Leitartikel

Unter Wert

Wer sein Geld in Immobilien investiert, legt es sicher an, lautet eine alte Weisheit. Doch wer Immobilienaktien kaufte, dem ist heute zum Heulen. Binnen Jahresfrist rauschten fast alle Papiere, die das Bankhaus Ellwanger & Geiger aus Stuttgart in seinem Deutschen Immobilienaktienindex (Dimax) zusammenfasst, in den Keller. Gerechnet auf alle Dimax-Werte kumuliert sich die Kapitalvernichtung auf fast vier Milliarden Euro. Summierte sich vor zwölf Monaten die Marktkapitalisierung der erfassten Unternehmen auf rund 20 Milliarden Euro, so sind es derzeit nur noch 16 Milliarden Euro. Dabei berücksichtigt der Index heute mit 75 Unternehmen neun Werte mehr als vor einem Jahr.

Man mag bemängeln, dass der Dimax aufgrund seiner sehr heterogenen Zusammensetzung kaum für Vergleiche taugt. Doch selbst ein Blick auf die Marktkapitalisierung einiger der bekanntesten Vertreter der Assetklasse zwischen dem 3. April 2007 und dem 3. April 2008 offenbart Erschreckendes: Patrizia Immobilien minus 75 Prozent auf 197 Millionen Euro, Colonia Real Estate minus 53 Prozent auf 312 Millionen Euro, Vivacon minus 53 Prozent auf 265 Millionen Euro, IVG Immobilien minus 50 Prozent auf 2 081 Millionen Euro, Deutsche Wohnen minus 43 Prozent auf 506 Millionen Euro und Gagfah minus 42 Prozent auf 2 594 Millionen Euro. Dagegen nimmt sich die Deutsche Euroshop mit einem Rückgang um nur sieben Prozent auf 939 Millionen Euro als geradezu wertbeständig aus.

Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass im Frühjahr 2007 die Stimmung in der Immobilienwirtschaft allgemein und bei den börsennotierten Gesellschaften im Besonderen noch eine ganz andere war. Denn der durch ausufernde Liquidität und extrem niedrige Zinsen getriebene Betongold-Rausch institutioneller Investoren brachte die Immobilienaktiengesellschaften seinerzeit in eine äußerst knifflige Situation, die sie weder verantworteten noch beeinflussen konnten. Wegen der explodierenden Preise fanden sie als langfristige Investoren kaum noch bezahlbare Objekte, während gleichzeitig ihr bestehendes Portfolio dadurch enorm aufgewertet wurde. Das wiederum beflügelte die Nachfrage nach Immobilienaktien - zumal diejenigen, die beim Kampfbieten um die Direktinvestitionen nicht mithalten konnten oder wollten, sich auf indirekte Anlageformen also auch Immobilienaktiengesellschaften - stürzten. Hinzu kam, dass das anstehende REIT-Gesetz neue Perspektiven versprach, die einige Immobilienunternehmen zu nutzen wussten, um mittels Börsengang ordentlich Kasse zu machen.

Doch genau dieser Platzierungselan erklärt wiederum einen Teil der momentanen Kursverluste. Denn gekauft haben die Aktien weder deutsche Kleinanleger, deren Börsenengagement ohnehin minimal ist, noch hiesige Pensionskassen und Versicherungen, die sich mit Immobilien-Spezialfonds seit jeher wohler und steuerlich besser behandelt fühlen. Heiß auf die alten und neuen Immobilienaktien war vor allem institutionelles Kapital aus den USA. Doch während die "Generalisten" unter den investierten Aktienfonds, bei denen Immobilienwerte nur eine von vielen Anlagen sind, mit dem Anrollen des Subprime-Tsunamis in Panik vieles abstießen, was auch nur nach Immobilie roch, mussten die "Spezialisten", die sich ausschließlich auf Immobilienaktien und REITs konzentrieren und daher als sachkundiger gelten, aufgrund massiver Mittelabflüsse ihre Anlageobjekte noch strenger selektieren. Dass dabei die deutschen Papiere nicht erste Wahl sind, kann gerechtfertigt werden.

Nach Epra-Angaben haben Immobilien und Grundbesitz in Deutschland einen Wert von umgerechnet 1 258 Milliarden US-Dollar (zum Vergleich: das Bruttosozialprodukt beträgt 2 796 Milliarden US-Dollar), zudem ist der deutsche gewerbliche Immobilienmarkt der größte Europas und kaum sonst auf dem Kontinent haben Mieterhaushalte einen so hohen Anteil wie hierzulande - und doch: Lediglich 1,19 Prozent der Immobilienwerte sind an der Börse gelistet. Der europäische Schnitt liegt bei 4,24 Prozent, wobei Österreich (12,55 Prozent), Schweden (10,33 Prozent), Frankreich (7,52 Prozent), Polen (7,15 Prozent) und Großbritannien (6,69 Prozent) die höchste Kapitalmarktzuneigung aufweisen. Entsprechend geht kaum eine Handvoll deutscher Immobilienunternehmen in die Indizes der Epra ein, wodurch hiesige Immobilienaktien international deutlich weniger wahrgenommen werden.

Entgegen allen Hoffnungen hat daran auch das REIT-Gesetz nichts geändert. Dass jetzt gejammert wird, dies liege nur daran, weil Wohnungen von der neuen Anlageform ausgenommen wurden, ist wenig glaubhaft. Denn diese Nutzungsart hätte höchstens ein Drittel des möglichen REIT-Volumens ausgemacht. Auch das Argument, das Gesetz kam ein halbes Jahr zu spät, verfängt nicht, haben doch die beiden erfolgreichen Umwandlungen bewiesen, dass es ein ausreichend großes Zeitfenster gab - zumal die wesentlichen Eckpunkte und Anforderungen lange bekannt waren. Doch statt zu handeln, erging sich die Mehrzahl der REIT-Aspiranten in Diskussionen über Lücken und Tücken des Gesetzes. Inzwischen sind eine Handvoll Gesellschaften bereit, als REIT durchzustarten, doch bremst derzeit die Börse, weil fast alle Immobilienaktien mit einem satten Abschlag zum Nettovermögenswert abgestraft werden.

Dabei rächt sich, dass die Liegenschaftswerte in der Vergangenheit zuweilen sehr begeistert hoch geschrieben wurden, weil sich damit eine so wunderbare Renditekurve bauen und die vermeintliche Managementleistung feiern ließ. Etwas mehr Vorsicht bei der Bewertung wäre angemessen gewesen. Hinzu kommt, dass nach Portfolio- und Finanzoptimierungen in den meisten Immobilienaktien kaum noch Fantasie steckt. Diese anzuregen vermögen aktuell aber nur Übernahmegerüchte. Denn es ist davon auszugehen, dass an einer Konsolidierung kein Weg vorbei führt, wenn die Unternehmen jene Größe und Aktienliquidität erreichen wollen, bei der internationale Investoren sie überhaupt wieder wahrnehmen. Insofern möchten es Optimisten gerne als positives Zeichen werten, dass die Immobilienaktien seit Jahresanfang weniger stark nachgaben als der Dax. Es dürfte aber noch mindestens zwei Quartale dauern, bis sich das Börsenumfeld soweit gebessert hat, dass neue REITs wieder Stoff für eine spannende Story liefern. Solange gilt: Wer deutsche Immobilien kaufen will, kann dies günstig tun, indem er Immobilienaktien ordert. L. H.

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