Immobilien an der Börse

Investor Relations in mittelständischen Immobilienunternehmen

Die deutsche Immobilienwirtschaft sei eine der intransparentesten Branchen überhaupt, sagt man. Das stimmt immer weniger. Die Stakeholder stellen an die Investor Relations auch mittelgroßer Immobilienunternehmen ähnliche Anforderungen wie an Dax-Unternehmen. Insbesondere wenn sich das Unternehmen vollständig bankenunabhängig finanziert und seit seiner Gründung mit alternativen Finanzierungsformen selbstständig am Kapitalmarkt bewegt. In diesem Umfeld muss sich die Kapitalmarktkommunikation auch der WGF Westfälischen Grundbesitz und Finanzverwaltung AG beweisen.

Ziele der Investor Relations

Das Düsseldorfer Immobilienunternehmen ist innerhalb weniger Jahre vom regionalen Immobilienhändler zum deutschlandweit agierenden Immobilieninvestmenthaus gewachsen. Die WGF AG ist mit Unternehmensanleihen und Genussscheinen am Kapitalmarkt präsent und entwickelt maßgeschneiderte Investments für institutionelle Investoren. Seit 2010 gibt es außerdem ein Joint-Venture-Programm für Akteure der Immobilienbranche. Teil der WGF Finanzgruppe ist eine Emissionsgesellschaft für Geschlossene Immobilienfonds sowie seit Mai 2011 eine Immobilien-Kapitalanlagegesellschaft.

Eigenkapitalgeber wie Fremdkapitalgeber erwarten über weite Strecken dasselbe: Aussagen zur Bonität und zur Gesamtentwicklung des Unternehmens sowie kontinuierliche Dialogbereitschaft. Institutionelle Investoren benötigen Informationen zur vergangenen und gegenwärtigen Geschäftslage sowie zu Fortschritten bei großen Geschäftsvorhaben und strategischen Projekten. Die Zeichner der Hypothekenanleihen, in der Mehrheit Privatkunden, wünschen eine Dokumentation der Sicherheiten. Finanzjournalisten erwarten Berichte über relevante Entwicklungen sowie die kontinuierliche und kurzfristige Verfügbarkeit kompetenter Ansprechpartner.

Für die Positionierung der 2003 gegründeten WGF AG am Markt war zunächst die Produktentwicklung und die Etablierung der Hypothekenanleihen wichtig. Es gab zunächst nur wenige Vergleichsprodukte. Die Kommunikation war deshalb in den ersten Jahren stark auf das Finanzinstrument Hypothekenanleihe und dessen Erläuterung konzentriert. Nach dem Aufbau weiterer Bereiche im Immobiliengeschäft und weiterer Kapitalmarktangebote ist die Unternehmensentwicklung fortgeschritten und es ist nun die Aufgabe der Investor-Relations-Arbeit, das Unternehmen zu positionieren und den Zielgruppen gegenüber Strategie, Stärken und Wettbewerbssituation der WGF AG klar zu kommunizieren.

Die Hypothekenanleihen der WGF AG sind an der Börse Düsseldorf und an anderen Börsen in den Freiverkehr einbezogen. Kontinuierlich werden die Verpflichtungen, die in § 22 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Börse Düsseldorf für den Freiverkehr aufgeführt sind, erfüllt: Jahresabschlüsse, Halbjahresfinanzbericht und ein öffentlicher Unternehmenskalender. Die Dokumente sind als PDF oder Volltext auf der Firmenwebseite und im elektronischen Bundesanzeiger verfügbar. Damit sind die Publizitätspflichten erfüllt.

Maßnahmen und Instrumente

Das Pflichtprogramm der Jahresabschlüsse, die intern vom Unternehmensbereich Finance & Treasury erstellt werden, wurden im Juni 2011 erstmals um einen Geschäftsbericht für das Jahr 2010 ergänzt, der als "Kür" der Investor Relations freiwillig ist. Damit kommen eine externe Investor-Relations-Agentur und die Unternehmenskommunikation mit ins Boot. Die Erstellung ist komplexer, das Ergebnis aber ein Türöffner für Branchenbereiche, in denen der Geschäftsbericht Standard ist.

Seit 2010 wird außerdem freiwillig quartalsweise eine 60-seitige Dokumentation des aktuellen Immobilienbestandes, der Vermietungsquote und weiterer Werte zum Immobiliengeschäft und zum Portfoliomanagement der WGF AG erstellt. Dies macht die Performance im Kerngeschäft transparent. Die "WGF-Immobilienperspektiven" dokumentieren auch regelmäßig alle Immobilien, die als Deckungswerte der Anleihen dienen. Dies bedient den Informationsbedarf der

Anleihezeichner. Die Publikation enthält außerdem Themenbeiträge und eine Quartalsstudie von Bulwien-Gesa zum aktuellen Stand des deutschen Immobilienmarktes.

Die WGF AG organisiert seit einigen Jahren Bilanzpressekonferenzen, um den Geschäftspartnern und der Presse Gelegenheit zu geben, die Bilanzzahlen und die Geschäftsentwicklung persönlich zu diskutieren. Als zusätzliche Unternehmenskennzahlen sind seit 2011 EBITDA, EBIT und EBT zusammengestellt, außerdem der Immobilienbestand in Quadratmetern sowie die Immobilienankäufe pro Jahr.

Unternehmens- und Produktrating sind für den Endkundenvertrieb ebenso wichtig wie für den Verkehr mit institutionellen Investoren. Die WGF AG unterwirft sich bei ihren Anleihenemissionen seit 2007 den Ratings der deutschen Mittelstandsagentur Creditreform Rating AG. Ratings bleiben das bevorzugte Instrument zur Risikobewertung von Produkten und Unternehmen. Intern ist dafür die Abteilung Risikomanagement zuständig.

Für die persönliche Präsenz in den Netzwerken des Kapitalmarkts werden Präsentationen auf DVFA-Analystenkonferenzen genutzt, die vom Vorstand persönlich durchgeführt werden, Roadshows, die auch ohne Anlass einer Neuemission, häufig mit Vertriebspartnern und auf der organisatorischen Ebene des Vertriebs, veranstaltet werden, sowie One-on-One-Gespräche mit institutionellen Investoren, die von der Abteilung Institutional Business geleistet werden. 2010 wurde eine Perception Study bei Kapitalmarktakteuren durchgeführt. Die Ergebnisse sind vornehmlich in die Vertriebsarbeit eingeflossen. Intensives Feedback erhält die WGF auch auf "Strategietagen", ganztägigen Präsentationen zur Geschäftsentwicklung, die unterjährig für Geschäftspartner und Kunden organisiert werden.

Die große Bedeutung der Privatkunden bei Unternehmensanleihen bedeutet, dass man als Teil der Investor beziehungsweise Creditor Relations auch Marketinginstrumente gestalten muss. Um die Arbeit der Vertriebspartner zu erleichtern, werden die Produktunterlagen konform dem Wertpapierhandelsgesetz und anderer relevanter Richtlinien erstellt. Aktuell waren zum 1. Juli 2011 die neuen Vorgaben des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes bezüglich Produktinformationsblättern umzusetzen.

Wie misst man die Ergebnisse?

Den Erfolg der Investor Relations misst die WGF am Umfang und an der Qualität der Wahrnehmung im Kapitalmarkt. Ein Teil der Erfolge ist qualitativ: Beziehungen zu Analysten, Branchenjournalisten und Geschäftspartnern. Wie laufen die Einladungen zu Gesprächsterminen, wie ist die Qualität der Gesprächspartner, wie die Resonanz auf IR-Events?

Ein hartes Kriterium ist die Kursentwicklung im Wettbewerb. Die Börsenkurse der Anleihen waren während der akuten Wochen der Finanzmarktkrise ab Oktober 2008 ausgesprochen stabil. In dieser Zeit wurden ununterbrochen aktiv Gespräche mit den Geschäftspartnern geführt und mehrfach Dokumentationen zur Gesamtentwicklung des Unternehmen sowie zur Zinszahlungs- und Tilgungsfähigkeit der Anleihen geliefert. Der Ausschlag der Kurse war deutlich geringer als bei anderen Unternehmen und die Erholung deutlich schneller. Innerhalb von vier Wochen waren die Börsenkurse der Anleihen wieder in ihrer langjährigen Spanne von zwei bis drei Prozent um 100 Prozent.

Die Stabilität der Kreditoren-Beziehung, die man typischerweise bei Endkunden erlebt, zeigt sich bei der Rückzahlung einer Anleihe. Als 2009 die erste Hypothekenanleihe vollständig und termingerecht nach fünf Jahren Laufzeit an die Anleger zurückgezahlt wurde, erlebte die WGF eine Wiederanlagequote oberhalb der Erwartungen: 50 Prozent der Anleger zeichneten eine Folgeemission, durchschnittlich im Volumen von 100 Prozent ihrer früheren Zeichnung. Kunden, die im Direktabschluss bei der WGF AG erworben hatten, zeichneten einen Wiederanlagebetrag von durchschnittlich 125 Prozent.

Insgesamt hat sich die Hypothekenanleihe der WGF AG als eines der Vorbilder für die Assetklasse etabliert. Nach einigen Jahren ohne bedeutenden Wettbewerb sind seit 2010 verstärkt vergleichbare Produkte zu sehen. Die WGF-Hypothekenanleihe wird in wissenschaftlichen Handbüchern als Muster der Assetklasse analysiert. Die Düsseldorfer Wirtschaftsberater von Deloitte organisierten Anfang 2011 einen Branchen-Workshop zum Thema Mittelstandsanleihen, auf dem die WGF ihre Erfahrungen in der Produktentwicklung, Bewilligung und Markteinführung von Anleihen erläutern konnte. Das Selbstbewusstsein, für einen kleinen Teil des Kapitalmarkts Benchmarks gesetzt zu haben, gibt Zuversicht für die nächsten Schritte der Unternehmensentwicklung.

Im Rahmen des anstehenden Wachstumsschubs hat die WGF AG das Ziel, ihre Kapitalmarktkommunikation noch kontinuierlicher und einheitlicher zu gestalten, ausgewählte Kennzahlen fortschreitend auch unterjährig zu berichten und die verschiedenen Bedarfe der Stakeholder maßgeschneidert zu bedienen. Die Investor Relations in der deutschen Immobilienbranche leisten heute einiges, um die traditionell beklagte Intransparenz gerade dieser Branche zu überwinden. Die zunehmende Kapitalmarktorientierung der deutschen Immobilienbranche fordert das - und die Branche liefert es in zunehmend besserer Qualität.

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