Schwerpunkt Genossenschaften

Die Spareinrichtung - Mehrwert für Wohnungsgenossen

Das Genossenschaftsmodell in Deutschland hat eine lange Tradition. Die Anfänge reichen hier bis in das ausgehende 19. Jahrhundert zurück. Im ursprünglichen Ansatz war das auf das Wohnen bezogene Modell einer Genossenschaft von dem Grundgedanken geleitet, das für den Bau notwendige Kapital durch alle Genossenschaftler durch Ansparen zu thesaurieren. Ziel der Wohnungsgenossen und Sparer war damals die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für Genossenschaftsmitglieder.

Im Laufe der Jahre entstanden so deutschlandweit zahlreiche weitere Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung. Übrigens, eine der ältesten - der Spar- und Bauverein Hannover gegründet 1885 ist noch heute sehr erfolgreich am Markt tätig. Nach 1945 wurden in der damaligen DDR die Spareinrichtungen bei Wohnungsgenossenschaften nicht wieder zugelassen. Die Hereinnahme von Spareinlagen blieb den reinen, vielfach staatlich reglementierten und kontrollierten Kreditinstituten vorbehalten. Einzige Ausnahme bildeten die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG), die für die ländliche Bevölkerung die Konten für den Spar-, Zahlungs- und Verrechnungsverkehr führen durften. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eröffnete sich, insbesondere für die Genossenschaften in den neuen Ländern, welche bereits vor der Teilung Deutschlands über eine Spareinrichtung verfügten, rein rechtlich die Möglichkeit der Wiederbelebung. Die anstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen lenkten den Fokus der Verantwortlichen jedoch zunächst auf die weit dringenderen Probleme der erforderlichen Sanierung der Bestände und ab Mitte der neunziger Jahre auf die Thematik des zunehmenden Leerstandes von Wohnungen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Neugründung nach der Wiedervereinigung

Dennoch wagte bereits im Jahre 1997 die GWG Weimar die erste Neugründung in den neuen Ländern. Seither sind hier insgesamt neun neue Spareinrichtungen gegründet worden. Als achtes wohnungsgenossenschaftliches Wohnungsunternehmen der neuen Länder eröffnete am 2. März 2009 die MWG-Wohnungsgenossenschaft eG Magdeburg ihre Spareinrichtung.

Das Ziel der Neugründung einer genossenschaftlichen Spareinrichtung hat sich seit den Anfängen im ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Moderne verändert. Während die ersten Spareinrichtungen über Kapitalansammlung die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum verfolgten, hat sich die Zielstellung vor allem in den östlichen Bundesländern, in Zeiten eines vielfach bestehenden Überangebotes an Wohnraum, insbesondere in Richtung Bestandsaufwertung und Kreditsubstituierung, gewandelt. Je nach Marktlage wird jede Wohnungsgenossenschaft mit Spareinrichtung eigene strategische Ziele verfolgen.

Natürlich ist auch die MWG-Wohnungsgenossenschaft eG gemäß Genossenschaftsgesetz und Satzungsauftrag der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet, und diesem Ziel dient auch der Betrieb der Spareinrichtung, nur hat sich das Wegenetz zur Erreichung dieses gemeinsamen Zieles deutlich verändert. Die MWG-Wohnungsgenossenschaft eG ist eine typische Arbeiterwohnungsgenossenschaft der DDR.

Als im Jahre 1954 neu gegründete Genossenschaft verfügt das Unternehmen ausschließlich über Typenbauten aus DDR-Zeiten, welche ab Ende der neunziger Jahre durch erste Um- und Neubauten ergänzt wurden. Seit Anfang der neunziger Jahre wurden insgesamt mehr als 390 Millionen Euro in die Sanierung und Modernisierung der Bestände investiert. Zu einem nicht unerheblichen Teil wurden hierfür Kreditmittel eingesetzt.

Am 31. Dezember 2010 kann die MWG insgesamt auf einen Bestand von 9147 Wohnungen verweisen. Mit einer Vermietungsquote von 95,4 Prozent und einer Fluktuation von unter acht Prozent ist dabei eine für hiesige Marktverhältnisse gute Auslastung der Bestände gegeben. Ursächlich hierfür sind sicherlich ein gutes Vermietungsmanagement, ein umfassender Mieterservice und der sehr hohe Grad von über 93 Prozent umfassend sanierter und modernisierter Wohnungsbestände. Diese Ergebnisse sowie die seit Jahren stabile wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, sind die Basis für die im Jahre 2010 erstmals ausgeschüttete Dividende an die Genossenschaftsmitglieder.

Weshalb nun die Spareinrichtung?

Wohnungsnot zu lindern, gilt es in Zeiten von Stadtumbau und vorhandenen Leerständen nicht mehr. Damit steht die ursprüngliche Hauptzielrichtung der Spareinrichtung als Selbsthilfeeinrichtung für Gruppen von Wohnungssuchenden zu dienen, die das Kapital für eine Wohnung nicht aufbringen konnten, nicht mehr im Vordergrund. Die Gründung der Spareinrichtung der MWG erfolgte insofern auch mit einer anderen strategischen Zielstellung. Sie soll der weiteren Stärkung der Mitgliederbindung dienen und zur verbesserten Neugewinnung von Mitgliedern führen sowie der Genossenschaft zusätzlich die Chance eröffnen, mittel- und langfristig ihr Bestandsportfolio weiter zu optimieren.

Unter den veränderten Rahmenbedingungen begreifen wir die Spareinrichtung einerseits als Finanzierungs- und andererseits als Marketinginstrument für die Genossenschaft. Beide Instrumente dienen der Wahrung der langfristigen Stabilität des Unternehmens und damit auch der Sicherung langfristig finanzierbaren Wohnraumes für unsere Mitglieder.

Auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung so umfangreicher Betreuungs- und Serviceleistungen, wie literarisch/musikalische Nachmittage, Busreisen, Kinderferienlager, Kinderweihnachtsfeiern, Radtouren, Vorhaltung sozialer Beratungskompetenzen, Ausbau von Mietertreffs, Betreibung eines Nachbarschaftshilfevereins, Unterstützung von Kindereinrichtungen in den Wohnquartieren et cetera wird mit der wirtschaftlichen Kraft der Genossenschaft unterstützt.

Die Generierung dieses Alleinstellungsmerkmals "Erste Magdeburger Wohnungsgenossenschaft mit Spareinrichtung nach 1945" ist in einem heiß umworbenen Wohnungsmarkt, auf welchem neben sieben weiteren Genossenschaften und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft noch zahlreiche kleine und größere private Vermieter aktiv sind, nicht zu unterschätzen. Mit dem Betrieb der Spareinrichtung wird erwartet, als dokumentiert wirtschaftlich solides Unternehmen stärker wahrgenommen zu werden und eine weitere Verbesserung des Image der Genossenschaft mit positiven Folgeeffekten, wie der Werbung neuer Genossenschaftsmitglieder und Mieter, zu erzielen.

Die Finanzkrise der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Sparen in der klassischen Form nicht, wie von den global agierenden Instituten mit riesigem Aufwand suggeriert, verstaubt und aus der Mode gekommen ist. Sicherlich bietet die Wohnungsgenossenschaft mit Spareinrichtung leicht bessere Konditionen als die unmittelbaren regionalen Mitwettbewerber, weil sie das auf der Basis eines sehr kleinen Verwaltungsapparates und flacher Hierarchien auch betriebswirtschaftlich untersetzen kann. Dies allein ist jedoch noch nicht der Grund für die überaus große Akzeptanz bei den Mitgliedern und darüber hinaus im regionalen Markt.

Die Sparer und Genossenschaftsmitglieder erfahren eine sehr individuelle Betreuung. Die Mitarbeiter haben Zeit für sie, auch um einmal über ganz persönliche Dinge aus der Familie und dem Leben zu erzählen. Darüber hinaus stehen die Anlagewünsche der Sparer im absoluten Mittelpunkt der Beratung. Es gibt keinen Produktdruck für die Mitarbeiter und auch der sonst übliche Begriff des Cross-Selling ist ihnen fremd. Und etwas hat zu der sehr positiven Entwicklung beigetragen, dass bei Gründung der Spareinrichtung so stark noch nicht im Blick gewesen ist, aber inzwischen aus vielen Gesprächen erfahren wurde: Das Geld bleibt "vor Ort" und bewirkt gleichzeitig positive Effekte in der eigenen Genossenschaft und in der Heimatstadt.

Zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand ist das Einsatzfeld der Gelder klar abgestimmt und definiert. Mit dem Ziel der Schaffung einer größeren Unabhängigkeit gegenüber den Banken wird ein Teil der Gelder für die Ablösung von Krediten eingesetzt. Der größere Teil wird jedoch für die bankenunabhängige Diversifizierung des Bestandsportfolios verwandt. Hier geht die Genossenschaft verschiedene Wege.

Welchen Mehrwert haben die Genossenschaftsmitglieder?

Einerseits erfolgt der Erwerb sehr gut sanierter und vermieteter Altbaubestände in nachgefragten Wohnanlagen, da dieses Segment bisher nicht zum Portfolio gehört und insofern eine deutlich breitere Aufstellung gegenüber den Mitwettbewerbern erlaubt. Andererseits wird auf vorhandenen Grundstücken in einem Segment mit guter Ausstattung neu gebaut, wobei hier Kaltmieten von 7,20 bis 8,00 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden.

Die überaus große Nachfrage bei der Platzierung dieser Wohnungen am Markt zeigt, dass ein nicht zu vernachlässigendes Potenzial im leicht gehobenen Segment auch im hiesigen Markt vorhanden ist und die Bedienung dieser Nachfrage die Diversifizierung des Wohnungsportfolios der Genossenschaft weiter stärkt. Darüber hinaus erfolgt die Arrondierung von Grundstücksflächen in ausgesuchten Lagen, um auch künftig mittels Projektentwicklung und Neubau die Vermietung weiter zu stärken.

Jedoch profitieren nicht nur neue Mitglieder direkt von der Spareinrichtung, Auch zahlreiche Bestandsmieter haben seit Gründung bereits eine deutliche Aufwertung ihrer Wohnsituation durch die Co-Finanzierung mit Mitteln der Spareinrichtung erfahren. Dies insbesondere durch den Anbau zahlreicher Balkonanlagen, den Einbau von Aufzugsanlagen beziehungsweise die Schaffung von barrierefreien Zugängen zu den Wohnungen durch den Umbau vorhandener Aufzugsanlagen mit ebenerdigem Zugang. So konnten allein durch diese Maßnahmen bisher über 1000 Mieter und Genossenschaftsmitglieder durch die Verbesserung der individuellen Wohnsituation direkt den Mehrwert, den die Spareinrichtung für die Genossenschaft erbringt, spüren.

Nach 24-monatiger Geschäftstätigkeit am 2. März 2011 kann die Spareinrichtung auf folgende Zahlen verweisen:

- Spareinlagen: 33,4 Millionen Euro - Anzahl der Konten: 3 524

- Anzahl Sparer: 1920

- Anzahl Neumitglieder: 498 (nur Sparer)

Das darin dokumentierte Vertrauen der MWG-Mitglieder und Magdeburger hat die Richtigkeit der Gründungsentscheidung bestätigt und die Handlungsfähigkeit der MWG für die Zukunft der Genossenschaft erheblich gestärkt. Mit dem Erfolg der Gründung der Spareinrichtung, aber auch vielen anderen Maßnahmen, tritt die MWG-Wohnungsgenossenschaft auch Skeptikern entgegen, von denen die Idee der Genossenschaft als "altmodisch", "überholt" und "nicht mehr zeitgemäß" abqualifiziert wird. Die mehr als 11000 Mitglieder der MWG geben mit ihren Familien ein anderes Signal. Sicher und ohne Angst vor Spekulationen oder riskanten Finanzinvestments lebenslang "Wohnen & Sparen" - die MWG bietet ihren Mitgliedern eine gute Basis für diese wichtigen Grundbedürfnisse des Lebens.

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