Bausparen und Bausparkassen 2012

Immobilienfinanzierung in Europa - viele Vorteile beim deutschen System

Andere Länder - andere Sitten. Das gilt auch im vereinten Europa - und das nicht nur beim Essen und Trinken, sondern in vielen anderen Bereichen, so bei der Immobilienfinanzierung. In den EU-Mitgliedsstaaten gibt es bei der Bau- und Erwerbsfinanzierung eine große Bandbreite verschiedener Varianten. Viele davon sind historisch gewachsen. Wobei nur aus Deutschland zweifelsfrei überliefert ist, dass eine Baugeldausschüttung auch schon einmal direkt aus der Suppenschüssel erfolgte, wie anno 1925 in Wüstenrot geschehen.

Da gibt es zum Beispiel kurze Laufzeiten von einem Jahr genauso wie mittlere und lange von bis zu 35 Jahren, variable und festgeschriebene Zinsen, annuitätische und endfällige Darlehen, Beleihungsausläufe, die unter oder auch weit über den Markt- oder Verkehrswerten liegen, erst- und zweitrangige Absicherungen und Darlehen ganz ohne Grundbucheintrag, Systeme mit staatlicher Förderung und solche ohne staatliche Unterstützung, verschiedene Formen der Refinanzierung der Kreditgeber, Unterschiede bei der Bewertung der für die Finanzierung notwendigen Bonität der Kreditnehmer. Und hie und da besteht eine ganze Reihe Sonderformen: Subprimes, Reverse Mortgages, Fremdwährungskredite. Und Bausparen gibt es in manchen Ländern natürlich auch.

Unterschiede zwischen Inseln, Halbinseln und dem Kontinent

Im Prinzip kann man all diese Varianten in zwei verschiedenen Modellen bündeln: Da ist einerseits das angelsächsische Modell mit seinen variablen Zinsen und kurzen Laufzeiten, wie es beispielsweise in Großbritannien, aber auch in Irland oder Spanien gang und gäbe ist. Und vice versa das kontinentale oder deutsche Modell mit festen Zinsen für fünf, zehn oder 15 Jahre und Beleihungsausläufen von 50 bis 80 Prozent. Dieses dominiert zum Beispiel in Deutschland, unter anderem ist es aber auch in Frankreich und den Niederlanden zu finden.

Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Die viel gelobte Flexibilität des "angelsächsischen" Modells zeigte aber in dem schwierigen Umfeld der Finanzkrise, die in den USA ihren Anfang genommen hatte und schnell auf Europa übergeschwappt war, deutlich ihre Problematik - vor allem in Sachen mangelnder Kalkulierbarkeit. Und das für beide Seiten, für das Kreditinstitut genauso wie für den Kreditnehmer.

Zu Recht war es schnell der zuvor reichlich verteilten Lorbeeren beraubt. Die Immobilienblase platzte rasch. Nicht nur die Werte der Immobilien gingen drastisch zurück, sondern auch die Zahl der Transaktionen und der Bauaktivitäten. Ein Wert wies allerdings einen deutlichen Aufwärtstrend aus - derjenige der Zwangsversteigerungen. Mit all den bekannten Folgen - vom individuellen Schicksal der Betroffenen über die dramatische Zunahme "fauler" Kredite in den Büchern der Finanzinstitute bis hin zu den Auswirkungen auf ganze Volkswirtschaften.

Doppelte Wirkung: Preis- und Marktstabilität

Das deutsche System, zuvor oft als schwerfällig und unflexibel kritisiert, zeigte sich wesentlich widerstandsfähiger gegen negative Einflüsse. Es bietet Kreditgebern und Kreditnehmern gleichermaßen Planungssicherheit. Und das wirkt sich doppelt aus: auf die Stabilität des Immobilienmarktes und auf die Preisgestaltung der Kredite, die wesentlich günstiger zu haben sind als in Ländern mit anderen Systemen.

Ein paar Zahlen aus der jüngeren Vergangenheit am Rande: Mit knapp 1,5 Billionen Euro hat sich das Kreditvolumen für Immobilien auf den britischen Inseln von 2000 bis 2008 fast verdoppelt und machte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt 80 Prozent aus. In Irland nahm es im gleichen Zeitraum sogar um das 4,5-Fache und in Spanien immer noch um das 3,5-Fache zu. Jeder Bürger in Großbritannien ist statistisch mit knapp 25000 Euro Wohnungsbaukrediten belastet. In Deutschland hingegen sind es pro Kopf nur knapp 14000 Euro. Das Gesamtvolumen von 1,1 Billionen Euro beträgt in Relation zum Bruttoinlandsprodukt lediglich 46 Prozent - und war damit 2008 auf fast gleichem Niveau wie 2000.*)

Warum regulieren, was funktioniert?

Die Zahlen verdeutlichen, weshalb die Finanzkrise so fast spurlos am deutschen Immobilienmarkt vorbeiging. Während zum Beispiel in Spanien vor der Krise starke Preissteigerungen und danach immense Wertverluste am Immobilienmarkt zu verzeichnen waren und in Großbritannien die Krise eine starke Verteuerung der Kredite nach sich zog, blieben den Deutschen größere Ausschläge - sowohl nach oben als auch nach unten - erspart.

Dies wirft die Frage nach der Sinnhaftigkeit weiterer Regulierungsmaßnahmen auf, wie sie im Zusammenhang mit den Vorschlägen der EU-Kommission zur europaweiten Angleichung der Märkte durch die Hypothekarkreditrichtlinie vorgesehen sind.

Nicht zu vergessen ist, dass die deutsche Finanzierungskultur neben dem langfristigen Hypothekendarlehen ein anderes bekanntes Finanzierungsinstrument beinhaltet, das zu ihrer Stabilität einen wesentlichen Beitrag leistet. Die Krise hat dieser alten "Liebe" schnell zu einer Renaissance verholfen: Das Bausparen manches Mal als alter Zopf für "Warmduscher" und "Spießer" verschrien - ist seit einiger Zeit wieder ganz aktuell. Ab und an hört man gar schon, es wäre durchaus "sexy".

Bausparen - Bestandteil einer soliden Finanzierungskultur

Ende der neunziger Jahre, als die gewaltige Nachfrage nach Investmentfonds und der Aktienboom den alten Finanzklassikern wie dem Bausparen den Garaus zu machen schienen, hieß es einmal mehr, die Monokultur des Bausparens sei nicht überlebensfähig. Doch mit dem schmerzhaften Abschied von den Verheißungen der New Economy waren plötzlich wieder die Finanzprodukte gefragt, die gewissermaßen seit vielen Jahren den "safe haven" darstellten - und dazu gehörte eben auch das Bausparen.

Bausparen charakterisiert sich über eine einmalige finanztechnische Kombination aus Passiv- und Aktivgeschäft. Kein anderes Finanzprodukt bietet die Möglichkeit, einen zweckgebundenen Betrag anzusparen und dann ein Baudarlehen zu erhalten, dessen Zins für die gesamte Laufzeit festgeschrieben und das zudem nur zweitrangig abgesichert ist. Darüber hinaus sind Bauspareinlagen besonders sicher. Bausparkassen dürfen die Gelder nur in einem engen, vom Bausparkassengesetz definierten Rahmen risikoarmer Anlagemöglichkeiten investieren.

Stichwort Finanzierungssummen: Während für kleinere Bauvorhaben wie zum Beispiel Modernisierungen und Sanierungen oftmals Zinsaufschläge bei den Hypothekendarlehen verlangt oder nur teure Konsumentenkredite angeboten werden, gilt der im Bausparvertrag festgeschriebene Zinssatz auch und gerade in diesen Fällen. In Zeiten, in denen Bauinvestitionen zunehmend in Bestandsmaßnahmen fließen, trägt Bausparen so nicht nur zur Stabilisierung des Immobilienmarktes, sondern auch der Baukonjunktur bei.

Wichtiges Element für die energetische Modernisierung

Und der Bausparvertrag wird immer mehr zum "Modernisierungs-Sparvertrag". Weit mehr als die Hälfte der Auszahlungen aus Bausparverträgen fließen heute in Umbau und Sanierung, wobei hier vielfach die Themen Energieeinsparung und Energieeigenversorgung im Vordergrund stehen.

Doch nicht nur für die Erfüllung der Anforderungen des Klimaschutzes bietet das Bausparen die finanzielle Basis, sondern vermehrt auch für die des demografischen Wandels. Hier sei stellvertretend nur das barrierefreie und das Mehrgenerationen-Wohnen genannt. Aber Bausparen ist eben seit eh und je ein Finanzprodukt mit einem starken sozialen Hintergrund durch die zentrale Idee des Sparens und Finanzierens in der Gemeinschaft.

Kein Bedarf an neuen Spielregeln

Die deutsche Finanzierungskultur ist insbesondere in der Kombination von Festzinsdarlehen und Bausparvertrag bestens bewährt und zeitgemäß wie nie. Ihre Vorteile hat sie während der zurückliegenden Finanzkrise eindrucksvoll bewiesen. Grund genug, an den bewährten Finanzierungsmodellen weiterhin festzuhalten.

Solide Märkte, die ihre Funktionstüchtigkeit bewiesen haben, brauchen weitere Regulierungen genauso wenig wie neue Spielregeln. Diese machen nur dort und nur dann Sinn, wo sich Schwachstellen offenbart haben.

Fußnote

*)Quelle: Ein europäischer Binnenmarkt für die Wohnungsbaufinanzierung, ifs-Band 73, Berlin, 2010.

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