Kapitalanlage

Strukturprobleme der Hypothekenanleihen?

Der Beitrag "Hypothekenanleihen für risikobereite Anleger" (Ausgabe 04-2008, S. 21-25) befasste sich bereits eingehend mit der Struktur der WGF (Westfälische Grundbesitz und Finanzverwaltung AG) in Düsseldorf und deren Produkt, die Hypothekenanleihen. Nunmehr soll den potenziellen Strukturproblemen nachgegangen werden. In Ermangelung von empirischen Daten handelt es sich um Plausibilitätsüberlegungen, das heißt, dass ausgehend von theoretischen Annahmen Modelle gebildet werden, um die potenziellen Strukturprobleme aufzuzeigen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um reale Sachverhalte, sondern vereinfachte, aber denkbare Probleme handelt. Aus Gründen der Vereinfachung werden gerundete Werte genannt.

Annahmen Es wird von den folgenden Annahmen der Plausibilitätsüberlegungen ausgegangen:

- Die WGF ist weder Bauherr noch Bauträger, die in eigener Regie (Miet-)Wohnungen errichtet, vielmehr kauft sie Gebrauchtwohnungen, die in das Eigentum der WGF übergehen. Die Kapitalanleger zeichnen Inhaberschuldverschreibungen der WGF, die während der fünfjährigen Laufzeit einen Festzins von 6,35 Prozent per annum garantieren; diese Inhaberschuldverschreibungen werden im Freiverkehr an der Börse in Düsseldorf gehandelt. Der Anleihezeichner tritt als Kreditgeber (Hypothekar) für die von der WGF erworbenen Wohnungen auf, es erfolgt eine erstrangige dingliche Absicherung mit bis zu 90 Prozent des ermittelten Verkehrswertes.

- Die erste Emission über 20 Millionen Euro läuft vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2009, die zweite Emission über 30 Millionen Euro vom 15. November 2006 bis zum 14. November 2011. Die dritte Emission über 50 Millionen Euro, die gleichfalls mit 6,35 Prozent Zinsen ausgestattet ist, läuft vom 15. Mai 2008 bis zum 14. März 2013. Das bedeutet, dass am 30. Juni 2009 beziehungsweise am 14. November 2011 eine 100-prozentige Rückzahlung der Inhaberschuldverschreibungen von 20 beziehungsweise 30 Millionen Euro erfolgen wird. Die folgenden Plausibilitätsüberlegungen beziehen sich in erster Linie auf die erste Emission, die am 30. Juni 2009 zurückzuzahlen ist.

- Weitere Annahmen sind, dass Gebrauchtwohnungen - zum Teil gemischt mit Gewerbeeinheiten - mit einer durchschnittlichen Wohnfläche zwischen 70 und 80 Quadratmetern erworben werden. Der Erwerbspreis (einschließlich Erwerbskosten) liegt im Durchschnitt bei 110 000 Euro, das heißt etwa zwischen 1 400 und 1 500 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Bei 90-prozentiger erstrangiger Beleihung beträgt der Kredit des Anleihezeichners (abgerundet) 100 000 Euro. Auf der Basis dieser Annahmen sollen die folgenden Plausibilitätsüberlegungen angestellt werden.

Da die WGF nicht selbst Bauherr ist, kann sie auch nicht den Zeitpunkt bestimmen, wann die zu beleihenden Wohnungen zur Verfügung stehen, zumal es sich um kleinere Einheiten an verschiedenen Standorten handelt, die erworben werden sollen. Wenn aber eine Emission aufgelegt wird, dann ist zu erwarten, dass kurzfristig Anleihegelder der WGF zufließen, insbesondere wenn das Produkt Hypothekenanleihen bereits eingeführt ist. Das hat zur Folge, dass die WGF an die Anleihezeichner 6,35 Prozent Zinsen zu zahlen hat, obgleich die Mieteinnahmen aus den zu erwerbenden Objekten erst später fließen. Nur wenn die Mieteinnahmen (ohne die umlagefähigen Nebenkosten) wesentlich höher als 6,35 Prozent sind, können die Anlaufverluste ausgeglichen werden, zumal die WGF weder ein Agio noch eine laufende Gebühr erhebt.

Der Wohnungsankauf und dessen Beleihung

Die Hypothekenanleihen werden erstrangig abgesichert. Da Gebrauchtwohnungen beliehen werden sollen, hat es in der Regel hypothekarische Vorbelastungen gegeben. Eine "normale" Wohnungsbauhypothek wird zwischen 28 und 33 Jahren abgetilgt; dann erfolgt eine Löschung und das Grundbuch ist "sauber", es kann erneut für eine erstrangige dingliche Absicherung herangezogen werden. Wenn aber die Gebrauchtwohnungen 30 Jahre oder älter sind, dann ist nicht auszuschließen, dass ein Investitionsstau vorliegt. Dieser müsste sich auf den Erwerbspreis auswirken und bei der Ermittlung des Verkehrswertes berücksichtigt werden.

Handelt es sich hingegen um Wohnungen, die etwa vor 15 oder 20 Jahren gebaut wurden, dann dürften sie einen besseren technischen Zustand aufweisen, aber auf diesen Wohnungseinheiten ruhen noch Resthypotheken. Um dem Anleihezeichner eine erstrangige dingliche Absicherung zu gewähren, müsste entweder der Verkäufer (Vorbesitzer) oder die WGF die Resthypotheken ablösen. Dieses beeinflusst den Verkaufspreis; die WGF müsste gegenüber dem Anleihezeichner eine Vorfinanzierung aus Eigen- oder Fremdmitteln vornehmen. Die Annahme, dass der Ersthypothekar einem Rangrücktritt um 100 000 Euro zustimmt, ist unrealistisch.

Die Kapitalanleger können ihr Geld in der Stückelung von 500 Euro (erste Emission) oder 1 000 Euro (zweite Emission) zeichnen. Bei der erstrangigen Beleihung eines Objektes von angenommen 100 000 Euro sind drei Modelle denkbar:

- Erstes Extremmodell: Aus Gründen der Vereinfachung nehmen wir an, dass die Kapitalanleger nicht 500, sondern 1 000 Euro zeichnen. Um den Beleihungsbetrag von 100 000 Euro zu erreichen, müssten 100 Anleger zusammengefasst und alle erstrangig in das Grundbuch eingetragen werden - das würde jedes Grundbuch sprengen. Dieses Modell ist nicht realistisch. Da es aber "Kleinzeichner" geben dürfte, sind diese bei der Beleihung mit dem "Mittel- und Großzeichner" zu kombinieren.

- Zweites Extremmodell: Es wird angenommen, dass ein Kapitalanleger 100 000 Euro zeichnet. Dieser Fall bereitet keine grundbuchtechnischen Schwierigkeiten, weil es sich lediglich um Hypothekengeber handelt.

- "Mittelwert"-Modell: Es erscheint wenig realistisch, dass 100 Kleinanleger zu einer größeren Summe zusammengefasst werden, es dürfte auch die Ausnahme sein, dass ein einzelner Sparer 100 000 Euro zeichnet. Dagegen ist es wahrscheinlich, dass Sparer durchschnittlich 15 000 bis 20 000 Euro zeichnen. Aus Gründen der Vereinfachung soll von einem durchschnittlichen Betrag von 20 000 Euro ausgegangen werden. Dann handelt es sich um fünf gleichrangig einzutragende Hypotheken. Wenn der Durchschnittswert niedriger liegen sollte, dann können einige Kleinanleger "beigemischt" werden.

Es ist nicht auszuschließen, dass sowohl der Ankauf der Gebrauchtimmobilien als auch deren Finanzierung - Platzierung der Inhaberschuldverschreibungen - Probleme bereitet, das gilt insbesondere für die zeitliche Koordinierung und die mengenmäßige Dimensionierung.

Die Rückzahlung der Inhaberschuldverschreibungen

Die Inhaberschuldverschreibungen haben eine Laufzeit von fünf Jahren, das heißt, dass die erste Emission am 1. Juli 2009 und die zweite Emission am 15. November 2011 mit 100 Prozent zur Rückzahlung durch die WGF anstehen. Auch hier kann es strukturelle Probleme geben. Aufgrund der Aussagen in den Prospekten der WGF gibt es nur die Rückzahlung des gezeichneten Betrages, alternative Lösungen - zum Beispiel Wiederanlage im gleichen oder in einem anderen Objekt - sind demnach ausgeschlossen. Das bedeutet, dass die WGF am 1. Juli 2009 über 20 Millionen Euro liquide Mittel verfügen muss, um die Kapitalanleger zu 100 Prozent zu bedienen. Die WGF hat mehrere Möglichkeiten, sich diese Mittel zu beschaffen:

Die erste und "normale" Möglichkeit besteht darin, dass die WGF die in ihrem Eigentum befindlichen Immobilien zeitpunktgenau und finanziell punktgleich veräußert, sodass nach Abzug der Verwaltungskosten mindestens 20 Millionen Euro erlöst werden, um den Anlegern (Hypothekaren) den Zeichnungsbetrag zu erstatten.

Es erscheint wenig realistisch, dass punktgenau zum 30. Juni 2009 die mit der ersten Emission erworbenen Immobilien veräußert werden können, zumal es sich um einen Streubesitz handelt. Selbst wenn - wider Erwarten - dieses gelingen sollte, ist es fraglich, ob beim Verkauf die Ankaufswerte erzielt werden, da wir eine sehr heterogene Wohnungsmarktlage und -preisbildung haben.

Außerdem kommt es auch darauf an, ob im Zeitraum von fünf Jahren notwendige Instandhaltungen oder Modernisierungen durchgeführt wurden oder ob eine Desinvestition erfolgte. Daher kann es neben positiven auch negative Verkaufserlöse geben; Überschüsse vereinnahmt die WGF, Unterdeckungen muss sie aus eigenen Mitteln ausgleichen.

Wenn diese punktgenaue Veräußerung des Immobilienbestandes nicht erfolgreich abgewickelt werden kann, dann müsste die WGF nach Ersatzlösungen suchen, um am 1. Juli 2009 die Anleger zu befriedigen. Die WGF könnte - zumindest theoretisch - die abzulösenden Inhaberschuldverschreibungen durch Eigenmittel ersetzen. Dieses erscheint aber nicht realistisch, sie müsste am 1. Juli 2009 20 Millionen Euro und am 15. November 2011 weitere 30 Millionen Euro bereitstellen. Ein solches Eigenkapital kann nicht beschafft werden.

Eine weitere Lösung könnte darin bestehen, dass die Finanzmittel der Anleger durch Kapitalmarktmittel (Fremdmittel) ersetzt werden (es käme auch eine begrenzte Mischung mit Eigenmitteln infrage). Da die WGF den Anlegern 6,35 Prozent Festzins zahlt, zurzeit zehnjährige Hypotheken für etwa 4,5 Prozent Zinsen (plus Tilgung) zu erhalten sind, könnte in dieser Form der Umfinanzierung sogar ein Zinsvorteil liegen. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass Banken aufgrund der Beleihungsgrundsätze bereit sind, bis zu 90 Prozent des Verkehrswertes Hypotheken zu gewähren.

Schließlich könnte die WGF die Anleger ermuntern, auf die am 1. Juli 2009 anstehende Rückzahlung ganz oder teilweise zu verzichten und ihre Kapitalien auf den finanzierten Immobilien zu belassen. Hier bestehen durchaus Chancen, weil der Festzins von 6,35 Prozent attraktiv ist. In dem Umfang, in dem tatsächlich eine Rückzahlung an die Anleger erfolgt, müssten entweder Eigenkapital oder Kapitalmarktmittel eingesetzt werden. Auch könnte man Mittel aus einer neuen Emission heranziehen, um die Finanzierungslücken zu schließen.

Grenzen der Plausibilitätsüberlegungen

Es wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Analyse von empirischen Daten handelt, sondern um theoretische Überlegungen unter bestimmten Annahmen. Sowohl die Annahmen als auch die daraus entwickelten Ableitungen dürften aber realitätsnah sein. In einigen Jahren, wenn Fakten und Daten vorliegen, wird man überprüfen können, ob die Plausibilitätsüberlegungen realistisch waren.

Unter diesen Bedingungen kann man davon ausgehen, dass die WGF keine Probleme hat, über den attraktiven Zins von 6,35 Prozent Inhaberschuldverschreibungen abzusetzen. Auch dürfte es kaum Schwierigkeiten bereiten, erworbene Immobilien erstrangig mit bis zu 90 Prozent des Verkehrswertes zu beleihen. Ob dieser hohe Beleihungswert werthaltig ist, steht auf einem anderen Blatt. Probleme dürften dann auftreten, wenn Kleinsparer "zusammengestückelt" werden müssen, um den Beleihungssatz zu erreichen. Hier könnten auch Probleme mit den Grundbuchämtern entstehen. Bei den Plausibilitätsüberlegungen dürften die größten Schwierigkeiten dann auftreten, wenn nach fünf Jahren Laufzeit die Anleger ihre Einlage zu 100 Prozent zurückerhalten sollen. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die WGF einschlagen wird.

Die Hypothekenanleihen bleiben ein interessantes und zugleich kein problemfreies Finanzierungsinstrument. Dem Vorteil des Festzinzes stehen Probleme gegenüber; dieser Festzins enthält somit eine Risikoprämie. Auch für rechtliche oder wirtschaftliche Innovationen gilt, dass sie sich in der Praxis bewähren müssen. Diesen Test müssen die Hypothekenanleihen noch bestehen.

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