Geldpolitik und Kreditvergabe

Gefährdet die Bundesbank das Wachstum privater Baufinanzierungen?

Spätestens mit dem kollektiven Verhalten der Zentralbanken führender Industriestaaten im Jahr 2008 im Hinblick auf die Lehman-Insolvenz und zur Vermeidung eines Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems steht die Geldpolitik beziehungsweise das Handeln und die Entscheidungen der Zentralbanken im Fokus der Medienberichterstattung - auch in Deutschland.

Die damals nicht prognostizierbaren Konsequenzen der Insolvenz einer international bedeutenden Investment-Bank hatten die Zentralbanken in den USA, Großbritannien, Euro-Europa und Japan dazu veranlasst, die Finanzmärkte mit größtmöglicher Liquidität auszustatten. Geld wurde definitiv nicht mehr knapp, sodass es keinen Grund für Vertrauensängste an den Interbankenmärkten mehr gab. Kreditinstitute wurden auf diese spektakuläre Weise von einer Liquiditätskrise verschont und das weltweite Finanzsystem (bis heute) gerettet.

Seit 2008 gelten Zentralbanken in der öffentlichen Wahrnehmung als Krisenretterinnen. Trotzdem haben sich innerhalb des Eurosystems zwei Fronten gebildet: auf der einen Seite die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer maximal expansiven Geldpolitik nahe der Staatsfinanzierung, auf der anderen Seite die Deutsche Bundesbank im kulturell monetaristischen Kontext einer strikt auf die Geldwertstabilität ausgerichteten Institution. Dieser neue mediale Fokus, das inzwischen entfachte gesellschaftliche Interesse an Zentralbanken geht so weit, dass Weidenfeld/Sauga (2012) in Ihrem Buch "Gelduntergang" sogar wussten, was der Präsident der Deutschen Bundesbank an seinem Fenster stehend dachte!

An dieser Stelle möchte ein als monetaristisch geprägter Volkswirt keine geldpolitische Debatte führen und aufzeigen, warum er die Position der Bundesbank theoretisch und auftragsbasiert fundiert sieht. Vielmehr interessiert eine andere makroökonomisch in diesen Zeiten neu zu beantwortende Frage: Gefährdet die Deutsche Bundesbank mit ihrem monetaristischen Kampf gegen die EZB-Politik das aktuelle Wachstum im deutschen privaten Wohnungsbaukreditgeschäft?

Bestimmungsfaktoren der Mietquote

Kurz: Ja, das tut sie! Das Wachstum im privaten Wohnungsbaukreditgeschäft korreliert negativ mit der Entwicklung der Mietquote (definiert als Anteil der zur Miete lebenden Haushalte an der Gesamthaushaltszahl) eines Staates. Die Mietquote wird makroökonomisch betrachtet durch zwei Faktoren determiniert: Einerseits durch die Kapitalkosten (positiver Zusammenhang) und andererseits durch die Konjunktur (negativer Zusammenhang).

Die Kapitalkosten der Bautätigkeit wirken auf die Attraktivität von Wohnungsbauinvestitionen negativ ein. Somit entstehen drei relevante Wirkungen auf die Mietquote:

1. Sinken die Kapitalkosten, werden zum Beispiel (Modernisierungs-)Investitionen für Bestandshalter attraktiver. Demnach forcieren geringere Kapitalkosten eine geringere Leerstandsquote, verhindern die Mieterfluktuation in Richtung Wohneigentumserwerb und die gesamtwirtschaftliche Mietquote steigt - zunächst.

2. Aber: Geringe Kapitalkosten ermöglichen ebenfalls Mietern den finanziell günstigen fremdkapitalfinanzierten Wohneigentumserwerb. Was kapitalseitig für Wohnungsunternehmen gilt, wirkt sich auch auf Privatinvestoren aus. Wenn geringe Kapitalkosten für Wohnungsbauinvestitionen durch die Zentralbanken forciert werden sollen, werden Zentralbanken den jeweiligen Leitzinssatz absenken. Geschäftsbanken können sich auf diese Weise zu Niedrigzinsen refinanzieren und somit günstige Konditionen an Investoren weitergeben. In diesem Fall intensiviert sich die private Investitionstätigkeit in den eigengenutzten Wohnungsbau und die Mietquote sinkt.

3. Die entsprechenden Investitionstätigkeiten von Wohnungsunternehmen und privaten Investoren in den Wohneigentumserwerb kann einen (nur) kurzfristig die Konjunktur stimulierenden positiven Nachfrageeffekt auf sich ziehen. Positive Konjunkturentwicklungen steigern die verfügbaren Haushaltseinkommen und forcieren damit abermals private Investitionen in den eigengenutzten Wohnungsbau. Der zunächst positive Effekt expansiver Geldpolitik auf die Mietquote dürfte jetzt überkompensiert sein, sodass per saldo die Mietquote sinkt.

Satzungsmäßiges (in der Stabilitätskultur der früher selbstständigen Bundesbank stehendes) Primärziel der EZB ist jedoch die Sicherung der Geldwertstabilität, keinesfalls kurzfristige Konjunkturimpulse zu setzen. Eine expansive Geldpolitik respektive die intensivierte Kreditvergabe im Finanzsystem führt zur Geld-(mengen-)schöpfung. Seit rund zweihundert Jahren wissen Volkswirte unbestreitbar (weil es sich nicht um einer Forschungserkenntnis handelt, sondern um einer Bestandslogik), dass die Geldmenge nur in Relation zum durchschnittlichen Wirtschaftswachstum wachsen darf, ohne Inflation zu forcieren.

Ausgleichmechanismus der Konjunkturstimulierung

Wenn also der Kreditprozess zentralbankforciert ausufert, reduzieren Zentralbanken aus Angst vor (eigeninitiierter) Inflation mittelfristig die Geldmenge wieder und schränken die Kreditvergabe ein. Ergo werden Zentralbanken die Refinanzierungszinsätze für Geschäftsbanken anheben. Steigende Marktzinsen führen zu steigenden Kapitalkosten für Investoren wie zum Beispiel Wohnungsbestandshalter, die ihre Investitionstätigkeiten wie private Haushalte einschränken. Auf diese Weise wird die Konjunktur (wiederum politisch) gebremst und letztlich die neue Mietquote stabilisiert. Sollte der Prozess funktionieren, wäre die Mietquote im Ergebnis abgesenkt - das Wohnungsbaukreditgeschäft mit Privatkunden im Umkehrschluss stets angestiegen.

Kapitalkosten und Konjunkturentwicklungen als makroökonomische Bestimmungsfaktoren der Mietquote lösen einander im Wirtschaftsgeschehen gewöhnlich sukzessive ab. Seit 2010 und der Staatsschuldenkrise einiger Euro-Länder gilt für Deutschland allerdings eine Sondersituation: (1) Die historisch extrem expansive Geldpolitik der EZB geht einher mit (2) den positiven Konjunkturentwicklungen Deutschlands. Eine Reduktion der geldpolitischen Expansion ist aber nicht in Sicht, weil die Eurozone im Jahr 2012 mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum in Höhe von minus 0,3 Prozent in eine Rezession zu rutschen droht, wohingegen Deutschlands Wirtschaft wahrscheinlich um 0,9 Prozent wachsen wird.

Die zentrale Geldpolitik für die gesamte Eurozone macht es der EZB unmöglich, auf Wirtschaftsentwicklungen von Einzelländern zu reagieren. Daher leben wir 2012 in einem deutschen Wirtschaftsnovum: Niedrige Kapitalkosten gehen dauerhaft einher mit ausgeprägtem Wirtschaftswachstum - eine nachhaltige Vermarktungsunterstützung im Baufinanzierungsgeschäft beziehungsweise (um in der Argumentationslogik zu bleiben) eine enorme Belastung der Mietquote!

Die stabilitätsorientierte Deutsche Bundesbank

Aus diesem Grund kann der "Kampf" der Bundesbank gegen die monetär finanzierte Staatsverschuldung einzelner Euro-Länder (zum Beispiel durch EZB-Anleihenkäufe) und gegen die expansive Geldpolitik der EZB auch als Gefahr für den aktuellen Volumenboom im Privatkundengeschäft mit Baufinanzierungen gesehen werden. Im Gegensatz dazu unterstützt die EZB die deutschen Wohnungsbaufinanzierer aktiv. Diese Schlussfolgerung mag provo - kant klingen. Doch sie pointiert die Forschungsergebnisse des Fachgebiets Banken- und Kapitalmärkte der EBZ Business School - University of Applied Sciences zum Wirkungszusammenhang zwischen Zentralbankpolitik und dem Finanzierungsverhalten von Wohnungsunternehmen. Die Bundesbank wirkt im Unterschied zur EZB auf ein realwirtschaftlich verträgliches Wohnbaukreditvolumen der Banken hin. Ziel ist dabei die Vermeidung einer erneut platzenden Kreditblase, sollte die EZB ihre aktuelle Geldpolitik zukünftig stoppen.

In den USA war genau diese Wirtschaftssituation Basis für den überhitzten Immobilienboom samt eines Subprime-Markts. Und wer sich noch erinnert: Der Boom brach zusammen, nachdem und weil die US-Zentralbank ihre expansive Geldpolitik aus Inflationssorgen heraus beendet hatte. In der Eurozone sollten wir aus den US-Erfahrungen gelernt haben.

Prof. Dr. Markus Knüfermann , Fachbereich Volkswirtschaftslehre , EBZ Business School - University of Applied Sciences
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