.

Geld ist nur Mittel zum Zweck

Zuallererst ist das genossenschaftliche Bausparen ein gutes Beispiel für den verantwortlichen Umgang mit Geld und die sachgemäße Beratung und Unterstützung bei einem solchen sachgemäßen Umgang mit Geld. Geld ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Es soll nicht über den Menschen herrschen, sondern in seinem Dienst stehen.

Das genossenschaftliche Bausparen enthält die Chance in sich, Selbstbestimmung und Solidarität miteinander zu verbinden und damit einer individualistischen Verengung von Selbstbestimmung entgegenzuwirken.

Bauen ist schließlich aufs engste mit Nachhaltigkeit verbunden. Wer nicht nachhaltig baut, schneidet sich ins eigene Fleisch. Für eine nachhaltige Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft ist dieses Feld von zentraler Bedeutung.

Die Einladung, heute zu Ihnen zu sprechen, hat mir selbst vor Augen geführt, an wie vielen Stellen mein eigenes Leben mit der Tätigkeit von Bausparkassen zu tun hat und wie stark das Leben in der Generation meiner Eltern, in meiner eigenen Generation und in der Generation unserer Kinder mit dem Wirken von Bausparkassen verflochten ist.

Verdeutlichen wollte ich Ihnen auch, wie stark die Geschichte der Bausparkassen und insbesondere der Bausparkasse Schwäbisch Hall mit den politischen und gesellschaftlichen Wandlungen in der Geschichte der letzten neun Jahrzehnte verflochten ist; ganz besonders gilt das für die siebzig Jahre, in denen die Bausparkasse Schwäbisch Hall nun hier in der Kocherstadt zu Hause ist. Selbstbestimmung und Solidarität verbinden sich im genossenschaftlichen Bausparen miteinander. Mein Wunsch und mein Rat sind: Halten Sie an dieser Verbindung auch in Zukunft fest.

16 Jahre Bausparen in Schwäbisch Hall

Wer sechzehn Jahre seines beruflichen Wirkens dem Bausparen in Schwäbisch Hall gewidmet hat und die Hälfte dieser Zeit als Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand tätig war, hat an einer Stelle gewirkt, an der es sich nahe legt, nach ethischen Leitlinien wirtschaftlichen Handelns zu fragen und die Zukunftsbedeutung gegenwärtigen Tuns immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.

Nachdenklichkeit und Tatkraft miteinander zu verbinden, im Streben nach Eigenständigkeit die Solidarität nicht zu vergessen, beim Ausschöpfen der gegenwärtig gegebenen Möglichkeiten die Zukunft unserer Nachkommen im Blick zu behalten: so ist mir Herr Dr. Metz persönlich begegnet. Deshalb habe ich die Aufgabe gern übernommen, ihm zu Ehren diese Festrede zu halten. Ihm und allen, die mit dem genossenschaftlichen Bausparen verbunden sind, gelten meine herzlichen Segenswünsche.

Dieser Beitrag beruht auf der Festrede von Wolfgang Huber bei der Ordentlichen Hauptversammlung der Bausparkasse Schwäbisch Hall am 30. April 2014. Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion eingefügt.

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