Offene Immobilienfonds

Mehr Transparenz im Liquiditätsmanagement

Auch zu Beginn des Jahres 2010 ist die Situation vieler Offener Immobilienfonds von einer anhaltend schwierigen Liquiditätslage gekennzeichnet. Erneut sehen sich Kritiker bestätigt, welche Offene Immobilienfonds aufgrund der Diskrepanz zwischen täglicher Rücknahmeverpflichtung und Anlage in illiquide Immobilien grundsätzlich ablehnen. Tatsächlich sind Offene Immobilienfonds die einzigen Investmentfonds nach dem Investmentgesetz, die Fristentransformation betreiben. Aufgrund ihrer Konstruktion und der mangelnden Kongruenz der Liquidität unterliegen die Fonds genau wie eine Geschäftsbank potenziell dem Risiko eines Bank-Run-ähnlichen Phänomens, bei dem der Anleger versucht, seine Bankeinlage so früh wie möglich abzuheben, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen.

Als sichere Konstruktion behauptet

Offene Immobilienfonds wegen der Gefahr eines "Fonds-Runs" abzulehnen, ist jedoch ebenso unsachgemäß, wie die Existenz von Banken infrage zu stellen, sofern diese Fristentransformation betreiben. Vielmehr ist den Offenen Immobilienfonds zu bescheinigen, dass sie sich im Umfeld einer Jahrhundertkrise unseres Wirtschaftssystems als ausgesprochen sichere Konstruktion erweisen, die den Anleger vor übermäßigen Verlusten bislang schützen konnte.

Allerdings müssen sich die Offenen Immobilienfonds in Anbetracht der Vielzahl der Rücknahmeaussetzungen der Frage stellen, ob sie die Möglichkeiten eines professionellen Liquiditätsmanagements hinreichend ausgeschöpft haben. Die Fristentransformation zählt zu den existenziellen Kompetenzen Offener Immobilienfonds. Entsprechend professionell und umfassend sollte dieser Aspekt auch berücksichtigt werden. Zudem sind den regulatorischen Anforderungen von Basel II und MaRisk Rechnung zu tragen. Ra-ting-Agenturen werden das Management der Rücknahmeaussetzung verstärkt in die Bewertung einbeziehen.

Zum Management von Risiken - insbesondere von Extremrisiken - haben die Bankbetriebslehre und die Versicherungswirtschaft eine Vielzahl von quantitativen Methoden entwickelt. Die permanente konzernweise Steuerung des Konkursrisikos einer Bank oder das Management von Katastrophenrisiken des Portfolios eines Versicherungsunternehmens sind dabei sicherlich komplexere Aufgaben als das Liquiditätsmanagement selbst eines großen Offenen Immobilienfonds. Es erscheint daher naheliegend, dieses Instrumentarium auf seine Eignung zum Liquiditätsmanagement Offener Immobilienfonds hin zu untersuchen.

Zunächst ist die Zielfunktion eines derartigen Kontroll- und Steuerungssystems zu definieren. Eine möglichst niedrige Wahrscheinlichkeit der Rücknahmeaussetzung kommt als Ziel nicht in Frage, denn dies müsste zwangsläufig zu einer 100-prozentigen Liquiditätsquote führen. Das Ziel ist vielmehr eine möglichst hohe Immobilienquote; die Erhaltung einer ausreichenden Liquidität stellt lediglich eine weiter zu präzisierende Nebenbedingung dar. Das Risiko einer Schließung ist ein konstruktionsbedingter Bestandteil. Insofern gehört es zur Verantwortung des Managements oder auch des Regulators, das Risiko einer Schließung eines Offenen Fonds auf einen Wert größer als Null festzulegen.

Bei Banken erfolgt eine einfache Risikoquantifizierung in der Regel durch den Value at Risk. Der Value at Risk ("gefährdeter Wert") steht für den Verlust einer Position in Abhängigkeit eines Zeithorizontes und einer (Konkurs-)Wahrscheinlichkeit. Hier wird also eine Wahrscheinlichkeit vorgegeben und eine Risikokennzahl für einen bestimmten Zeitraum definiert. Für eine Bank kann der Value at Risk beispielsweise den Verlust in Euro angeben, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent nicht überschritten werden darf, damit die Bank nicht insolvent wird.

Konzept der Liquidity at Risk

Das Konzept des Value at Risk ist bereits vor einigen Jahren unter dem Namen Liquidity at Risk auch auf das Liquiditätsmanagement von Banken übertragen worden. Hier werden Extremwertstatistiken angewendet und auch außergewöhnliche Ereignisse berücksichtigt, die durch eine Normalverteilung nicht erfasst werden können. Ein Ergebnis eines derartigen Liquidity at Risk könnte beispielsweise wie folgt aussehen:

Ermittlung der benötigten Liquidität unter Angabe der Wahrscheinlichkeit a.

1 bis 30 Tage; a = 0,001% 200 Mio. Euro

120 Tage; a = 0,005% 800 Mio. Euro

300 Tage; a = 0,010% 2 000 Mio. Euro

Es stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um ein derartiges Konzept auch für Offene Immobilienfonds zu etablieren. Im Wesentlichen sind hier zwei Aspekte zu quantifizieren:

- Zum einen die Liquiditätsrisiken auf Anteilscheinebene. Dies impliziert eine separate Prognose der Mittelzu- und -abflüsse. Idealerweise ist diese Prognose dynamisch und wird aufgrund neuer Informationen permanent aktualisiert.

- Der zweite Aspekt umfasst die Fungibilitätsrisiken auf Asset-Ebene und damit die Schätzung der Verkaufsdauer für jedes Asset, insbesondere natürlich der Immobilien. Auch hier ist eine permanente Aktualisierung an veränderte Marktbedingungen erforderlich.

Von diesen beiden Aspekten ausgehend, ist eine Prognose der Mittelzu- und -abflüsse vergleichsweise einfach. Eine Studie der Nettozuflüsse für den Zeitraum 1995 bis 2008 konnte auf der Basis öffentlich verfügbarer Daten bereits statistisch signifikante Faktoren bestimmen, obwohl die Daten nur in monatlicher Frequenz und als saldierte Nettozuflüsse vorliegen.

Die Ergebnisse könnten für die Prognose der Nettomittelzuflüsse und die Ermittlung von Extremwertstatistiken genutzt werden. Für eine tatsächlich praxisrelevante Implementierung ist jedoch eine verbesserte Datenbasis erforderlich: Bruttozu- und -abflüsse, höhere Datenfrequenz (möglichst täglich), Angabe der Mittelherkunft (Privatanleger, institutionelle Anleger, Eigenmittel) sowie die

Integration beider "Fonds-Runs". Hierfür müssen Wissenschaft und Praxis miteinander kooperieren. Wenngleich die Prognose der Liquiditätsströme die Anwendung nichttrivialer ökonometrischer Kenntnisse erfordert, ist die Identifikation der Liquidität auf Asset-Ebene ungleich komplexer. Hier ist für jede Immobilie permanent die Verkaufswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Verkaufsdauer zu bestimmen. Sicherlich werden derartige Schätzungen für einzelne Immobilien sehr ungenau ausfallen. Insbesondere das Verkaufsdauer(risiko) von Großimmobilien und Beteiligungen ist regelmäßig schwer zu quantifizieren.

Auf der Ebene des Gesamtportfolios kann hingegen aufgrund der Vielzahl von Immobilien eine größere und hoffentlich hinreichende Genauigkeit erreicht werden. Bei einem integrierten Liquiditätsmanagementsystem wird die Verkaufsdauer schlussendlich zum wesentlichen Allokationskriterium in der Portfolioselektion. Die Möglichkeiten und Grenzen des Liquiditätsmanagements werden jedoch vor allem durch die unzureichende Untersuchung und Dokumentation der Verkaufsdauer von Immobilien erschwert. Hier wird die Qualität des Liquiditätsmanagements entscheidend von der im Unternehmen verfügbaren Expertise abhängig sein.

Liquiditätstransformation ist eine spezifische Kernkompetenz der deutschen Offenen Immobilienfonds. Hieraus ergibt sich die besondere Notwendigkeit einer dezidierten Steuerung und Kontrolle des Schließungsrisikos. Auch wenn ein Liquiditätsmanagement Offener Immobilienfonds auf quantitativer Basis nicht trivial ist, so ist es doch deutlich weniger komplex als das Risikomanagement eines Bank- oder Versicherungskonzerns und sollte daher nicht vorschnell als unmöglich betrachtet werden.

Offene Immobilienfonds sind ein international einmaliges Produkt, das aus Sicht von Theorie und erlebter Praxis hervorragend aufgestellt ist und sich in der Krise trotz aller aktuellen Probleme bewährt hat. Professionelles Liquiditätsmanagement allein wird die Problematik der Offenen Immobilienfonds nicht lösen. Jedoch kann eine verbesserte Transparenz der Liquiditätsrisiken wertvolle Entscheidungshilfen für Manager und Anleger bieten und das Produkt Offener Immobilienfonds weiter verbessern. Zudem kann durch die erhöhte Transparenz verloren gegangenes Vertrauen wieder gewonnen werden.

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