Die Deutschen haben eine ganz besondere Beziehung zu ihren Wohnimmobilien. Für viele ist die eigene Wohnung oder das Haus im Grünen ein Lebenstraum. Im Vergleich zu anderen Ländern trennen sich Eigentümer in Deutschland aber noch immer selten von ihren Immobilien. Doch in einigen Lagen ist eine interessante Entwicklung zu beobachten, die auch mit dem demografischen Wandel zusammenhängt. Immer mehr Deutsche erwerben in ihrem Leben nicht mehr nur eine Immobilie. Zwei, auch drei Immobilien im Laufe der Jahre sind keine Seltenheit mehr. Passend zur jeweiligen Lebensphase vergrößern oder verkleinern sich einige Eigentümer, ziehen an den Rand oder ins Zentrum einer Stadt. Die Flexibilität, die wir von deutschen Mietern kennen, scheint zumindest in einigen spezifischen Lagen auf deutsche Eigentümer übergegriffen zu haben. Zwar kann man daraus noch keinen breiten Trend ablesen, doch für die Deutschen, die traditionell zum einmaligen Kauf tendieren, ist es in jedem Fall ungewöhnlich.
Dass die sogenannte Lebensabschnittsimmobilie im Eigentum auch für die Deutschen zunehmend interessant ist, liegt einerseits an den gegenwärtig historisch niedrigen Zinsen. Eigentum ist in der Finanzierung erschwinglich. Auch der demografische Wandel macht sich bemerkbar. So suchen ältere Menschen für den Lebensabend vermehrt nach Eigentumswohnungen, die ihren Ansprüchen gerecht werden. Statt dem Reihenhaus oder Einfamilienhaus mit mehreren Etagen bevorzugen sie moderne Mehrfamilienhäuser mit Aufzug oder eine kleinere Wohnung im Erdgeschoss mit Terrasse. Sie entscheiden sich ganz bewusst für den Verkauf ihres Hauses zugunsten einer Immobilie, die ihre veränderten Wohnbedürfnisse erfüllt. Die Eigentumswohnung als Lebensabschnittsimmobilie wird aber auch für die jüngeren Generationen attraktiv: Bei steigenden Mieten und gleichzeitig niedrigem Zinsniveau ist die laufende monatliche Belastung oft ähnlich hoch. Ein weiteres Beispiel sind Berufspendler, die sich in der Nähe ihres Arbeitsplatzes ein Appartement zulegen, um nicht jeden Tag die Strecke zu ihrem eigentlichen Wohnort zurücklegen zu müssen. Ändert sich ihre Arbeitsplatzsituation und möchten sie die Wohnung langfristig nicht als Kapitalanlage nutzen, verkaufen sie sie wieder.
Was in Deutschland neu ist, ist in anderen Ländern wie Schweden oder den Niederlanden schon lange etabliert: Der Trend zur Lebensabschnittsimmobilie ist dort viel ausgeprägter. Sicherlich spielen dabei die im Vergleich zu Deutschland anderen Voraussetzungen eine wichtige Rolle - beispielsweise ist der Mietwohnungsmarkt in Schweden weit weniger bedeutend.
Auch der erwartete Wertzuwachs von Eigenheimen und Eigentumswohnungen galt in anderen Ländern lange als sicher und wurde für die Lebensplanung mit einkalkuliert. In Deutschland bewegten sich die Immobilienwerte viele Jahre eher seitlich. Solange die Niedrigzinsphase anhält, könnte die Wechselbereitschaft vieler deutscher Eigentümer aber wachsen.
Nils Olav Boback, Geschäftsführer, NCC Deutschland GmbH, Fürstenwalde