Im Blickfeld

TAG: im Osten angekommen

Manche Unternehmen vollziehen eine bemerkenswerte Transformation. So gelang der 1882 gegründeten Eisenbahn Aktiengesellschaft Schaftlach-Gmund-Tegernsee der Wandel vom Transporteur aus der bayerischen Provinz zu einem dynamisch wachsenden Immobilienunternehmen mit Beständen in zahlreichen westdeutschen Ballungszentren. Dass die heute als TAG Immobilien AG firmierende Gesellschaft ihren Sitz nicht mehr in München hat, sondern in Hamburg beheimatet ist, spricht zweifellos für ein hohes Maß an kultureller "Flexibilität" und sicherlich auch für eine an den Opportunitäten ausgerichtete Standortwahl. Diese legte das Management auch bei den jüngsten Akquisitionen an den Tag.

Nachdem im März dieses Jahres von der Bayerischen Landesbank die DKB Immobilien mit einem Bestand von 25 000 Wohnungen in Ostdeutschland gekauft wurde, gelang der TAG Immobilien jetzt ein weiterer großer Coup, indem sie vom Bund die TLG Wohnen mit 11 350 Wohneinheiten übernahm. Wenn der TAG-Chef Rolf Elgeti diese Transaktion als "sehr attraktiv" und "strategisch exzellent" lobt, dann mag er auf den ersten Blick recht haben.

Denn während die TLG Wohnen ihren eigenen Wert auf rund 550 Millionen Euro schätzt, also das 12,9-Fache der Jahres-Ist-Miete von 42,4 Millionen Euro, so zahlt die TAG für das Unternehmen lediglich 471 Millionen Euro, also lediglich einen Multiplikator von 11,1. Dies darf auch im Vergleich mit anderen Transaktionen durchaus als günstig gelten. Zumal die TLG Wohnen mit Verbindlichkeiten in Höhe von 256 Millionen Euro gemessen am jetzigen Kaufpreis lediglich eine Schuldenquote von 54 Prozent aufweist. Auch ein Leerstand in Höhe von 4,7 Prozent muss in ostdeutschen Wohnungsmärkten faktisch als Vollvermietung angesehen werden. Zum Vergleich: Bei der im Wesentlichen an den gleichen Standorten vertretenen DKB Immobilien lag der Leerstand bei Übernahme durch die TAG bei über zehn Prozent.

Der TAG mögen beim Erwerb der TLG Wohnen zwei günstige Umstände in die Hände gespielt haben. Erstens verhandelte das Unternehmen am Ende exklusiv, nachdem alle anderen Interessenten bereits aus dem Verfahren ausgestiegen waren. Damit drohte - zweitens - ein erneutes Scheitern der Privatisierung, die bereits 2008 nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise abgebrochen werden musste. Da der Bund dies unbedingt vermeiden wollte, war sein Verhandlungsspielraum eingeschränkt. Günstig dürfte der TLG-Wohnen-Erwerb für die TAG auch deshalb sein, weil sich die Bestände im Wesentlichen an den gleichen Standorten wie die zuvor übernommenen DKB-Liegenschaften befinden.

Dies eröffnet die Möglichkeit, Synergien in der Gebäudebewirtschaftung und Mieterbetreuung realisieren zu können.

Allerdings kaufte sich die TAG mit DKB Immobilien und TLG Wohnen zugleich erhebliche Klumpenrisiken ein. Denn aus dem ehemals relativ gleichmäßig gestreuten Portfolio ist jetzt eines mit deutlichem ostdeutschen Schwerpunkt geworden. Von den insgesamt mehr als 69 000 Wohnungen liegen nunmehr 36 000 Einheiten respektive etwa 53 Prozent in den neuen Bundesländern und Berlin. Dies ist allein schon geografisch eine deutliche Übergewichtung. Noch deutlicher wird die Diskrepanz, wenn die wirtschaftliche Prosperität der Regionen und deren demografische Perspektiven verglichen werden. Faktisch ist die TAG jetzt ein ostdeutsches Wohnungsunternehmen mit Sprenkeln in westdeutschen Ballungszentren. Dies muss per se kein Nachteil sein. Doch sollte den Investoren gut erklärt und begründet werden, wohin sich das Unternehmen entwickeln will. L.H.

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