Zinskommentar

Leitzinssenkung - das Allheilmittel?

Anfang Mai entschloss sich die Europäische Zentralbank (EZB), den Hauptrefinanzierungssatz für Geschäftsbanken von 0,75 Prozent auf historisch niedrige 0,50 Prozent abzusenken. Begründet wurde dies mit schlechten wirtschaftlichen Aussichten in der Eurozone sowie einer sich weiter abschwächenden Inflation.

Die wirtschaftliche Situation hat sich in den letzten Monaten nicht weiter verbessert: Diverse europäische Länder stecken nach wie vor in einer Rezession, die Einkaufsmanagerindizes zum Beispiel von Deutschland (Ifo-Index) und Frankreich (Markit) zeigen noch keine Trendumkehr hin zu mehr Optimismus. Die Idee der erneuten Zinssenkung ist, den Geschäftsbanken noch mehr günstiges Geld zur Verfügung zu stellen, damit diese neue Kredite an Unternehmen und private Haushalte vergeben. Die Unternehmen sollen damit Investitionen tätigen, Arbeitsplätze schaffen und somit zu einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum beitragen.

Im Rahmen der aktuellen Schuldenkrise zeigt sich aber gerade, dass dieser Prozess in schwächelnden Volkswirtschaften wie Portugal, Spanien, Griechenland und Italien derzeit kaum funktioniert. Gerade kleinere Unternehmen dieser Länder zahlen immer noch eine hohe Risikoprämie auf Kredite, wenn sie denn überhaupt Kredite erhalten. Hintergrund ist die Risikoscheu der lokalen Banken, die sich gegen Kreditausfälle im Zuge der Rezession absichern wollen.

Der Nutzen der aktuellen Zinssenkung, zumal es immer eine erhebliche Zeitverzögerung gibt, darf somit für die Unternehmen bezweifelt werden. Von dem ermäßigten Zinssatz profitieren aktuell nur die Banken und die Schuldenländer, die sich im Moment wieder zu günstigeren Zinssätzen am Kapitalmarkt refinanzieren können. Es bleibt zu hoffen, dass der politische Reformwille damit nicht gebremst wird. Denn obwohl es in den letzten Wochen ruhiger um die Schuldenkrise geworden ist, ist diese noch lange nicht ausgestanden.

Da die EZB erkannt hat, dass der Mechanismus, die Wirtschaft durch günstigere Leitzinsen mit mehr Krediten zu versorgen, aktuell gestört ist, werden derzeit neue Ideen diskutiert:

-> Erhebung eines negativen Zinssatzes für Einlagen von Geschäftsbanken bei der EZB. Aktuell erhalten Banken, wenn sie Gelder bei der EZB anlegen, keine Zinsen dafür. Um einen Anreiz zu schaffen, dass Banken ihre Gelder eher an Privatpersonen und Unternehmen ausleihen und damit die Wirtschaft ankurbeln, ist in Gesprächen den Einlagenzins bei der EZB auf einen negativen Wert zu setzen. Die Banken würden damit eine Gebühr für die Anlage bei der EZB zahlen müssen.

-> Aufkauf von Asset Backed Securities (ABS) durch die EZB. Die Zentralbank ist in Gesprächen mit anderen Institutionen, den Markt für ABS wiederzubeleben, der seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr funktioniert. Dazu könnten gebündelte Unternehmenskredite von den Banken aufgekauft werden. Die dann frei werdende Liquidität könnten die Banken daraufhin für die Vergabe neuer Kredite verwenden und somit Investitionen bei den Unternehmen anschieben. Zwar wäre diese Idee durch das Mandat der EZB gedeckt, doch es würde zu einem erneuten Tabubruch kommen. Die Gefahr, dass die Risiken für die EZB-Bilanz aufgrund fauler Unternehmenskredite steigen, wäre nicht von der Hand zu weisen.

Die Baufinanzierungszinsen sind in den letzten vier Wochen bis zur Zinssenkung der EZB Anfang Mai zunächst gesunken, seitdem jedoch wieder auf das Niveau von Anfang/Mitte April angestiegen. Da die Entwicklung der Baufinanzierungszinsen in Deutschland weiterhin eng mit der Schuldenkrise in Europa verbunden ist, ist in den nächsten Wochen weiter von schwankenden Zinsen auszugehen. Finanzierungssuchende sollten sich hierdurch nicht verunsichern lassen. Wichtig bei der Planung sind nach wie vor eine auf die Situation des Kunden zugeschnittene Zinsbindung sowie Flexibilität in Form von Sondertilgungsmöglichkeiten und optionalen Tilgungssatzwechseln während der Darlehenslaufzeit.

(Dr. Klein & Co. AG)

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