Im Blickfeld

Der goldene Pass

Was lange währt, weiß der Volksmund zu berichten, könne schließlich nichts Schlechtes werden. Insofern ist bei manchen Dingen wohl schon allein die schlichte Existenz als Qualitätsmerkmal zu werten. Lange erwartet, wenn auch von der Immobilienwirtschaft nicht herbeigesehnt, hat nun endlich auch Deutschland ein Zertifizierungssystem für ökologische Unbedenklichkeit im Bau: das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen. Damit zieht die Republik, die sich gerne in der Rolle des ökologischen Vorreiters sieht, auch beim Bauen mit Ländern gleich, die vergleichbare Prädikate schon seit Jahren vergeben.

Allerdings reklamieren die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für ihren gemeinsam entwickelten Kriterienkatalog, dass er umfassender und präziser sei als die Vorbilder aus Frankreich, Großbritannien und den USA. Während diese den Fokus lediglich auf Energieverbrauch und Umweltverträglichkeit legen, berücksichtige das deutsche Siegel außerdem ökonomische, soziale und technische Qualitäten. Diese in 49 Kriterien erfassten Gebäudeeigenschaften werden darüber hinaus gewichtet, während beispielsweise das US-Label Leed (Leadership in Energy and Environmental Design) auf einer Liste von hundert gleichwertigen Punkten basiert.

Erprobt und feinjustiert wurde die Öko-Plakette in den vergangenen Monaten an 28 Büro- und Verwaltungsgebäuden von privaten und öffentlichen Bauherren in ganz Deutschland. Angetreten waren niedrige Gebäude und Hochhäuser, deren Bruttogrundflächen von 600 bis 130 000 Quadratmeter reichten. Dabei zeigte sich, dass sich vor allem Gebäude, die sich noch in der Planung befinden, am besten hinsichtlich Betriebskosten oder ökologischer Performance optimieren lassen. Am hellsten strahlte die Gold-Medaille für das Paul-Wunderlich-Haus des Kreises Barnim in Eberswalde, das mit einer Gesamtnote von 1,18 das beste Zertifikat bekam. Insgesamt wurde sechsmal Gold, siebenmal Silber und dreimal Bronze vergeben.

Mit der Verleihung der Gütesiegel geht die Erprobung jetzt in die zweite Phase. Denn die Anregungen aus dem Praxistest werden nun in das Zertifizierungssystem eingearbeitet. Parallel läuft ein systematischer Kommentierungsprozess in der Bau- und Immobilienbranche. Das auf Basis der Erprobungsphase entwickelte Gütesiegel "Neubau Büro und Verwaltung, Version 2008" soll in den kommenden Monaten überarbeitet und im Laufe des Jahres als aktualisierte Version 2009 auf den Markt gebracht werden. Bis dahin werden die bei der DGNB eingereichten Objekte nach dem bestehenden System zertifiziert. In einem nächsten Schritt soll ab Frühjahr 2009 ein Gütesiegel für andere Bauwerkstypen und für Bestandsbauten entwickelt werden. Jetzt kommt es noch darauf an, ein Ausbildungsprogramm für die Auditoren zur Vergabe und Kontrolle des Gütesiegels zu entwickeln. Dieses sei in Vorbereitung und soll ab der zweiten Jahreshälfte deutschlandweit angeboten werden.

Mit dem jetzt verfügbaren Gütesiegel findet Deutschland nicht nur den Anschluss an die ökologischen Standards seiner Nachbarn, sondern gibt zumindest einen Image-Impuls an den Immobilienmarkt, Nachhaltigkeit stärker wahrzunehmen. Ob sich mit dem neuen Ausweis höhere Flächenmieten durchsetzen lassen oder schneller Mieter finden, muss sich erst erweisen. Noch reagiert der Markt trotz aller Bekundungen reserviert. Aber vielleicht erweist sich ein anerkanntes Prüfsiegel doch als stärkeres Argument als unstandardisierte Öko-Bilanzen. Um beim Volksmund zu bleiben: "Ohne meinen Pass glaubt mir keiner was." (Red.)

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