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Immobilienkonzepte - aus alten Denkmustern lösen

Klettern, surfen, golfen, reisen - die Hobbys der Menschen waren nie so vielseitig wie heute. Und nie war der Wunsch, Freizeit in bewusster Abgrenzung zum Arbeitsleben aktiv zu gestalten, so groß. Die Menschen legen immer mehr Wert auf eine aktive Freizeitgestaltung.

Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft. Musste diese über lange Zeit lediglich die klassischen Ansprüche an Immobilien - Wohnen, Arbeiten und Einkaufen - befriedigen, steht sie heute größeren Herausforderungen gegenüber. Der Lebensalltag und die Ansprüche der Menschen haben sich verändert: Sie wollen etwas erleben, ihre Freizeit genießen und ihren Hobbys nachgehen. Die Immobilienwirtschaft muss ihre Angebotspalette erweitern, um den vergleichsweise neuen Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen.

Allerdings verharrt die Branche derzeit mehrheitlich noch in alten Denkmustern. Dazu ein Beispiel: Findet ein Projektentwickler oder ein Bauträger ein geeignetes Grundstück, errichtet er dort in der Regel ein Büro-, Einzelhandels- oder ein Wohnobjekt. Was er baut, hängt hauptsächlich von den Eigenschaften und der Lage des Grundstücks ab, woraus sich schließlich auch eine Zielgruppe für das Objekt ergibt. Das Problem dabei: Projektentwickler denken noch zu sehr in den standardisierten Nutzungsformen. Sie fragen bislang viel zu selten, für welche Personengruppen und deren Bedürfnisse sie Konzepte jenseits des Standardangebots entwickeln könnten - oder sie finden nur allzu selten passende Antworten. Doch der Markt hält große Potenziale bereit, die über das derzeitige Angebot hinausgehen.

Nutzer- statt Grundstücksorientierung

Dass potenziell interessante Zielgruppen bislang noch nicht erschlossen wurden, hat vier Gründe: Erstens beschäftigt sich die Immobilienwirtschaft mit einem immobilen Gut. Welche Immobilie gebaut wird, macht der Eigentümer in aller Regel am Grundstück fest. Daher richtet sich diese in der Regel eher an der Ressource Grundstück als an einer Zielgruppe aus. Zweitens: Da Immobilien für eine jahrzehntelange Nutzung konzipiert werden, können Innovationen nur sehr langsam umgesetzt werden. Die langen Produktlebenszyklen führen auch zu Prognoseunsicherheiten, die Projektentwickler in gewissem Maße vor Innovationen zurückschrecken lassen. Drittens sind gerade bei konzeptionellen Neuerungen immer Unsicherheiten vorhanden. Viertens müssen Immobilienentwicklungen einer heterogenen Gruppe von Entscheidungsträgern rational verständlich gemacht werden, weshalb Entwickler ihnen meist funktional-rationale Raster zugrunde legen.

Innerhalb der Standardnutzungsformen gibt es durchaus zukunftsweisende Projekte, die sich stark an den Ansprüchen der Nutzer orientieren. Besonders die deutsche Immobilienwirtschaft zeigt sich bei Bauweisen und angewendeten Technologien fortschrittlich. Und obwohl die Immobilienwirtschaft insgesamt neue Konzepte betreffend bislang noch vergleichsweise innovationsavers erscheint, gibt es doch Ausnahmen. Dazu zählen beispielsweise in Deutschland die Autostadt in Wolfsburg und die Baumwollspinnerei in Leipzig sowie in Österreich die Kristallwelten von Swarovski. Allen drei Konzepten ist gemein, dass sie - wenngleich unterschiedliche - Erlebniswelten darstellen, die wesentlich von den sie beherbergenden Gebäuden leben.

Bei der Baumwollspinnerei in Leipzig beispielsweise handelt es sich um ein etwa zehn Hektar großes Werksgelände mit zahlreichen Fabrikgebäuden. Entstanden ist die Spinnerei Ende des 19. Jahrhunderts und nach und nach zu einer Fabrikstadt geworden. Nachdem die Produktion Anfang der 1990er Jahre eingestellt wurde und große Teile des Geländes leerstanden, nutzen bald darauf Künstler, Architekten und Modedesigner die Räumlichkeiten und richteten Ateliers, Werkstätten und Büros ein. 1999 errichtete das Leipziger Schauspielhaus eine temporäre Spielstätte in der Spinnerei, auch gibt es gastronomische Einrichtungen und Übernachtungsmöglichkeiten. Diese ganz spezielle Welt ist zu einem Erlebnis für die Besucher geworden. "Guardian" beispielsweise empfahl kürzlich 20 Reiseziele in Deutschland - die Spinnerei lag auf Platz 1.

Derartige Angebote stechen aus der Masse von Immobilienangeboten heraus. Doch die Immobilienwirtschaft kann hier noch viel mehr leisten. Zunächst muss der Bedarf erschlossen werden. Wurden die potenziellen Nutzergruppen aus der Masse herausgefiltert und analysiert, können für diese entsprechende Produkte auf maßgeschneiderten Flächen geplant werden. Derzeit gelingt das noch am ehesten in den Bereichen Hotel und Shoppingcenter. Auch einige Gastronomiekonzepte, Freizeitanlagen und Sportstätten sind sehr zielgruppenorientiert. Erfolgreiche Konzepte zeigen, dass das Beschreiten neuer Wege durchaus lohnend sein kann und Projektentwickler künftig mehr Mut aufbringen sollten, abseits des Standards Projekte zu realisieren.

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