Immobilien-Research

Frühindikatoren für Krisen auf den Immobilienmärkten

Subprime-Krise, Einbruch des spanischen Wohnimmobilienmarktes, Renditeanstiege weltweit - immer wieder stellt sich die Frage nach der Vorhersehbarkeit solcher Ereignisse. Einerseits ließ sich in allen Fällen die Gefahr eines solchen Umschwungs lange vorher erkennen, andererseits war der genaue Zeitpunkt nicht vorherzusehen. Der Beitrag untersucht retrospektiv verschiedene Daten der Immobilien- und Finanzmärkte auf ihre Eignung, als Frühindikatoren vor solchen Krisen zu warnen.

Zeitliche Informations-Verzögerungen und ihre Folgen

Die Immobilie ist immer ein spezifisches Gut, der Verkaufsprozess (von Angebot bis Vertragsabschluss) dauert vergleichsweise lange und die Auswertung des Marktgeschehens umfasst zwangsläufig längere Zeiträume (mindestens Monate). Vor allem aus diesen Gründen sind Immobilienmärkte nicht von kurzfristigen Preissprüngen gekennzeichnet, die man von Wertpapierbörsen kennt.

Krisen vollziehen sich daher vergleichsweise langsam. Eine vergleichende Untersuchung der Wohnimmobilienmärkte der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat schon vor einigen Jahren gezeigt, dass sich auch die dramatischsten Markteinbrüche in den zurückliegenden Jahrzehnten immer über mehrere Jahre hingezogen haben. Mit anderen Worten: Es ist eher die Regel, dass Phasen des Preisanstiegs, des Preisrückgangs oder der Stagnation mehrere Jahre anhalten. Umso verlockender ist es für die Marktteilnehmer - allen Warnungen zum Trotz - solche Entwicklungen in die Zukunft fortzuschreiben und im Falle eines Preisanstiegs von nicht enden wollenden Wertzuwächsen zu träumen. Die Folgen eines solchen Optimismus werden dann besonders fatal, wenn auch Finanzierungskonditionen, insbesondere die Loan-to-value-ratio, von diesem Szenario ausgehen.

Das prozyklische Verhalten der Marktteilnehmer ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Mietsteigerungserwartungen, optimistischen Prognosen zur Wertentwicklung und Erleichterung der Kreditkonditionen. Vor diesem Hintergrund wäre es für Marktakteure wichtig, möglichst frühzeitig zu erkennen, wann ein Markt seinen Wendepunkt erreichen wird. Am Beispiel des spanischen Wohnungsmarktes ist sehr gut ablesbar, dass dieser Zeitpunkt prinzipiell schwer vorherzusagen ist. Vor einer Überteuerung, die durch fundamentale Daten nicht gerechtfertigt war, haben Beobachter bereits zu Beginn des Jahrzehnts gewarnt.

Spanischer Wohnimmobilienmarkt

Die spanischen Wohnimmobilienpreise stiegen - davon scheinbar unbeeindruckt - bis Ende des Jahres 2007 weiter an. Belastbare Preisstatistiken, die eine Trendwende tatsächlich belegen, liegen erst seit Mitte 2008 vor.

Daher ist die Frage gerechtfertigt, ob der Marktumschwung bereits früher aus verfügbaren Daten ablesbar war. Dabei reicht es nicht aus, dass ein einzelner Frühindikator einen Wendepunkt erreicht hat. Die Richtungsänderung muss sich darüber hinaus in zwei bis drei aufeinander folgenden Werten manifestieren, und darüber hinaus müssen die Daten rechtzeitig verfügbar sein.1)

In der nachfolgenden Betrachtung werden dieser Aspekt, das heißt das Infor-mations-Time-Lag (zwischen dem Beobachtungstermin und veröffentlichter Auswertung), und das Erfordernis, dass eine Trendwende durch mehrere beobachtete Daten belegt sein sollte, ausdrücklich berücksichtigt.

Ergebnisse der Analyse und Ermittlung von Indikatoren

Betrachtet man als Referenzreihe des spanischen Wohnimmobilienmarktes die Zeitreihe der quartalsweise ermittelten durchschnittlichen Verkaufspreise spanischer Eigentumswohnungen2), so ist der Wendepunkt, genauer gesagt der höchste beobachtete Wert, im zweiten Quartal 2007 verzeichnet worden.

Der Wert des dritten Quartals lag bereits niedriger. Der Veröffentlichungstermin liegt für diese Werte immer rund zehn Wochen nach Quartalsende, also in diesem Fall Mitte Dezember 2007.

Es stellt sich nun die Frage, welche belastbaren Daten bereits vor diesem Zeitpunkt zur Verfügung standen, die bereits einen Hinweis auf diese Marktänderung gegeben haben. Folgende Daten des spanischen Marktes wurden dafür analysiert:

- Transaktionsanzahl, Baubeginne und Fertigstellungen von Eigentumswohnungen3), - Index der Bauaktien4), 5),

- Volumen notleidender Kredite für Wohnungsfinanzierungen in Spanien6),

- Langfristige Zinsen,

- Indizes für Credit Default Swaps (CDS)7).

Folgende Trendänderungen gingen der Wende bei den Wohnungspreisen tatsächlich voraus:

- Die quartalsweise veröffentlichte Anzahl der Transaktionen weist anscheinend eine Saisonkomponente auf. Daher ist die Änderungsrate dieser Kennzahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von Interesse. Im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresquartal war ein Sinken der Transaktionszahlen seit dem dritten Quartal 2006 beobachtbar.

- Der Bauaktienindex hat im Verlaufe des ersten Quartals 2007 seinen Höhepunkt überschritten und ist danach - von der aktientypischen Volatilität abgesehen kontinuierlich gefallen.

- Das Volumen der notleidenden Kredite lag im zweiten Quartal 2007 erstmals signifikant unter dem Mittel der zwei Vorjahre und ist seitdem deutlich angestiegen.

Eine Betrachtung der Zeitreihen zeigt ebenfalls, dass einzelne Indikatoren auch schon vorher einmal ein vergleichbares Signal, das heißt eine temporäre Trendwende, gegeben haben. Daher kann nicht verallgemeinert werden, dass beispielsweise das Absinken des Bauaktienindex immer einem Absinken der Wohnungspreise vorausgeht.

Voraussetzungen für verlässliche Prognosen Man sollte vielmehr davon ausgehen, dass zwei Voraussetzungen gegeben sein müssen, bevor man aus dem Verhalten der genannten Indikatoren tatsächlich einen Marktumschwung prognostizieren kann: Erstens sollten entsprechende

Fundamentaldaten vorliegen, die für eine Überbewertung der Immobilien sprechen. Zweitens sollten mehrere Daten der betrachteten Zeitreihen in die gleiche Richtung weisen - entweder die nachhaltige Tendenz eines Indikators oder das deutliche Reagieren mehrerer Indikatoren.

In der Abbildung 1 werden diese Zeitreihen gegenübergestellt. Die orange gefärbten Punkte markieren die ersten beiden Termine, zu denen aufgrund des oben beschriebenen Informations-Time-Lags der entsprechende Wert einen negativen Trend signalisierte.

Die weißen Punkte stehen für die Termine, zu denen das dritte oder vierte Mal in Folge eine negative Entwicklung registriert wurde. Die Pfeile entsprechen den jeweiligen Informations-Time-Lags.

Die genannten Bedingungen waren im zweiten Quartal 2007 gegeben. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Quartalsdaten des Wohnimmobilienmarktes zum dritten Mal in Folge auf das Sinken der Transaktionszahlen hin. Zugleich befand sich der Bauaktienindex seit rund vier Monaten auf Talfahrt, und die Kreditqualität (Anteil notleidender Kredite) verschlechterte sich zum ersten Mal signifikant.

Vorlauf der Indikatoren vor den Preisreaktionen

Mithin hatten diese Indikatoren, selbst unter Berücksichtigung des Informations-Time-Lags, einen echten Vorlauf. Die Wohnimmobilienpreise gingen im Landesdurchschnitt erstmalig im dritten Quartal zurück (Veröffentlichung der amtlichen Daten im Dezember 2007).

Ebenso wie am spanischen Wohnimmobilienmarkt haben sich die Konditionen für Verkäufe von Anlageimmobilien mit Büronutzung in deutschen Großstädten bis zum Sommer 2007 verbessert und von diesem Zeitpunkt an verschlechtert. Mit anderen Worten: Seit Mitte 2007 steigen die Anfangsrenditen, die Preise fallen. Analog zum Ziel des ersten Abschnitts, Frühindikatoren für diese Entwicklung zu finden, wurden exemplarisch folgende Zeitreihen untersucht:

- Immobilienaktienindex Dimax,8)

- Börsenkurse für Swaps zur Absicherung von Kreditausfallrisiken (CDS),9)

- Zinsdifferenz zwischen langfristigen Rentenpapieren und langfristigen Hypothekarkrediten,10)

- Befragungsergebnisse zu den Kreditkonditionen deutscher und europäischer Banken,11)

- Auftragseingang des Baugewerbes.

Referenzreihe sind hier die von Jones Lang Lasalle monatsweise angegebenen Nettoanfangsrenditen für Büroimmobilien an den fünf bedeutendsten Standorten.12)

Leider ist es so, dass es weder einen auf die Immobilienbranche zugeschnittenen Stimmungsindikator13) noch eine Angabe zum Transaktionsvolumen14) gibt, der in die Untersuchung einbezogen werden könnte.

Besonderheiten des deutschen Marktes

Die Abbildung 2 stellt die wichtigsten Ergebnisse - analog zu den spanischen Daten - dar. Der Aktienindex Dimax und die Kurse für CDS haben wirklichen Prognosecharakter, das heißt nicht nur einen Vorlauf gegenüber der Referenzreihe, sondern aufgrund der täglichen Verfügbarkeit auch kein Informations-Time-Lag.

Die Änderung dieser beiden Indikatoren scheint zunächst ein schwächeres Indiz als die Änderungen dreier Indikatoren für den spanischen Wohnungsmarkt zu sein. Dies umso mehr, als dass im Unterschied zum spanischen Wohnimmobilienmarkt die sonstigen Fundamentaldaten nicht in so eindeutiger Weise auf eine Überhitzung der Preise hindeuteten.

Im Gegenteil: Im internationalen Vergleich sind die Büromieten in den deutschen Metropolen unterdurchschnittlich, sodass niedrige Anfangsrenditen durch stabile Mieterträge mit Steigerungspotenzial gerechtfertigt erscheinen. Schnellere Marktreaktion dank besserer Daten

Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt bereits die Probleme des US-amerikanischen Hypothekenmarktes erkennbar. Da einerseits Investmentmärkte immer sensibel auf das finanzielle und makroökonomische Umfeld reagieren und andererseits die Immobilienrenditen historische Tiefststände erreicht hatten, lag die Trendwende ohnehin "in der Luft".

Durch Beobachtung der passenden Indikatoren konnte diesem Bauchgefühl eine rationale Begründung hinzugefügt werden. Die tatsächliche Bestätigung, das heißt die Veröffentlichung erster Daten zur Renditeentwicklung auf dem Büroimmobilienmarkt, erfolgte rund zwei Monate später mit Veröffentlichung entsprechender Daten.

Da die deutsche Kreditwirtschaft ihre Finanzierungsentscheidungen in der Regel nicht von erwarteten kurzfristigen Wertänderungen der Beleihungsobjekte abhängig macht, ist die Bedeutung von Indikatoren mit wenigen Monaten Vorlauf für das Kreditgeschäft gering. Größere Bedeutung haben sie hingegen für taktische Entscheidungen im Transaktionsgeschehen. Indizieren die betrachteten Parameter einen Preisrückgang, so kann es für Verkäufer sinnvoll sein, Verkaufsprozesse relativ zügig zum Abschluss zu bringen und dabei taktische Preisabschläge in Kauf zu nehmen.

Bedeutung der Indikatoren für die Finanz- und Immobilienwirtschaft

Andererseits legen die vorliegenden historischen Daten nahe, auch in der gegenwärtigen Phase nicht mit einem dramatischen Preisverfall innerhalb kurzer Zeit, sondern mit einem längeren Zeitraum mit signifikanten jährlichen Rückgangsraten zu rechnen.

Werden aktuelle Wertermittlungen, zum Beispiel in Ankaufsprozessen, benötigt, so ist der Blick auf Prognoseindikatoren, gerade in überhitzten Märkten, sinnvoll. So kann vermieden werden, dass der zurückliegende Preisanstieg weiter fortgeschrieben wird, obwohl tatsächlich bereits eine Stagnation oder ein Rückgang eingetreten ist.

Besondere Bedeutung bei der kurzfristigen Prognose kommt der Zeitspanne zwischen Datenerhebung und Veröffentlichung zu. Eine Verkürzung dieses Zeitraums und eine Fokussierung auf Daten ohne Time-Lag (zum Beispiel Börsenkurse) eröffnen die Möglichkeit, Wendepunkte dementsprechend eher zu erkennen.

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