Leitartikel

Substanzwert zum Wohlfühlen?

Wertbeständig, inflationssicher, solide - die Deutschen haben ein geradezu liebevolles Verhältnis zu Wohnimmobilien. Dabei steht natürlich das Eigenheim an erster Stelle, gibt das Bewusstsein der eigenen Scholle doch Geborgenheit, Schutz und Wärme. Und warben nicht die öffentlich-rechtlichen Bausparkassen mit dem mahnenden Hinweis: "Ein Haus zu bauen, liegt in der Natur des Menschen"? So ist es schon bemerkenswert, dass die längst gegenwärtige Rezession mit ihren hässlichen Begleiterscheinungen wie Wertvernichtungen an den Börsen, Anstieg der Arbeitslosigkeit und explodierende Staatsverschuldung zwar den Konsum einbrechen lässt, aber die Transaktionszahlen und Preise von Eigenheimen kaum nachgeben. Während in den konjunkturellen Hochzeiten selbst konservative Gymnasiallehrer sich auch ein paar spekulative Zertifikate ins Depot legen, offenbaren sich in der Krise wieder die angestammten Tugenden. Mögen die Zukunftsaussichten auch trübe sein, an drei Dingen spart der Deutsche derzeit nicht: an der Wohnung, am Auto (auch wenn der Neuwagenkauf eines staatlichen Anstoßes bedurfte) und an der Haushaltshygiene - wenn man den vermeldeten Umsatzzahlen der jeweiligen Branchen glauben darf.

Doch es sind nicht nur die Eigennutzer, die derzeit noch schnell ihre Spargroschen in die inflationssichere Altersvorsorge "Wohneigentum" investieren. Vor allem Kapitalanleger entdecken Wohnungen als lohnenden Substanzwert wieder. Dabei galt diese Assetklasse noch vor wenigen Jahren unter deutschen Anlegern als langweilig, verwaltungsintensiv und staatlich durchreguliert. Langweilig steht heute für "greifbar", "wenig volatil" und "wertbeständig". Verwaltungsintensiv würde momentan "gut diversifiziert" und "mit Managementpotenzialen" genannt. Und angesichts milliardenschwerer Hilfen für Banken schreckt auch eine maßvolle öffentliche Aufsicht über ganze Wirtschaftssektoren kaum noch einen Investor.

"Wiederentdeckt" haben die Assetklasse seit der Jahrtausendwende vor allem ausländische Investoren. Sie wirbelten mit großvolumigen Transaktionen im Markt gründlich Staub auf und manifestierten den Anspruch, dass auch mit Wohnungen Geld zu verdienen sei. Einige haben tatsächlich gut verdient und besitzen heute immer noch Bestände, die ihnen respektable Renditen bringen. Für andere haben sich die Erwartungen nicht erfüllt, weil sie weder den Markt noch die Mentalität dieses Landes verstehen. Wenn die hiesige Wohneigentumsquote nur 43 Prozent beträgt - nach der Schweiz die niedrigste in Europa -, dann sind die Belange der übrigen 57 Prozent, die zur Miete wohnen, stets ein Politikum. Schon aufgrund der faktischen Stimmgewalt dieser Wähler muss ein lebhaftes Durchhandeln von Wohnungsbeständen und das aggressive Ausnutzen von Mieterhöhungsspielräumen Schutzreaktionen der Legislative auslösen - wie dies auch hier und da zu sehen war. Folglich sind auch Wohnungs-REITs hierzulande (noch?) nicht mehrheitsfähig.

Dass sich mit deutschen Wohnimmobilien nicht so leicht Gewinne erwirtschaften lassen, wissen hiesige Bestandshalter. Nicht immer sind die mäßigen Renditen von öffentlichen Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften ein Indikator für behäbiges Verwalterwesen. Private Vermieter können es selten besser. Folgt man einer aktuellen Studie von Bulwien-Gesa im Auftrag der bayerischen Wohnungsgesellschaft

GBWAG, dann schaffen es die meisten nicht-professionellen, privaten Vermieter noch nicht einmal, eine Rendite über der Inflationsrate zu erzielen. Damit erschüttert die Untersuchung das ökonomische Glaubensfundament deutscher Wohnungsbesitzer: Wohnungen bieten eben doch keinen generellen Inflationsschutz. Entscheidend ist wie bei jedem Immobilieninvestment, wo, was, wann, zu welchem Preis gekauft wird. Dabei sind es nicht unbedingt die Metropolen, in denen die Gesamtrendite der Wohnungen - bestehend aus Wertsteigerung und Mietrendite - die Inflation übersteigt. Ausschlaggebend ist das aktive Management der Wohnungsbestände, welches größere Bestandshalter besser vermögen als private Hobbyvermieter.

Diese ernüchternden Ergebnisse halten Kapitalanleger dennoch nicht von Direktinvestitionen ab. In einigen Regionen soll die verstärkte Wohnungssuche der Investoren sogar schon zu Verknappungen geführt haben. Denn die Inflation fürchten nicht nur die Anlagewilligen, sondern auch die Besitzer von Eigentumswohnungen und Mietshäusern warten noch ab. Trotz der mancherorts hohen Nachfrage leiden Eigentumswohnungen insgesamt unter einem deutlichen Preisverfall. So sackten die von Hypoport berechneten Hauspreisindizes für Eigentumswohnungen auf ihre niedrigsten Werte seit Beginn der Analyse im August 2005. (HPX Mean Apartment: 83; HPX Hedonic Apartment: 96,24). Bei Eigenheimen sieht es im Übrigen genauso dramatisch aus. Während neugebaute Einfamilienhäuser in den 15 erfassten Ballungsräumen ihr hohes Preisniveau gehalten haben - Indexwert des HPX Hedonic Newhome von 104,38 -, gaben die Kaufpreise für Bestandsobjekte deutlich nach. Mit 88,37 erreichte der HPX Hedonic Existinghome einen historischen Tiefpunkt.

Indem Kapitalanleger jetzt dennoch kaufen, beweisen sie antizyklisches Gespür. Denn in Deutschland werden kaum noch neue Wohnungen gebaut. Im Jahr 2008 registrierte das Statistische Bundesamt nur 174 600 Baugenehmigungen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen neuerlichen Rückgang um 4,2 Prozent. 2009 könnte noch weniger neu gebaut werden. Denn im Januar zählten die Statistiker nur noch knapp 10 900 Baugenehmigungen für Wohnungen. Das sind erneut 15 Prozent weniger Wohneinheiten als im ersten Monat des Vorjahres. Wird die Tatsache berücksichtigt, dass durch Wohnungsabgänge, Wanderungsbewegungen, veränderte Wohnformen sowie Zunahme der Wohnfläche pro Person jedes Jahr etwa 300 000 Wohnungen neu errichtet werden müssten, um das Angebot stabil zu halten, dann wird sehr schnell deutlich, dass Wohnen in den kommenden Jahren tendenziell teurer wird. Ob Wohnimmobilien dann ein wirksamer Inflationsschutz sein werden, hängt erstens davon ab, wann die milliardenschweren Konjunkturprogramme zu wirken beginnen, zweitens wie hoch der Anreiz für die Staaten ist, sich durch Inflation zu entschulden, und drittens wie stark sich die Verknappung von Wohnraum in den Miet- und Kaufpreisen niederschlagen kann. Auch wenn Wohnimmobilien in der Vergangenheit nicht immer einen sicheren Inflationsschutz geboten haben, in Zukunft dürften sie diese Funktion besser wahrnehmen. L. H.

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